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Eine wackelige Angelegenheit

Sie sind in den Parks und Grünanlagen der Städte: Die modernen Seiltänzer, die ihre Bänder zwischen zwei Bäume spannen und darauf mehr oder weniger sicher balancieren. Geübtere zeigen Kunsttücke: Spagat, Salto rückwärts, oft von Neugierigen beobachtet. Aber die Trendsportart Slacklining ist oft auch ein Balanceakt für die Städte in Sachen Umweltschutz.

Von Daniela Müllenborn | 11.06.2013
    Sonntagnachmittag in den Bonner Rheinauen. Jan spannt gerade einen fünf Zentimeter breiten Gurt - eine Slackline, was übersetzt Schlappseil heißt - etwa in Hüfthöhe zwischen zwei große, alte, ausladende Bäume.

    "Wir haben heute ein Slackline-Treffen gestartet, spontan, die Sonne lacht, Slacklinen ist ja ein Sonnensport, mal gucken wie viele heute kommen."

    Jan hat eine Slackline-Gruppe gegründet. Im Internet kündigt er immer an, wann, wo geslacklined wird. In Bonn geht das überall. Die Stadt hat nichts dagegen. Solange die Slackliner nicht die Rinde der Bäume kaputt machen. Das kann schnell passieren. Deshalb legt Jan immer erst einen Baumschutz an. Der sieht aus wie ein Stück Teppich und kommt zwischen Baum und Gurt. Das wird auch schon mal kontrolliert:
    "Manchmal kommt das Ordnungsamt vorbei, aber eher selten."

    35 Kilometer rheinabwärts im inneren Kölner Grüngürtel, im Schatten des Fernsehturms: Auf einer großen, von Spazierwegen umgebenen Picknickwiese sind Fußballer und Frisbee-Spieler in Aktion. Und mittendrin stehen fünf mit Holz verkleidete Pfosten, die zwischen acht und 50 Meter von einander entfernt sind: Ein Slackline-Park. Hier spannt Gunter gerade seinen Gurt zwischen zwei dieser Pfosten. Gunter ist Anfänger und hat eine kurze Distanz gewählt. Er ist heute zum ersten Mal hier:

    "Is ne gute Idee diese Slackline-Parks zu errichten, vor allem wenn man das kombiniert mit dem Freizeitangebot, was man hier sonst so hat."

    Anfangs konnte man auch in Köln überall seine Slackline spannen. Weil es immer mehr Slackliner wurden und die sich halt am Liebsten für ihren Sport Bäume aussuchen, hatte Joachim Bauer, Baumexperte beim Kölner Grünflächen-Amt, damit aber bald ein Problem."
    "Im Moment besteht beim Slacklinen immer die potentielle Gefahr, dass Bäume zerstört werden. Das ist ein Tatbestand der bei uns in der Grünflächenverordnung verboten ist. Bäume zu zerstören ist verboten."

    Selbst kräftige und völlig gesunde Bäume sind den Zug-, Druck- und Scheuerbelastungen des gespannten Gurtes nicht gewachsen. Schließlich können an den Befestigungen Kraftspitzen von bis zu drei Tonnen Zuglast auftreten.

    "Direkt unterhalb der Rinde ist das sogenannte Kambium-Gewebe, das ist das lebende Gewebe. Das heißt, dass sind die empfindlichsten Zonen überhaupt des Baumes, und wenn auf diese Zonen ein starker Druck ausgeübt wird, dann können da die Zellen absterben und der Baum seine Versorgungsfunktion verlieren und großen Schaden nehmen."

    "Deshalb ist Slacklinen in einigen Städten sogar komplett verboten, etwa in Karlsruhe, in Wiesbaden oder Darmstadt. Weil die Stadt Köln aber kein Spielverderber sein will, hat sie die Slackline-Parks gebaut. Dort können die Gurte entweder an den extra aufgestellten Pfosten befestigt werden. Aber auch an Bäumen, die durch spezielle Holzmanschetten geschützt sind, mitentwickelt von Stefan Türk, vom Institut für Natursport und Ökologie an der Deutschen Sporthochschule in Köln:

    "Damit liegt die Slackline nicht mehr direkt am Baum, sondern in vier Zentimetern Entfernung vom Baum, aber immer noch um den Baum herum an. Die Druckwirkung wird besser verteilt, und dann ist natürlich auch die direkte Wirkung von potentiellen Scherkräften durch das Verrutschen der Bänder, durch das Anlegen der Bänder entstehen kann, ist quasi gleich null."

    Das Problem: Auch der Handel bietet Baumschütze für Slackliner an. Genau solche, die auch Jan aus Bonn verwendet. Eine Art Gummimatten, die im Grunde genommen zu jeder Ausrüstung dazugehören. Die schützen den Baum allerdings nur teilweise.

    "Und dann fühlen sich die Slackliner, dadurch dass ihnen das ja auch vom Hersteller offeriert wird, das ist der Baumschutz, auf der sicheren Seite. Ich glaube es gibt keinen Slackliner, der aktiv einen Baum zerstören will."

    Unwissenheit schützt aber nicht vor Ordnungsgeld. Wer in Köln beim "Wild-Slacklinen" erwischt wird, muss zahlen. Zwischen 35,- und 500,- Euro, je nachdem ob und inwieweit die Rinde sichtbar beschädigt ist. Das Ordnungsamt hat aber keine Mitarbeiter extra dafür abgestellt, die Slackliner zu kontrollieren. Das passiert sozusagen nebenbei, wenn nach Grillsündern in den Grünanlagen Ausschau gehalten wird. Und in den Slackline-Parks dürfen sie ja sowieso. Fünf Parks gibt´ s bislang im Stadtgebiet. Weitere sind geplant. Die Standorte hat ein Team um Jens Brügmann von der Deutschen Sporthochschule vorgeschlagen. Nach einer wissenschaftlichen Befragung in der Slackline-Szene.

    "Die Slackliner möchten halt gerne so ´n bisschen spontan sein, sie haben dadurch jetzt nicht wirklich die Möglichkeit überall hinzugehen, sind quasi auf diese Plätze angewiesen, aber ich denk mal, es sind weite Wiesen, die Untergründe sind gut, dass die Slackliner wirklich ihr Plätze haben."