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Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner

Dieser NATO-Gipfel, der heute zu Ende ging, könnte einfach mit dem Wort "eigentlich" überschrieben werden. Eigentlich wollten die Staats- und Regierungschefs der NATO sich über einen Einsatz der Allianz im Irak verständigen; es kam ein Hilfsangebot für die Ausbildung von Sicherheitskräften heraus, das in seiner Ausgestaltung noch kaum erkennbar ist. Eigentlich wollten sie eine überzeugende Konzeption für die Zukunft Afghanistans vorlegen.

Von Rolf Clement | 29.06.2004
    Die Bemühungen, wenigstens die nötigen Truppen für die aktuellen Aufgaben zusammenzubekommen, erstickten jedes darüber hinausgehende Denken. Eigentlich wollten sie eine breite Initiative für die Zusammenarbeit mit dem Nahen und Mittleren Osten entwickeln. Herausgekommen ist ein Angebot für einen Dialog, von dem niemand weiß, ob es angenommen wird. Und: Eigentlich wollten sie eine positive Bilanz der Umsetzung jenes Programms ziehen, mit dem die Fähigkeiten der NATO-Streitkräfte verbessert werden sollten. Und auch da gab es nur begrenzt gute Nachrichten. Ein Gipfel, der erst als Erweiterungsgipfel geplant war, um die sieben neuen Mitglieder feierlich zu begrüßen, der dann den Titel Versöhnungsgipfel bekam, um einen Schlussstrich unter die Verstimmungen des letzten Jahres zu ziehen, wurde zum Gipfel des Kleinsten Gemeinsamen Nenners.

    Erstes Thema: Irak: Soll die NATO im Irak eine Rolle übernehmen? Zur Zeit unterstützt die Allianz die polnischen Streitkräfte in dem Sektor, den diese verwalten, logistisch. Ohne diese logistische Unterstützung hätten die Polen die Aufgabe dort nicht übernehmen können. Zahlreiche NATO-Länder sind mit unterschiedlich starken Kontingenten beim Irak-Einsatz dabei.

    In den letzten Monaten wurden drei Optionen für eine mögliche Beteiligung der NATO an der Irak-Mission diskutiert: Zum einen könnte die NATO nach einem entsprechenden Auftrag durch die UNO die gesamte Mission übernehmen. Dem steht zwar die prinzipielle Position der USA entgegen, eigene Truppen nie einem anderen Kommando zu unterstellen. Aber dafür hätte man sich Lösungen vorstellen können. Zum anderen wurde erwogen, dass die NATO den polnischen Sektor übernehmen würde. Dagegen wurde eingewendet, dass dann die NATO-Truppen unter dem Oberbefehl eines anderen Landes, in diesem Fall mit den USA sogar dem eines Mitgliedsstaates, unterstehen würden. Diese Option hatte bei einigen Mitgliedern große Bedenken hervorgerufen. Die dritte Option war die rein logistische Unterstützung der NATO-Mitglieder, die im Irak tätig sind.

    NATO-Beschlüsse bedürfen der Einstimmigkeit. Deshalb ist genau darauf zu achten, wie die 26 Regierungen aus den NATO-Staaten sich positionieren. Die Bundesregierung hat bis zum Frühjahr erklärt, sie würde einen NATO-Beschluss nicht durch ein Nein verhindern. Aber eigene Soldaten würde man nicht entsenden. Dann merkte man, dass bei einem wie immer gearteten Einsatz der NATO im Irak, auch ohne deutsche Truppen, deutsche Stabsoffiziere in den Kommandobehörden mitwirkten. So hieß es dann, deutsche Truppen würden nicht im Irak eingesetzt, was den Einsatz einzelner Soldaten möglich machte.

    Die Diskussion in der NATO bekam eine neue Dynamik, als die Folteraktionen der US-Streitkräfte im Irak bekannt wurden. Keiner hat es offen ausgesprochen, aber intern war schnell klar, dass nun eine Beteiligung der NATO-Mitglieder im Irak in den jeweiligen Ländern nicht mehr durchsetzbar sei. Es wurde sehr still um ein NATO-Engagement im Irak.

    Als es dann wieder etwas stiller um die Folteraktionen wurde, keimte auch dieses Thema wieder auf. In den letzten Wochen schälte sich ein Sparprogramm heraus: Man könnte doch vorschlagen, dass die NATO sich bei der Ausbildung von Sicherheitskräften engagiere. Als sich ein Konsens auf dieser Basis herausstellte, bat in der vergangenen Woche der Chef der Übergangsregierung im Irak, Allawi, formell genau um diese Ausbildungshilfe. Der Beschluss:

    Entsprechend der Bitte der irakischen Regierung haben wir heute die Entscheidung getroffen, der Regierung des Irak die Unterstützung der NATO bei der Ausbildung seiner Sicherheitskräfte anzubieten. Wir halten daher auch die Nationen dazu an, zur Ausbildung der irakischen Streitkräfte beizutragen. Wir haben den Nordatlantikrat gebeten, als Dringlichkeitsmaßnahme mit der irakischen Interimsregierung die Modalitäten für die Umsetzung dieser Entscheidung zu entwickeln. Wir haben den Nordatlantikrat ferner gebeten, dringend und auf der Grundlage eines Berichts durch den Generalsekretär weitere Vorschläge in die Überlegungen einzubeziehen, um die gerade entstehenden irakischen Sicherheitsinstitutionen entsprechend den Ersuchen der irakischen Interimsregierung zu unterstützen.

