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"Einfach zuhören und etwas abfeiern"

Sieben Jahre sind seit dem letzten Album vergangen, nun veröffentlicht die Berliner Band "Jeans Team" ihr viertes Album mit dem Titel "Das ist Alkomerz". Im Corsogespräch sprechen die Musiker über Alkohol als Inspirationsquelle, Live-Auftritte und den Ruf, "Bierzelt-Melodien" zu produzieren.

Von Katja Bigalke | 27.02.2013
    Katja Bigalke: Im März erscheint bei dem Berliner Label Staatsakt Ihr neues Album: "Das ist Alkomerz" heißt es. Eine Mischung aus Kommerz und Alk- wie Alkohol. Und einiges, was da zu hören ist, klingt auch nach 'ner Menge Alkohol. Da sind so ein paar Schunkellieder dabei, die ganz gut zu Karneval passen würden. Und auch Titel wie "Lolita Dröhn" oder "Scheiß drauf" klingen jetzt nicht gerade nüchtern - Alkohol also eine Inspirationsquelle?

    Franz Schütte: Alkohol ist eher in unserer Gesellschaft generell halt 'ne Realität und diese Platte hat sehr viel damit zu tun, was alltäglich mit einem passiert und da spielt natürlich Alkohol auch eine Rolle, aber das sollte jetzt auch nicht so im Vordergrund stehen.

    Reimo Herfort: Alkomerz kann man auch übersetzen wie trunken von Kommerz, der einen umringt, wenn man zum Beispiel zum Alex geht oder in die Alexa-Arkaden. Wir haben auch viel mit den Wörtern gespielt, die da so auf den Bannern stehen, Geiz ist geil oder sternhagelbillig.

    Bigalke: Der Autor oder Ex-Autor – mittlerweile vertreibt er Spülen - Rafael Horzon promoted Ihr Album so: Traurige Texte und fröhliche Bierzelt-Melodien, die auch ganz kleine Kinder schon beim zweiten Mal hören laut mitsingen müssen. Trifft es das? Es gibt ja auch Titel wie "Party Unser" – eine Abwandlung des "Vater Unsers" oder das "Erotik ABC", Titel, die eher minimal klingen und weniger für Kinder geeignet sind

    Schütte: Ja das ist klar, da sind Texte drauf die sind nicht so für Kinder gedacht aber die anderen Lieder wie "Scheiß drauf" oder "Menschen sind zum Träumen da", die haben auch alle so eine infantile Eingängigkeit denke ich und das ist auch wichtig, dass irgendwie Texte und Musik so zusammengehen, dass man das Gehirn ausschaltet, wo man einfach zuhört und etwas abfeiert.

    Bigalke: "Bierzeltmelodien zum Mitsingen", ist das nicht ein nicht so tolles Kompliment?

    Herfort: Also ich find' das super, wir sind ja große Fans von Trio und Stefan Remmler und der hat das auch angefangen, so was zu machen. Es ist was Volksnahes würde ich sagen, was wir übersetzt haben in eine Popmusik. Ich mag diese Partystimmung, ich mag auch mit Leuten schunkeln und wenn man ein bisschen kräftiger angefasst wird, finde ich besser, als wenn man nur vorsichtig ist.

    Bigalke: Wir sitzen jetzt hier in einem Studio in Berlin-Wedding, ein paar der Titel der CD sind auch in einem anderen Studio entstanden im Havelland, was ist das für ein Tonstudio da mitten in der Pampa in Brandenburg?

    Schütte: Das ist im Grunde genommen nur eine Baracke, wo es Strom gibt und wir haben dann unser kleines Studio mit hingenommen und dort aufgebaut und dort einfach mal versucht aus Berlin und aus dieser ganzen Berliner Geschichte rauszukommen und Abstand zu gewinnen und dort sind dann auch so Texte wie Gesundbrunnencenter entstanden, die halt extrem lang sind und immer, immer weiter gehen. Es war schön, wir waren da auch viel Segeln und Schwimmen im See und wir dachten: Ganzheitlich rangehen an die Musik, also wenn man sich gut fühlt, dann halt auch solche Musik machen.

    Bigalke: Das ist aber mehr so eine kleine Sommerresidenz oder?

    Herfort: Ja, ich hab meinen Campingwagen da auch und das ist auch wirklich schön. Uns wir dachten dass wir da schöne ruhige Musik, abgeschottet machen und das war aber überhaupt nicht der Fall, also ruhige Musik mache ich eher in Berlin um mich zu entspannen und da haben wir eher Power gemacht, das war ganz witzig. Also wenn man da aus dem Fenster schaut, in den Wald schaut und die Vögel zwitschern hört, und dann so umza-umza-umza diese Musik braucht.

    Bigalke: "Gesundbrunnencenter" ist da entstanden, das ist ein Einkaufszentrum um die Ecke, warum ist zum Beispiel das auf dem Land ausgerechnet entstanden?

    Schütte: Ja, das war so eine ältere Idee. Überhaupt sind die ganzen Lieder auf dieser Platte, alles so Ideen, die uns zugeflogen sind. Wir haben versucht, extrem ehrlich mit uns zu sein und nichts zu konstruieren, auch thematisch nicht, sondern einfach die Sachen zu nehmen, die uns auf unseren Reisen und Touren so uns in den Schoß fallen, so als Ideen so zwischen Tür und Angel, wenn man gerade im Bus sitzt und zu einem Konzertraum gebracht wird, fällt einem auf einmal ein so: Gesundbrunnencenter (singt) und das wurde sofort zu einem Ohrwurm, dieses Lied, bevor wir nur einen Ton davon aufgenommen haben.

