Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Eines der besten Rockalben des Jahres

Sechs Jahre lang hatte man nichts von den Babyshambles, der Band um den skandalumwobenen Sänger Pete Doherty, gehört. Auf dem neuen Album zeigen sie nun, dass sie eine Band sind und keine Doherty-Show. Es ist eine Platte mit Herz und voller Überraschungen.

Von Bernd Lechler | 31.08.2013
    Musik: Fireman

    Es beginnt mit einem spitzen Riff und rumpelndem Punk wie von 1977 -

    Musik: Fireman

    - aber einen Track später klingeln die Gitarren so rund wie bei den Smiths -

    Musik: Nothing Comes To Nothing

    - und da ahnt man schon halb verblüfft, dass dies eine richtig gute Platte geworden ist. Die kleine Smiths-Parallele verdankt sich wohl deren einstigem Produzenten Stephen Street, der auch die Babyshambles hier produziert hat, bündiger denn je. Aber nicht nur er gehört genannt, um daran zu erinnern, dass sie eine Band sind, keine Pete-Doherty-Show: Gitarrist Mick Whitnall hat Songs beigesteuert, und mehr noch diesmal Bassist Drew McConnell, der nach seinem schweren Motorradunfall vor zwei Jahren offenbar wild entschlossen war, seine dümpelnde Band wieder flott zu kriegen. In "Picture Me In A Hospital" geht es um ihn, nicht um Doherty.

    Es ist eine Platte mit Herz, mit mehr zarten als ruppigen Seiten; komplett unpoliert, aber für das viel verwendete Etikett "Schrammelrock" viel zu gekonnt, dabei von einer Ohr-wurmdichte, die selbst Lady Gaga genügte - und voller Überraschungen: Die Songs biegen oft unerwartet ab, wenn man denkt, man hat sie erfasst; sie sind mal fünf Minuten lang, mal nur 1,40, und stilistisch wildern sie überall: Der Titeltrack hat was von Nachkriegs-Music-Hall. "Dr. No" geht mit verwehter Melodica und Offbeat-Gitarre Richtung Ska. Es gibt aber auch Rock 'n' Roll alter Schule und Beinah-Country, und "Farmer’s Daughter" ist nur dank der Babyshambles-eigenen Windschiefe kein Stadionrock.

    Das ist die Stelle, an der man denkt: Er kann ja tatsächlich noch singen. Und sein Charisma, wenngleich zerzaust und durchlöchert, ist auch noch da und der Fokus des Albums. Er singt wie früher schon eine Menge krudes Zeug mit regelmäßig aufblitzenden brillanten Sätzen. Es schwimmen Haie in den Songs, es gibt das Mädchen Maybelline, mit dem Lasso zu fangendes Mondlicht sowie Moralisten hoch zu Ross, und in "Fall From Grace" begegnen wir dem Mann, der mit gefesselten Händen den Kummer surft, und das wird wohl doch Pete Doherty selber sein.

    Da fällt einem doch kurz wieder ein, wie wir dieser Band und diesem Mann immer halb als Hörer oder Fans, halb als Schaulustige begegnen, weil man schwer weggucken kann, wenn einer öffentlich in immer gefährlichere Tiefen sinkt. Immerhin: Der Typ im Song mit den gefesselten Händen sieht Land am Horizont. Und "Prequel To The Sequel" ist eines der besten Rockalben des Jahres.