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Eine zweite Chance für die Tuberkulose

Medizin. - Die Tuberkulose ist weltweit eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten. Ein Drittel der Weltbevölkerung ist infiziert, jedes Jahr bricht die Krankheit bei über neun Millionen Menschen aus, 1,7 Millionen fallen Mycobakterium tuberkulosis zum Opfer. Auch in Deutschland haben Mediziner mit besonders gefährlichen, weil resistenten Erregern zu kämpfen.

Von Volkart Wildermuth | 16.03.2009
    Der Tuberkelbazillus ist ein zäher Gegner für das Immunsystem. Dabei geht die erste Runde der Auseinandersetzung meist an die körpereigene Abwehr. In neun von zehn Fällen wird das Bakterium von Abwehrzellen eingeschlossen, bevor es Schaden anrichten kann. Damit ist es aber nicht besiegt. Der Erreger drosselt seinen Stoffwechsel und wartet, Monate, Jahre, viele Jahrzehnte.

    "In Deutschland, zumindest bei der deutschen Bevölkerung ist es so, dass sich viele alte Menschen vor vielen, vielen Jahren in der Nachkriegszeit mit dem Tuberkulosebakterium infiziert haben, das schlummert im Körper, und wenn sie dann alt, gebrechlich sind, Begleiterkrankungen haben, dann kann die Tuberkulose wieder ausbrechen","

    erklärt Dr. Barbara Hauer vom Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose. Sobald die Kraft des Immunsystems im Alter nachlässt, erhält der Erreger eine zweite Chance, kann sich aus seinem Zellgefängnis befreien und sich erneut im Körper ausbreiten. Diese zweite Welle der Infektion muss nicht auf die Lunge beschränkt bleiben. Für die Ärzte macht das die Diagnose schwierig.

    ""Wir haben gesehen, dass vor allem die Tuberkulosefälle, die nicht nur in der Lunge, sondern außerhalb der Lunge auftreten, im höheren Alter häufiger sind, so zum Beispiel bei älteren Menschen, vor allem bei Männern die so genannte Urogenital-Tuberkulose, das heißt der Nieren und ableitenden Harnwege, häufiger ist als bei jüngeren Erwachsenen, so dass man bei Beschwerden in dem Bereich einfach auch an eine Tuberkulose denken muss."

    Die Ärzte müssen ihren Blick für die Tuberkulose bei älteren Menschen schärften. Dafür gibt es im Übrigen noch einen zweiten Grund. Im Alter ermattet das Immunsystem nicht nur, es wird gelegentlich auch von den Medizinern zusätzlich gezielt mit Medikamenten gedämpft. So lassen sich die Beschwerden etwa bei einer Schuppenflechte, bei der Darmentzündung Morbus Crohn oder bestimmten Rheumaformen lindern.

    "Die Rheumapatienten sind ein gutes Beispiel, weil die mit Medikamenten behandelt werden, die TN-alpha-Blocker, wo wir wissen, dass eine Tuberkulose häufiger reaktiviert, weil die Medikamente genau an dem Immunmechanismus angreifen, der hilft, die Tuberkuloseerreger langfristig in Schach zu halten. Und diese Personen werden auch, bevor sie behandelt werden, auf Tuberkuloseinfektionen hin untersucht und wenn eine festgestellt wird, dann sollten sie behandelt werden."

    Das klingt logisch, es ist aber gar nicht so einfach, eine schlummernde Tuberkuloseinfektion festzustellen. Viele ältere Menschen wurden noch gegen die Tuberkulose geimpft. Der klassische Tuberkulin-Hauttest, schlägt bei ihnen an, egal ob das Bakterium nun wirklich im Körper ist oder nicht. Professor Robert Loddenkemper, Vorsitzender des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, empfiehlt deshalb die so genannten IGRA Tests. Die messen die Reaktion der weißen Blutkörperchen auf einen ganz spezifischen Teil des Tuberkuloseerregers. Von einer früheren Impfung lassen sie sich nicht täuschen.

    "Und genauso ist es bei den so genannten Mykobakterien, die mit der Tuberkulose nicht in Zusammenhang stehen, die nichttuberkulösen Mykobakterien, die bei uns zunehmen eine Rolle spielen. Der Hauttest reagiert da auch positiv und dieser IGRA Teste reagieren da negativ, weil die ganz spezifisch sich auf den Tuberkuloseerreger beziehen."

    Die IGRA Tests sind also sicherer, sie sind aber auch teurer. Zurzeit versucht das Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose die Kassen davon zu überzeugen, diese Tests vor einer Behandlung mit immununterdrückenden Medikamenten zu bezahlen. Ohne verlässliche Tests besteht bei älteren Menschen die Gefahr, dass die Therapie von Rheuma oder Morbus Crohn, einer eigentlich schon besiegten Tuberkulose eine zweite Chance gibt.