Dienstag, 07. Mai 2024

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Eine tote Sprache ersteht in Würzburg wieder auf

Die Würzburger Residenz – Sitz der Fürstbischöfe und ein Meisterwerk der Barockarchitektur: Reich verzierte Fassaden, das größte Deckenfresko der Welt im Treppenhaus und Scharen von Besuchern, die in Italienisch, Französisch, Englisch oder auch Japanisch fast im Akkord die Prachträume bis hin zum Spiegelkabinett gezeigt bekommen. Im reich mit Stuck geschmückten Gartensaal mischen sich überraschende Töne in den Sprachenwirrwarr der zahlreichen Führungen:

26.08.2002
    Es sala que appelatur sala terrena, etiam Bacchum videmus. In Frankonia vinum optimum est.

    Ganz in Latein führt Jürgen Löb, Oberstudienrat aus Marktheidenfeld, eine Schulklasse aus Weikersheim. Gartensaal heißt der prächtige Raum, weil er den Blick auf den Residenzgarten freigibt. Und warum gerade Bacchus hier verewigt ist, worum sich in der Gegend alles dreht, das haben die Schüler trotz Latein verstanden:

    Um den Wein in Franken. Und dass der Wein den Namen des Gottes Bacchus trägt und dass das ein guter Wein ist.

    Weiter geht es durch die Säle der Residenz, immer in Latein, eine Stunde lang. Anstrengend, sagen Priska und Jonas am Ende, aber es hat sich gelohnt:

    Es war ein schönes praktisches Beispiel mal für Latein, weil die meisten ja wirklich denken, es ist nur eine tote Sprache.

    Dadurch, dass lauter Götter abgebildet sind, kann man das gut in lateinischer Sprache erklären. Und man versteht es auch besser, wenn man das gezeigt bekommt war, dann sieht man, dass Latein auch einen Praxis-Bezug hat, in gewisser Weise, und dass man das eigentlich auch verstehen kann, wenn es so schön deutlich und langsam ist. Und wir haben die wunderschöne Residenz von Würzburg gesehen.

    Dass Löb Schüler und andere Interessierte auf Lateinisch durch die Würzburger Residenz führt ist eine Idee, die auf die Colloquia Latina Herbipolensia zurückgeht. Gegründet wurde das Treffen der Lateinsprecher vor über 15 Jahren von dem Altphilologen Hans Ludwig Oertel:

    Auslöser war ein Anschlag am schwarzen Brett unseres Instituts für ein Latein-Seminar in den Ferien. Diese Möglichkeit Latein zu sprechen, hat mich so begeistert, dass ich es auch mit unseren Studenten versuchen wollte.

    Lateinsprech-Zirkel gibt es auch an Universitäten in München, Saarbrücken, Göttingen und Berlin. In Würzburg treffen sich um die 15 Interessierte - Studenten, Dozenten und Lehrer, regelmäßig, um sich auf Latein über Alltagsthemen zu unterhalten. Die lateinische Führung durch die Residenz war da Programmpunkt:

    Einer der Lateinlehrer hat oft schon Führungen auf französisch gemacht. Nach einiger Vorbereitung hat er dann einmal eine auf Latein gemacht. Im Sommer 2003 soll noch ein Teil dazu kommen.

    Diese Führung kam auch bei der Residenzverwaltung so gut an, dass der Lehrer inzwischen öfter für Lateinführungen in der Residenz gebucht wird. Oertel erinnert sich noch an einen anderen Beitrag zu den Lateinsprech-Kolloquien, der ihn begeistert hat - von einem Frankfurter Mathematiker:

    Und der hat uns auf lateinisch Differenzialgleichungen gebracht, Dinge, die wir kaum verstanden haben, die er aber fließend vorgebracht hat. Das war für mich der tollste Beitrag, weil man sehen kann, dass man alles auf Latein sagen kann. Da steht man in einer festen Tradition klassischer Bildung. Das war zwar eine Spielerei, aber eine fundiert wissenschaftliche.

    Über den PC zum Beispiel lässt sich als Computatrum oder Ordinatrum auf lateinisch sprechen. Was Oertel sich mit seinen Colloquia vor allem wünscht: Dass die Studenten, die zukünftigen Lehrer, ein wenig von der Freude am gesprochenen Latein ihren zukünftigen Schülern vermitteln können – so wie Jürgen Löb bei seiner lateinischen Führung durch die Würzburger Residenz.

    Zusatzinfos: Die Führungen von Jürgen Löb richten sich nicht nur an Schüler, sondern sind auf Absprache offen für alle Interessierten. Das Angebot des Colloquia Latina Herbipolensia steht im Internet – natürlich in lateinischer Sprache – unter www.uni-wuerzburg.de. Die Colloquia sind für alle Interessierten offen und kostenlos, während des Semesters üblicherweise Freitag Abend, halb sieben.

    Lateinische Radiosendung im Internet unter www.yle.fi