Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv


Einfach und wirkungsvoll

Technik. - Seit Jahren schon suchen zahlreiche Hilfsorganisationen nach Möglichkeiten, die Wasserversorgung und die sanitären Verhältnisse in den Entwicklungsländern zu verbessern. Sogar die UNO hat sich das Problem auf die Fahnen geschrieben. Was bisher geschah, hat nicht wirklich etwas verändert, denn wegen Durchfallerkrankungen sterben noch immer über 2,5 Millionen Menschen jährlich. Alle 15 Sekunden auch ein Kind. Grund genug, dass Zürcher Forscher nach einer Lösung suchten, die auch in armen Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen funktioniert.

24.06.2004
    Sauberes Trinkwasser ist für uns völlig normal. Wir drehen den Wasserhahn auf, halten einen Becher darunter, und schon fließt Wasser ohne Dreck und gefährliche Keime. In ärmeren Ländern ist jedoch sauberes Wasser Luxus. In der Regel holen Frauen und Kinder die Wassereimer von verdreckten Tümpeln oder Brunnen. Und da auch die Fäkalienentsorgung nicht richtig funktioniert, gelangen Durchfall-Erreger wie Escherichia coli, Salmonellen sowie Typhus- oder Cholerabakterien in das zum Trinken bestimmte Wasser.

    Aber auch das Wasser, das verteilt wird in diesen Slums, sei das über Zapfstellen oder über Tanker, auch dieses Wasser ist verkeimt und es muss aufbereitet werden auf Haushaltsebene.

    Martin Wegelin von der Schweizer Forschungsanstalt EAWAG arbeitet schon seit Jahren immer wieder in den ärmsten Gegenden der Welt. Gemeinsam mit anderen Forschern hat er nun eine Möglichkeit gefunden, die so einfach ist wie preiswert und völlig ohne Chemie funktioniert. Wegelin nimmt die Sonne zu Hilfe, und die ist in den meisten Entwicklungsländern reichlich vorhanden. Alles, was man für sauberes Trinkwasser braucht, ist nunmehr eine durchsichtige weiße Plastikflasche und Sonnenlicht. Wegelin:

    Man füllt solche PET-Flaschen am Morgen mit verkeimtem Wasser, legt die dann für etwa sechs Stunden an das volle Sonnenlicht, und gegen Abend kann man dann die Flaschen runternehmen, sie ins Haus nehmen und das Wasser trinken.

    Obwohl das völlig banal klingt, beruht der Wirkmechanismus auf wissenschaftlichen Fakten. Der Trick hinter der Solaren Wasserdesinfektion, kurz SODIS, ist folgender: Die Sonne sendet UV-A-Licht, das Bakterien und andere Keime abtöten kann. Den Laborversuchen zufolge geschieht das über eine Schädigung der Erbsubstanz DNA. Hinzu kommt, dass die Sonne Infrarotstrahlung aussendet, die das Wasser erhitzt. Und dass Wärme Keime vernichtet, wussten schon unsere Vorfahren. Wegelin:

    Wir haben auch gesehen, dass auch der Sauerstoffgehalt des Wassers mithilft eben, die pathogenen Keime zu inaktivieren. Darum empfehlen wir, dass die Leute die Flaschen für etwa 20 Sekunden schütteln sollen.

    Wegelin untersuchte Wasser, das auf diese Art aufbereitet wurde, sowohl im Labor als auch in zahlreichen Feldversuchen in Entwicklungsländern. Und was er fand, begeisterte die Forscher. Wegelin:

    Was wir gesehen haben, dass wir in sechs Stunden bei Bakterien und Viren von Größenordnungen 1000 bis 10.000 herunterkommen auf Null oder eine Bakterie oder Mikroorganismen.

    Die Wirkung der UV-A-Strahlen ist schon allein so effektiv, dass bei einer Wassertemperatur von 30 Grad Celsius die 6 Stunden Sonnenbestrahlung völlig ausreichen. Wenn bei einer Wassertemperatur von 50 Grad noch der Faktor Hitze hinzukommt, sterben die Durchfallerreger bereits nach einer Stunde. Schwierig wird es nur bei schlechterem Wetter. Wenn der Himmel zu mehr als der Hälfte mit Wolken bedeckt ist, müssen die Wasserflaschen zur Desinfektion 2 Tage hintereinander in der Sonne liegen. Wegelin:

    Was SODIS nicht kann oder nur beschränkt, das sind die Inaktivierung von Parasiten wie Giardia und Cryptosporidien.

    Schwierig wird es auch bei sehr trübem Wasser, wenn nicht genügend Sonne das Wasser durchdringt. Damit auch Menschen ohne technische Hilfsmittel den Trübungsgrad ihres Wassers einschätzen können, haben die Forscher ein SODIS-Logo mit einer gelben Sonne entwickelt, das sie vor Ort verteilen. Wegelin:

    Wenn man die fünf Buchstaben sieht, dann ist es weniger als 30 NTU und wenn man sogar die Sonnenstrahlen sieht, dann sind es weniger als 20 NTU, also Trübungseinheiten.

    Und bei Wasser unter 30 NTU (nephelometric turbidity units) funktioniert die Methode - einfach aber wirkungsvoll. So, dass es auch die Leute mit wenig Schulbildung und sogar die Kinder verstehen. Martin Wegelin:

    Mit SODIS haben wir eine ganz einfache Methode entwickelt, damit die Leute sich selbst helfen können, verkeimtes Wasser aufzubereiten. Sonnenlicht ist gratis und Flaschen können sie sich vielfach auch selbst beschaffen. Unser großes Problem ist, wie eben diese Methode, diese Idee zu den Leuten zu bringen.