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Einen Grand Cru néerlandais, gefällig?

Es sind natürlich keine Crus, aber Medaillen haben Sie schon gewonnen: Weine aus den Niederlanden. Der globalen Erwärmung geschuldet, gedeihen hier erstaunlich trinkbare Gewächse - was sogar der französische Altpräsident Mitterand zugeben musste.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Südlich von Maastricht, auf dem Louwersberg, liegt das Weingut Apostelhoeve. Der Panoramablick über die Rebhänge des Jekertals ist prachtvoll. "Niederländisches Weintal" wird es auch genant, erklärt Mitarbeiterin Manuela Mendez voller Stolz.

    Denn vier niederländische Winzer bauen hier Weißwein an: Müller-Thurgau, Pinot Gris, Riesling. Achteinhalb Hektar gehören dem Weingut Apostelhoeve – einem Familienbetrieb, der 1970 vom Obst- auf den Weinanbau umgestiegen ist. "Damals gehörten wir zu den Ersten", erinnert sich Mitarbeiterin Mendez. Inzwischen haben viele nachgezogen:

    "Das liegt am Klimawandel. Die Sommer sind so warm geworden, dass wir keinen Zucker mehr hinzufügen müssen. Dadurch werden die Niederlande immer mehr zum Weinland – sogar weiter oben im Norden, in Twenthe, Zeeland oder Brabant. Überall sieht man auf einmal Reben."

    "Polderwein" wird der niederländische Wein auch genannt. Denn Berge sind für den Weinanbau nicht nötig. Ausschlaggebend sei die richtige Lage, erklärt Manuela Mendez – nämlich gen Süden. Auch sei es ratsam, die Blätter rigoros zurückzuschneiden, damit erst die Blüten und später die Reben die maximale Sonneneinstrahlung bekommen. Ein solcher "kurzer Schnitt" sei typisch für den Polderwein. Und eine relativ späte Lese:

    "Inzwischen können wir in den ersten beiden Oktoberwochen ernten, dieses Jahr haben wir sogar bereits Ende September begonnen – so fantastisch war der Sommer! Früher mussten wir bis Mitte Oktober warten. Doch die Sommer sind so viel wärmer geworden, dass die Lese nun gut eine Woche eher beginnen kann."

    Ausschlaggebend für den Erfolg des Polderweins ist allerdings auch die Entwicklung neuer kälte- und pilzresistenter Rebensorten. Vor allem die Winzer weiter oben im Norden der Niederlande machen dankbar davon Gebrauch:

    Einer von ihnen ist der 63-jährige Freek Verhoeven aus Groesbeek bei Nimwegen. Er baut Rotwein und Weißwein an und probiert neue Sorten aus, die der Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner entwickelt hat:

    Regent zum Beispiel, Rondo, Bianca, Merzling oder Johanniter. Dabei arbeitet Verhoeven in Deutschland eng mit dem Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg zusammen. Denn der niederländische Winzer hat ehrgeizige Pläne: Zusammen mit sieben anderen Kollegen will er Groesbeek zum Weindorf der Niederlande machen – mit Wein-Fahrradtouren und Weinfesten.

    "Durch die neuen Rebensorten steigen auch im Norden immer mehr Bauern auf Wein um. Viele, die bereits einen Campingplatz haben oder Zimmer vermieten, können ihren Gästen nun auch ihren eigenen Wein anbieten."

    Verhoevens Weine wurden bereits mehrfach ausgezeichnet, wie in diesem Jahr in Berlin mit zwei internationalen Goldmedaillen. Der Flaschenpreis von 12 Euro, so der Winzer, sei deshalb angebracht. "Immerhin geht es um ein Qualitätsprodukt", meint auch Manuela Mendez vom Apostelhoeve:

    "In der Business Class der KLM wird nun Polderwein aus Zeeland serviert. Die meisten Passagiere könnten schwören, dass es um einen Loire-Wein geht. Niederländischen Wein würden sie nie bestellen, der kann ja nicht gut sein, denken viele."

    Auch Frankreichs Altpräsident Mitterrand musste erst bekehrt werden: 1992 weilte er zusammen mit den anderen europäischen Regierungschefs einen Steinwurf entfernt im Schloss Neercanne, um den Vertrag von Maastricht zu unterzeichnen. Zum Abendessen gab es Wein vom Apostelhoeve. Als sich die Herren nicht einig werden wollten, rief Mitterrand den Ober herbei: "Bringen Sie mir noch ein Glas von diesem herrlichen Elsasswein!", sagte er. Man musste ihm eine ganze Flasche bringen. Denn erst nach einem Blick auf das Etikett war er davon zu überzeugen, so erinnert sich Manuela Mendez lachend, dass dieser exzellente Wein nicht auf französischem Boden gewachsen war…