    Bigalke: Das ist die Melodie "e viva Espana".

    Schütte: Ja, es ist eine Coverversion von Imka Marina, mit 'nem anderen Text drauf."

    Bigalke: Kommen wir mal zum Klang, gerade auch wenn man hört, dass diese Platte zum Teil auf dem Land entstanden ist, hätte man sich rein akustisch auch eine Fortsetzung der letzten Platte vorstellen können, wo viele Akustikgitarren aufgetaucht sind. Das ist jetzt gar nicht mehr der Fall. Sie kehren eher wieder zurück zu den Wurzeln, also Disco und Elektro. Warum? Da werden auch ein paar Leute sehr enttäuscht sein. Die war ja auch sehr schön, die alte Platte.

    Herfort: Ja, aber die gibt es ja, die Platte, und die kann man auch kaufen und bei uns ist es immer so: Wenn wir eine Sache mal gemacht haben, müssen wir danach etwas ganz anderes machen. Wir sind immer nicht so gerne dabei, zwei gleiche Lieder hintereinander zu machen, sondern wir gehen immer auf die Reise und suchen was Neues, sonst fänd' ich das auch total langweilig.

    Bigalke: Sie haben sich in den letzten Jahren verkleinert, - haben sich von den zwei Bandmitgliedern Gunther Kreis und Henning Watkinson getrennt, was ist da passiert?

    Schütte: Wir machen das ja schon seit über 16 Jahren und die haben das ja auch sehr lange mitgemacht, aber irgendwann ist das so, dass man in einem Musikerleben sich auch mal entscheidet – und wenn es nur für ein paar Jahre ist – ich muss jetzt mal was ganz anderes machen. Und so aus ganz persönlichen Interessen haben die sich aus unserer Band dann wieder herausgelöst. Ich finde das ganz natürlich. Im Moment haben wir aber auch keine Lust, ein neues Bandmitglied dazu zu nehmen. Zu zweit reist es sich ganz gut und wir reisen ja sehr viel und ein neuer Mensch ist auch gleichzeitig immer ein neues Problem.

    Bigalke: Sie reisen sehr viel zu Live-Auftritten, man hat fast das Gefühl, dass das der wichtigere Punkt geworden ist als das Produzieren von Alben. Das letzte Album ist vor sieben Jahren erschienen, ""Kopf auf" hieß das, jetzt erst kommt das Neue, zwischendurch haben Sie ein paar einzelne Titel verkauft, wie funktioniert Ihr Business?

    Herfort: Ja, das basiert natürlich heute sehr auf Live. Das hat sich total gewandelt. Wir haben das Glück, dass sich unsere Platten immer gleichbleibend verkaufen. Aber finanzieren tun wir uns durch Auftritte. Und die Sache ist, wenn man was aufnehmen will, man braucht dafür Zeit. Und auch Ruhe. Mal eben am Wochenende irgendwo hinfahren und auf 'ner Party auftreten, danach muss man sich auch ein bisschen regenerieren. Das ist auch schwierig dann in so ein Aufnahmegefühl wieder reinzukommen, wenn man weiß, am Donnerstag muss ich schon wieder Sachen packen. Es hat sich halt lange hingezogen. Wir haben glaube ich zwei, drei Jahre die letzte Platte abgetourt, in Europa und dann weiter ins Ausland. Musik hat eher was mit Jahren zu tun als mit Monaten.

    Bigalke: Zwei Titel des Albums "Das ist Alkomerz" sind schon bekannt, weil sie schon vorher veröffentlicht wurden: "Menschen sind zum Träumen da" und "Bomberjäckchen". Worum geht es da?

    Herfort: Bomberjäckchen? Das ist ein Lied über eine Jacke. Es gibt ja mehrere Themen, die man bearbeiten kann als Musiker, zum Beispiel Städte oder Essen oder Klamotten, zum Beispiel Blue Suede Shoes oder so. Ja und 'ne Bomberjacke ist ein Kleidungsstück, das extrem aufgeladen ist, und das auch Power hat, wenn man die anzieht. Anders als bei anderen Kleidungstücken. Irgendwie gut und ja es geht darin um dieses Gefühl.

    Bigalke: Sie legen viel Wert auf Texte, das hört man und das liest man auch regelmäßig und trotzdem sind die Texte, die Sie schreiben, eher minimal. Ein Lied über eine Jacke ist vom Ansatz her schon minimal, aber auch "Haddu Zeit" ist jetzt nicht gerade komplex. Das "Erotik ABC" spielt mit Wörtern, ist aber auch eher einfach.

    Schütte: Na klar, ich mein "Haddu Zeit" ist ein Häschenwitz und da geht’s darum, dass wir gesagt haben auf diese Platte, das ist 'ne Partyplatte, da muss ein Häschenwitz drauf, so Haddu-Möhren-mäßig. Und "Erotik ABC" da geht es darum, dass man das endlich mal macht.

    Herfort: Wir haben es auch oft, dass wir uns Gegenstände ausdenken, die dann für uns singen. Zum Beispiel hatten wir vor zwei Jahren auf unserer Live-Show einen Kühlschrank, Horst Kühler, der hat gesungen und der hat ne Freundin, Kimberly und die nimmt. Und die haben sich gut verstanden. Und jetzt haben wir DJ Dieter. Und der kommt auch ganz viel auf unserer Platte vor. Ein Held aus dem Wedding. Mit Schnauzer auch.