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Eingeflogen aus dem Urlaub

Die Politik schläft nie. Bundestagsabgeordnete müssen als Volksvertreter in Krisenzeiten auch mal den Urlaub unterbrechen, um beispielsweise über Hilfen für Spanien abzustimmen - während das Volk dort urlaubt. Und nur ganz Wenige haben eine wirklich gute Ausrede.

Von Dieter Nürnberger |
    "Ich hab den Eindruck, dass bis auf drei alle da sind. Eine Abgeordnete ist beispielsweise auf einer Hochzeit ihres Schwiegersohnes in Südkorea. Und das haben wir entschuldigt."

    Jürgen Trittin, einer der beiden Grünen-Fraktionsvorsitzenden, hat den Überblick. Nur drei von insgesamt 68 Abgeordneten seiner Fraktion fehlen. Und Südkorea ist nun wirklich weit weg. In den Bundestagsfraktionen hat man heute Mittag – vor der wichtigen Abstimmung zum Hilfspaket für Spanien – genau nachgezählt. Die Rückruf-Aktion für die Abgeordneten im Sommerurlaub kam zwar nicht überraschend, doch für einige wenige dann wohl zu knapp. Geschäftiges Treiben auf der Fraktionsebene im Berliner Reichstag. Eigentlich ist alles wie immer: Journalisten stehen mit Abgeordneten zusammen. Informationen werden ausgetauscht, Fragen gestellt und natürlich nicht immer beantwortet. Eine allerdings hört man immer wieder – auch unter den Abgeordneten: Schon im Urlaub gewesen – oder noch nicht? Peter Altmeier, der Bundesumweltminister, war noch nicht in den Ferien. Der CDU-Politiker tingelt derzeit in Sachen Energiewende ohnehin durch die Lande, sein Anfahrtsweg zur Sondersitzung war nicht weiter als sonst. Vom Wahlkreis im Saarland nach Berlin. Und überhaupt:

    "Sie wissen ja, dass mit Beginn der parlamentsfreien Zeit nicht automatisch auch die Regierung in den Urlaub geht. Sondern jeder Minister kann selbst entscheiden, ob er acht oder 14 Tage, auch drei Wochen Auszeit nimmt. Aber ansonsten geht die Arbeit weiter. Das ist auch richtig so, denn es gibt ja Probleme genug."

    Da kann eine richtige Urlaubsstimmung natürlich gar nicht erst aufkommen. Doch Altmaier hat noch Hoffnung, ein paar Tage will er schon noch ausspannen. Und zwar so richtig zeitintensiv ...

    "Ich habe mir fest vorgenommen, keine Interviews zu geben, keine Tweets und auch keine Telefonate. Sondern: Einfach mal am Vormittag zwölf Stunden schlafen, am Nachmittag zwölf Stunden schlafen. Was ich dann den Rest des Tages mache, das wird man sehen."

    Es war Bundestagspräsident Norbert Lammert, der den Abgeordneten vor gut zwei Wochen, als die parlamentarische Sommerpause begann, zurief:

    "Also, schwimmen Sie nicht so weit raus. Und achten Sie darauf, das Handgepäck immer griffbereit zu haben."

    Dieser Ratschlag wurde offenbar von vielen befolgt. Beispielsweise von Klaus Ernst, der bis vor Kurzem noch einer der beiden Parteichefs der Linken war.

    "Ich war im Lande. Ich bin schon seit gestern in Berlin. Für mich war das alles absolut unproblematisch. Problematisch empfinde ich eher das, was wir hier beschließen."

    So richtig freuen können sich die Mitarbeiter der Gastronomie im Bundestag. Durch die Sondersitzung brummt nun das Geschäft mit Kaffee und Mineralwasser, mit Bockwurst und Kartoffelsalat. Saaldiener, Mitarbeiter der Fahrbereitschaft, der Technik oder auch der Sicherheitsdienste: Hunderte arbeiten an diesem Sondersitzungstag ganz normal. Zudem dürfe man sich das Parlament während der Sommerpause auch nicht als leeres Geisterhaus vorstellen, sagt Christian Hoose, Sprecher der Bundestagsverwaltung.

    "Sie müssen sich das so vorstellen wie ein Unternehmen, die haben auch Urlaubsvertretungen. Es sind in Berlin Ferien. Insofern sind auch einige Bedienstete im Urlaub. Aber eben nur teilweise. Da gibt's Vertreter, die organisieren das dann. Insofern: Für die Verwaltung des Bundestages ist es kein Problem, eine Sondersitzung zu organisieren."

    Bei früheren Sondersitzungen wurden zusätzliche Kosten von rund 100.000 Euro veranschlagt. Vor allem Reisekosten schlugen hier zu Buche. Diesmal dürfte es preiswerter sein, da die vielen Politiker noch nicht in die Ferien gestartet waren. Andrea Nahles, SPD-Abgeordnete und Generalsekretärin der Partei, gehört zu Jenen, die schon weg waren.

    "Na, ich war in der Normandie. Bin heute früh von Paris hierher geflogen. Und fliege heute Abend wieder zurück."

    Nahles hat eine kleine Tochter, eineinhalb Jahre alt. Und natürlich sei die Familie nicht so begeistert gewesen, dass es nun für einen Tag Unterbrechung gibt - Parlament statt Strand eben.

    "Es tut einem schon ein wenig weh, den Urlaub so zu unterbrechen. Aber die Pflicht ruft eben."

    Andrea Nahles zumindest verrät ihr Urlaubsziel. Ihr Parteifreund Peer Steinbrück ist da nicht so offen. Der ehemalige Bundesfinanzminister und mögliche Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten hat sich gerade am Imbiss mit einem kleinen Snack versorgt.

    "Nee, das verrate ich nicht! Das ist Privatsache. Ist vielleicht langweilig, wenn ich das sage, aber Journalisten sind immer hinter einem her. Ich find das nicht gut. Vor allem hasst das meine Frau."

    Während unten im Plenarsaal die Pflicht ruft, steigen Hunderte von Parlamentsbesuchern und Touristen auf das Dach des Reichstags. Sie flanieren durch die berühmte gläserne Kuppel, die auch einen Blick nach unten erlaubt. Statt leeren Abgeordnetensitzen, wie sonst in der Sommerpause, nun also geschäftiges Treiben. Eigentlich sollte das die Besucher doch freuen, aber ...

    "Mir wäre es lieber, da auch reinzukommen. Von der Spannung kriegen wir ja nichts mit. Na gut, es ist interessant zu wissen, dass da Leute sind. Aber richtig sehen würden wir es auch gerne. Das geht leider nicht. - Um in den Plenarsaal zu kommen, muss man vier Monate vorher schon einen Termin ausmachen. - Wir hatten heute eine Führung durch das Haus und auch den Plenarsaal gebucht. Diese Führung wurde durch die Sondersitzung abgesagt."