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Eingeschränkt willkommen

Ökologie. - In der freien Natur gibt es eine große Konkurrenz unter den Pflanzen um die Bestäuber. Deshalb haben die Gewächse eine ganze Reihe von Strategien entwickelt, sie für ihre Zwecke einzusetzen. Eine davon haben nun Forscher vom MPI für chemische Ökologie in Jena aufgeklärt. Im Magazin "Science" berichten sie darüber.

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    Du bist herzlich willkommen, aber mach es dir nicht zu gemütlich in meiner Blüte. Diese Botschaft vermitteln Tabakpflanzen ihren Bestäubern – zumindest chemisch gesehen. Mit einem süß-blumigen Geruch locken die Gewächse ihre Besucher an, vertreiben sie dann aber wieder, wenn diese den Nektar trinken. Denn der Blütensaft enthält Nikotin, ein Gift, das auch Bestäubern nicht gut bekommt. Ian Baldwin, Direktor am Max Planck Institut für chemische Ökologie in Jena:

    "Wir waren sehr überrascht als wir das entdeckten. Denn auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, dass eine Pflanze versucht, ihre Bestäuber zu vergiften. Das wäre ja so, als würden wir unserem Briefträger ein Getränk anbieten und ihn dann damit vergiften."

    Um herauszufinden, warum Tabakpflanzen ihren Nektar mit Nikotin versetzen, veränderten die Wissenschaftler die genetischen Eigenschaften der Gewächse. So erhielten sie Exemplare, die Nektar ohne Nikotin herstellten und solche, die kein Benzylaceton herstellen, dessen süß-blumiger Duft nach Jasmin sonst der wichtigste Stoff ist, mit dem Tabakpflanzen ihre Bestäuber anlocken. Anschließend beobachteten die Forscher mit Videokameras, wie viele Besucher die unterschiedlichen Pflanzen aufsuchten und wie lange sie blieben. Nun berechneten die Wissenschaftler, wie viel Nektar die Bestäuber getrunken hatten. Baldwin:

    "Wir entdeckten, dass die Bestäuber an den nikotinhaltigen Pflanzen weniger Nektar tranken. Gleichzeitig besuchten sie aber mehr Blüten. Und das hat natürlich Vorteile für die Pflanze: Sie verliert weniger Nektar und weil sie öfter besucht wird, tragen die Bestäuber Pollen von verschiedenen Blüten zu anderen Pflanzen. Dadurch erhöhen die Gewächse die genetische Vielfalt ihrer Nachkommen und damit auch deren Überlebenschance. "

    Trinken die Besucher weniger Nektar, spart die Pflanze zudem wichtige Ressourcen, die sie beispielsweise in die Produktion von Samen investieren kann. Und das Nikotin im Blütensaft vertreibt gleichzeitig Nektarräuber und blütenfressende Insekten. Doch auch willkommene Blütenbesucher sind anpassungsfähig und können aus schlechten Erfahrungen lernen. Ein Tier, das sich an einer Pflanze vergiftet hat, besucht beim nächsten Mal vielleicht lieber eine andere. Tabakpflanzen werden vor allem von Kolibris und Taubenschwänzchen, einer Schmetterlingsart bestäubt. Baldwin:

    "Diesen Aspekt müssen wir noch genauer untersuchen. Wahrscheinlich ist die Menge an Nikotin, die die verschiedenen Pflanzen einer Population produzieren, sehr variabel. Vögel können offensichtlich nicht feststellen, dass sich Nikotin im Nektar befindet, bis sie ihn mit ihrem Schnabel probiert haben. Wenn die verschiedenen Pflanzen also nicht alle die gleiche Giftkonzentration in ihrem Blütensaft haben, werden die Vögel sie weiterhin besuchen und den Nektar probieren."

    Denn auch Bestäuber sind auf die Pflanzen angewiesen und müssen genügend Nektar finden, um überleben zu können. Und Tabakpflanzen keimen vor allem direkt nach Waldbränden aus. Dann sind ihre Blüten die einzigen weit und breit. Ian Baldwin nimmt an, dass nicht nur Tabakpflanzen ihre Besucher mit einem ausgeklügelten Gemisch aus Lock- und Abwehrstoffen manipulieren. Und deshalb sollte der Mensch besser nicht zu sehr in dieses komplizierte Wechselspiel eingreifen. Baldwin:

    "Ich denke, dass wir aus dieser Studie etwas wichtiges lernen können: Das Verständnis, dass das Zusammenspiel zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern genau aufeinander abgestimmt ist. Und dass dabei auch vieles falsch laufen kann. Durch bestimmte Züchtungen verändern wir auch die chemischen Eigenschaften einer Pflanze und greifen somit in das Bestäubungssystem ein. Es liegt also auch an uns, dieses fragile Zusammenspiel zu erhalten."