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Eingebauter Fermenter

Gentechnik. – Die Umwandlung von Pflanzen in Biotreibstoff ist in Zeiten steigender Lebensmittelpreise ein heftig diskutiertes Thema. Die Verwendung von Pflanzenresten steckt noch in den Kinderschuhen, weil es nicht einfach ist, Zellulose in verwendbare Moleküle zu zerlegen. Dem soll jetzt die Gentechnik nachhelfen, schlagen US-Wissenschaftler in "Nature Review Genetics" vor.

Von Michael Lange | 16.05.2008
    Pflanzen nutzen das Licht der Sonne und wandeln es durch Photosynthese um in chemische Energie. Sie wird gespeichert in den pflanzlichen Zellwänden. In der Landwirtschaft enden sie meist als pflanzliche Reststoffe, wie Stroh, Heu oder Spreu. Ein Team von Biologen und Agrarwissenschaftlern der Michigan State University in East Lansing hat Möglichkeiten erforscht, die Energie der Zellwände zu nutzen. Ein Weg wäre die Herstellung des Alkohols Ethanol, der als Biosprit Verwendung findet. Laut Einschätzung der Wissenschaftler sei die Nutzung dieser neuen Energiequelle in wenigen Jahren marktreif und rentabel. Mariam Sticklen von der Michigan State University:

    "”Die Energie in den Zellwänden der Pflanze ist gebunden als Zellulose oder Hemizellulose. Das sind lange Zuckerketten. Man muss sie knacken, um die Zuckermoleküle zu gewinnen. Durch Gärung lässt sich dann daraus Ethanol herstellen.""

    Zellulose ist für die Stabilität der Pflanzen verantwortlich. Der menschliche Stoffwechsel kann die Verbindung zwischen den Zuckermolekülen der Zellulose nicht knacken. Sie wird unverdaut wieder ausgeschieden. Im Magen-Darmtrakt von Rindern erledigen Mikroben diese Aufgabe. Sie zerlegen die Zellulose mit Hilfe spezieller Enzyme. Biotechnologen können diese Enzyme in Fermentern herstellen. Sie nutzen dabei Bakterien und Pilze als Enzymproduzenten. Das ist jedoch aufwändig und teuer, so dass die Biosprit Herstellung auf diesem Weg nicht wirtschaftlich ist, so Mariam Sticklen von der Michigan State University. Ihr Plan: Pflanzen sollen die zellulose-zerlegenden Enzyme selbst herstellen. Mit Hilfe der Gentechnik. Sticklen:

    "Wir sorgen durch gezielte Genmanipulation dafür, dass Enzyme im Innern der Vakuolen gespeichert werden. Das sind große Wasserblasen in den Pflanzenzellen. Dort sind die Enzyme inaktiv bis die Pflanze geerntet wird. Dann wird das Pflanzenmaterial zerkleinert, und die Enzyme können die Zellulose zerlegen."

    Die Gene für drei wichtige Enzyme zum Zelluloseabbau haben die Forscher bereits in Maispflanzen eingebaut. Die Maiskolben lassen sich zu Lebensmitteln verarbeiten oder verfüttern. Das Restmaterial, Blätter und Stängel, ließe sich so preiswert zu Ethanol verarbeiten. Dank der mit Gentechnik produzierten Enzyme. Die Zellulose der Pflanzen ist ein wichtiger Energie-Vorrat, und ein möglicher Energieträger der Zukunft. Das glaubt auch der Pflanzenforscher Hans-Jörg Jacobsen von der Universität Hannover. Er hält jedoch Biogas für den besseren Weg, um aus Pflanzenabfällen Energie zu gewinnen. Nicht Bioethanol. Jacobsen:

    "Zellulosebasierte Biogassysteme halte ich für ziemlich effektiv, und ich sehe auch im Biogas die Lösung. Ich sehe sie nicht in flüssigen Treibstoffen. Jedenfalls die Technik ist im Moment noch nicht da."

    Auch Hans Herren, den Vizepräsidenten des Weltagrarrats, haben die Vorschläge aus den USA nicht überzeugt. Er sieht ein Problem auf die Äcker zukommen, wenn Pflanzen Enzyme herstellen, die Zellulose abbauen. Herren:

    "Bei den Enzymen muss man aufpassen, dass die dann nicht rauskommen, in den Boden kommen, wo die dann natürlich das organische Material im Boden sehr schnell verdauen könnten. Das ist auch nicht sehr gut. Was man auch immer macht, mit diesen Manipulationen. Da muss man sehr aufpassen und wissen, was man tut Und vor allem am Anfang sehr gute Forschung betreiben. das braucht Zeit. Das braucht Geld, und hier muss man sich die Zeit einfach nehmen einmal."

    Nicht nur die Gentechniker, auch Landwirtschaftsexperten und Ökologen, werden sich in den nächsten Jahren mit dem Thema Biosprit aus genmanipulierten Pflanzen beschäftigen müssen. Die Nachfrage wird steigen, und die Diskussion über das Für und Wider des gentechnisch hergestellten Biosprits hat gerade erst begonnen.