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Einer gegen seine SPD

Die dritte Startbahn für den Münchener Flughafen ist ein Streitthema in Bayern. Und nun auch ein Zwist innerhalb der SPD. Denn Christian Ude, Sozialdemokrat und Münchner Oberbürgermeister, will die Bahn - seine Partei aber nicht.

Von Lisa Weiß |
    Idyllische Ruhe klingt anders:Im Garten ein kleiner Teich mit Lurchen und Fröschen , auf der Terrasse exotische Feigenbäume. Hartmut Binners Zuhause am Stadtrand von Freising wirkt idyllisch, wie der ideale Ort zum Kaffee trinken und Ausruhen. Aber der erste Eindruck täuscht, sagt Binner, der Sprecher des Aktionsbündnisses "AufgeMUCkt", das gegen die dritte Startbahn kämpft. Er nennt sein Haus "Widerstandsnest":

    "Ja erstens mal hab ich hier einen Fahnenmast, Ich hab jetzt aufgezogen die "AufgeMUCkt"-Fahne mit unserem Logo, der durchgestrichenen drei, ich hab vorne draußen das Plakat mit Hinweis auf unsere Demo am 29. Oktober, das zeichnet im Moment nach außen hin meinen Garten aus."

    Seit sechs Jahren kämpft die Initiative schon gegen den Flughafenausbau, Hartmut Binner, 71 Jahre, pensionierter Polizeibeamter, ist immer mit dabei. Er befürchtet: Wenn die neue Startbahn kommt, dann ist hier richtig Verkehr. In Spitzenzeiten alle zwei Minuten ein Flugzeug.

    "Dann würden sie knapp über unser Haus fliegen und über den ganzen Süden von Freising. Es wurde bestätigt, dass sich der Fluglärm hier in unserem Stadtviertel und damit in allen anderen Stadtvierteln mit 20 000 Menschen verdreifachen würde."

    Attaching, ein Ortsteil von Freising, würde dann in der Einflugschneise liegen. Einige Bewohner des Ortes müssten ihre Häuser verlassen und wegziehen, die übrig gebliebenen Attachinger könnten ihre Fenster wegen des Fluglärms kaum noch öffnen, jeden Tag, von 6 bis 22 Uhr. Ein Albtraum - nicht nur für die Anwohner, auch für Freisings Oberbürgermeister, Dieter Thalhammer. Er ist nicht nur Startbahngegner, sondern auch überzeugter Sozialdemokrat. Und kann nicht verstehen, dass sein Parteikollege Christian Ude, derzeit Münchner Oberbürgermeister und SPD-Hoffnungsträger für die nächste Landtagswahl, seine Partei mit allen Mitteln auf die dritte Startbahn einschwören will.

    "Als Oberbürgermeister, wenn er sagt, ich will die dritte Startbahn, hab ich nichts dagegen. Aber zu sagen, ich kandidier nur wenn die Partei diese meine Meinung voll und ganz unterstützt, das halt ich für einen schlechten Weg und da hab ich gesagt das grenzt scho a bissel an Erpressung weil so kanns nicht gehen, das ist kein demokratisches Verhalten."

    Christian Ude sieht das ganz anders. Seit Jahren kämpft er für eine dritte Startbahn, erhofft sich dadurch einen Aufschwung für München. Und seine Meinung will er nicht ändern, auch nicht jetzt, nachdem sich der charismatische Politiker selbst zum neuen Spitzenkandidaten der SPD aufgeschwungen hat:

    "Natürlich kann ich nicht gleichzeitig für und gegen die Startbahn sein, so kommt der Ruf der Politik zu schaden, wenn Menschen bereit sind, auch das Gegenteil ihrer eigenen Meinung und ihrer bisherigen Überzeugung zu vertreten."

    Nur: Ein ähnliches Problem hat auch der Rest der bayerischen SPD. Erst letztes Jahr hat sie auf einem Parteitag ihre Haltung zum Flughafenausbau festgelegt - klar gegen eine dritte Startbahn. Wenn es nach Ude und dem SPD-Vorstand geht, soll die Partei in Zukunft genau das Gegenteil vertreten: Für nächsten März hat der Vorstand einen Parteitag anberaumt. Dann soll noch mal abgestimmt werden, möglichst positiv. Ob die Basis da mitspielt? Ude sieht jedenfalls keine großen Proteste kommen:

    "Ich bin sehr optimistisch, dass wir bei einer gründlichen Debatte eine große Mehrheit auf dem bayerischen Parteitag für den Bau einer dritten Startbahn erhalten."

    Allerdings - selbst wenn die SPD-Basis zähneknirschend zustimmt; selbst wenn die SPD bei der Landtagswahl 2013 mit Ude tatsächlich Rekordergebnisse erreicht: Grüne und Freie Wähler, die möglichen Koalitionspartner, sind strikt gegen den Flughafenausbau. Aber von solchen Einwänden lässt sich Ude nicht beeindrucken, glaubt fest an ein Einlenken der Grünen, der Freien Wähler, der SPD. Denn eines stimmt eben auch: Er, der beliebte Oberbürgermeister von München, ist die einzige Hoffnung für die schwächelnde SPD in Bayern, die zuletzt bei Umfragen nur noch auf 17 Prozent kam. Nur mit ihm hat die SPD eine Chance, den ersten Ministerpräsidenten in Bayern seit 1957 zu stellen. Aber trotzdem - wie viel kann sich Ude erlauben, der Monarch von München, wie ihn Kritiker nennen? Kann er Monarch von Bayern werden, die SPD und eine spätere Koalition durchregieren? SPD-Bürgermeister Thalhammer glaubt: Die SPD-Basis wird ihre Meinung nicht ändern - und Ude schließlich doch einlenken.

    "Sicher, er ist von sich sehr eingenommen, ich hab ihn in diesem Zusammenhang auch wissen lassen, dass ich von ihm a bissel enttäuscht bin, weil er vom Umland wenig hält."

    Der Freisinger Stadtrat hat jetzt beschlossen: Freising, die SPD-regierte Stadt, wird gegen die dritte Startbahn klagen, egal, wie die offizielle Haltung der SPD am Schluss ausfällt. Ude macht das keine Angst.

    "Also meines Erachtens spricht alles dafür, dass die Gesellschafter des Flughafens den Prozess gewinnen und dass schon im nächsten oder spätestens übernächsten Jahr die Aufträge vergeben und der Baubeginn stattfinden kann."

    Das wäre ideal für Ude - dann wäre 2013 schon alles entschieden, die Bauarbeiten in vollem Gange, und das Thema im Wahlkampf vom Tisch. Doch vielleicht hat Ude die Rechnung ohne die Zivilgesellschaft gemacht - repräsentiert zum Beispiel von der Initiative "AufgeMUCkt". Sprecher Hartmut Binner, der pensionierte Polizeibeamte, warnt: Die Bewegung radikalisiert sich.

    "Wir werden grenzwertige Maßnahmen immer mehr ergreifen. Wir haben jetzt schon dreimal Straßenbesetzungen durchgeführt das letzte Mal beim Oktoberfestumzug in München. Das taten wir früher nicht."

    Droht München also ein neues Stuttgart 21? Soweit will Hartmut Binner nicht gehen. Aber er hofft, dass mindestens 5000 Menschen am 29. Oktober vor dem Rathaus auf dem Münchner Marienplatz gegen die dritte Startbahn demonstrieren werden. Und sich anhören, wie SPD-Bürgermeister Thalhammer unter dem Schreibtisch seines Parteikollegen Ude gegen den Flughafenausbau eintritt.