Mittwoch, 08. Mai 2024

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Eingriffe in die Keimbahn
Auf dem Weg zum Designerbaby

Die Frage, ob es erlaubt sein soll, menschliche Embryonen gentechnisch zu verändern, beschäftigt Forschung und Gesellschaft schon lange. Aktuell bekommt die Debatte ein neues Tempo, denn neue Techniken erobern die Labore und machen das erste Baby, das aus einem manipulierten Embryo entsteht, immer wahrscheinlicher.

Magdalena Schmude im Kollegengespräch mit Lennart Pyritz | 13.03.2015
    Lennart Pyritz: Warum kommt der Aufruf der Forscher gerade jetzt, Gentherapie ist ja kein ganz neues Thema?
    Magdalena Schmude: Weil es mittlerweile tatsächlich technisch relativ einfach möglich wäre, einen genetisch veränderten menschlichen Embryo zu erzeugen.
    In den letzten Jahren wurde eine Reihe neuer Techniken entwickelt, mit denen ganz gezielt einzelne Abschnitte im Erbmaterial verändert werden können. Das war mit dieser Genauigkeit und Effizienz bisher nicht möglich. Mit Tieren wird das mittlerweile auch schon gemacht, zum Beispiel um genetisch veränderte Mäuse zu erzeugen. Und das geht viel einfacher und schneller als mit den bisherigen Methoden.
    Pyritz: Was sind denn das für Techniken?
    Schmude: Dabei werden sogenannte Nucleasen benutzt, so eine Art molekulare Scheren, die an einer genau festgelegten Stelle im Erbgut schneiden und sogar gezielt einzelne Buchstaben im genetischen Code austauschen können. Damit kann man einzelne Gene verändern, sie an- oder abschalten oder ein Gen reparieren, in dem eine Mutation drin ist.
    Das gute daran ist, dass man mit solchen Techniken wahrscheinlich angeborene Krankheiten beim Menschen behandeln könnte, wie Mukoviszidose oder bestimmte Immundefekte, indem man ein kaputtes Gen in den entsprechenden Körperzellen repariert. Das geht aber auch, indem man eine bereits erkrankte Person behandelt, man muss nicht unbedingt an einem Embryo manipulieren.
    Pyritz: Welche Bedenken haben die Forscher denn, wenn an menschlichen Embryonen geforscht wird?
    Schmude: Zum einen sind da Sicherheitsbedenken. Denn auch die neuen Techniken funktionieren nicht immer fehlerfrei. Auch wenn das seltener passiert, kann es zu ungewollten Mutationen kommen und bisher kann niemand abschätzen, welche Folgen das für ein Kind hätte, das aus einem solchen Embryo entsteht.
    Außerdem gibt es ethische Einwände. Weil die Genveränderung in den Keimzellen passiert, wird sie an alle Körperzellen weitergegeben und später sogar an die nächste Generation vererbt. Das ist also ein dauerhafter Eingriff.
    Dazu kommt die Angst, dass die Kontrolle darüber verloren gehen könnte, wo und wofür die Technik überhaupt genutzt wird. Weil sie technisch so einfach ist, könnte sie mit wenig Aufwand auch in einer normalen Fruchtbarkeitsklinik angewandt werden, in der sowieso mit Keimzellen und Embryonen gearbeitet wird.
    Und deshalb befürchten die Forscher eben, dass dann nicht nur medizinisch notwendige Genveränderungen gemacht werden, sondern der Schritt zum Kind mit Wunscheigenschaften nicht mehr weit ist. Deshalb wollen sie jetzt eine klare Grenze ziehen und die Arbeit mit Embryonen erst mal verhindern, bis es einheitliche Regelungen dafür gibt.
    Pyritz: Wäre es denn rechtlich überhaupt möglich, menschliche Embryonen zu verändern?
    Schmude: In viele Ländern sind solche Eingriffe in die Keimbahn verboten, aber eben nicht überall und häufig gibt es Schlupflöcher. In den USA zum Beispiel gibt es kein generelles Verbot, da muss man sich solche Versuche nur von bestimmten Behörden erlauben lassen. Und auch in China haben Wissenschaftler Anträge gestellt, um entsprechende Versuche durchführen zu dürfen. Übrigens die gleichen Forscher, die Anfang des letzten Jahres eine Arbeit veröffentlich haben, in der sie beschreiben, wie sie aus genetisch veränderten Affenembryonen lebende Tiere erzeugt haben.
    Pyritz: Aktuell gibt es sogar Gerüchte, dass es schon erste manipulierte menschliche Embryonen gibt. Ist das was dran?
    Schmude: So richtig klar äußert sich da niemand zu. Es gibt in den USA Arbeitsgruppen, die entsprechende Projekte geplant haben. Zum Beispiel Luhan Yang aus Harvard oder Jonathan Tilly von der Northeastern University in Boston. Da geht es dann konkret zum Beispiel darum, in den Eizellen von Frauen, die eine erbliche Form von Eierstockkrebs haben, das entsprechende Gen zu reparieren. Zum aktuellen Stand dieser Projekte äußern die sich aber nicht.
    (Außerdem gibt es eine Firma in Massachusetts, die ziemlich offen mit der Möglichkeit wirbt, im Rahmen einer Fruchtbarkeitsbehandlung entsprechende Genveränderungen an menschlichen Embryonen durchzuführen, auch wenn es bis dahin noch ein paar Jahre dauern wird.)
    Ausgeschlossen ist es also nicht, dass schon irgendwo manipulierte Embryonen existieren.