    Die Formulierung des Beschlusses lässt in der Praxis alles offen: Wo findet die Ausbildung statt – im Irak, in Drittländern in der Region oder in den NATO-Staaten? Welche Sicherheitskräfte sind gemeint: Nur die Polizei, nur die Streitkräfte, die aufgebaut werden sollen, oder beide?

    In dem Beschluss ist auch angedeutet, dass die Diskussion um ein größeres Engagement der NATO im Irak noch nicht beendet ist. NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer soll, so Gerüchte in Istanbul, sehr kurzfristig nach Bagdad reisen, um mit der neuen Interimsregierung weiteres zu besprechen.

    Die deutsche Position hat sich wieder verhärtet. Bundeskanzler Schröder zum Ausbildungsbeschluss kurz vor dem Gipfel beim sog. Jugendgipfel, der am Sonntag und Montag in Istanbul tagte:

    Deutschland hat immer gesagt ‚Seid zurückhaltend’. Wir sehen nicht recht, welchen Sicherheitszuwachs es bringen könnte, wenn die NATO im Irak intervenierte. Der Kompromiss, der sich hier andeutet, also, dass die NATO bereit ist, Ausbildungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, den wird Deutschland nicht aufhalten.

    Und auch bei der Frage, ob Truppen oder Soldaten nicht im Irak eingesetzt werden, fiel er in die alte Diktion zurück:

    Was auch niemanden überraschen wird, dass wir kein eigenes militärisches Engagement, also, keine Soldaten, keine deutschen Soldaten im Irak sehen wollen und sehen werden, insofern ist es bei der Position geblieben.

    Das übrigens hat jetzt schon sehr konkrete Auswirkungen. Soldaten, die z.B. im Stab des NATO-Oberbefehlhabers James Johnes tätig sind, mussten zu Hause bleiben, als Johnes eine Reise nach Afghanistan mit einer Zwischenlandung in Bagdad unterbrach. Deutsche Soldaten dürfen auch in solchen Funktionen irakischen Boden nicht betreten. Es wird spürbar, dass dies bei künftigen Personalentscheidungen in der NATO eine Rolle spielen wird. Einflussreiche Positionen werden immer seltener mit deutschen Soldaten besetzt.

    Deutschland hat Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr angeboten, z.B. die Führungsakademie in Hamburg und das Ausbildungszentrum für UN-Missionen in Hammelburg. Allerdings wird intern auch überlegt, ob die Bundeswehr diese Ausbildung in Jordanien durchführen könnte. Das, so Experten, sei vielleicht billiger.

    Der Einsatz der mittlerweile von der NATO geführten Internationalen Schutztruppe in Afghanistan, ISAF, wird von den NATO-Offiziellen immer mehr zur Nagelprobe für die Handlungsfähigkeit der Allianz gemacht. Bundeskanzler
    Schröder:

    Im übrigen konzentrieren wir uns sehr stark deshalb auf Afghanistan, weil die freie Welt dort beweisen muss, dass die Überwindung terroristischer Systeme durch die Menschen selber auch so etwas wie eine Dividende abwirft - also die Aufnahme in den Kreis der zivilisierten Völker -, auch wirtschaftlich nutzt und mehr an Sicherheit bietet. Das müssen wir gerade in Afghanistan beweisen. Und deswegen engagieren wir uns als Deutsche so massiv dort.

    Die Stabilisierung der Region um die Hauptstadt Kabul ist zu einem gewissen Grad gelungen. Aber vom Ziel, darüber hinaus Stabilität zu produzieren, ist die Allianz noch weit entfernt.

    Vor Jahresfrist begann in der NATO die Diskussion um die Wiederaufbauteams in den Regionen Afghanistans. Deutschland hat damals, eher von den USA gedrängt als selbst davon überzeugt, die Entsendung eines solchen Teams in die Region Kundus zugesagt und mittlerweile vollzogen. Der Ansatz, dem der Einsatz dieser Teams folgt, ist sehr breit: In Kundus sind nicht nur die Bundeswehr, sondern auch das Entwicklungshilfeministerium, das Innenministerium und – sogar in der Leitungsfunktion – das Auswärtige Amt. Dieser breite Ansatz zeigt, dass es nicht nur um die Stabilisierung im Bereich der Sicherheit, sondern um eine Entwicklung auf nahezu allen Gebieten geht.

    Die NATO hat eine Ausweitung der Wiederaufbauteams beschlossen. Bisher gibt es zwei solcher Teams nur im Norden des Landes. Dort ist die Lage relativ ruhig. Nun sollen vier weitere eingerichtet werden. Das aber erscheint vielen als Mogelpackung. Eines der vier, in Mazar-E-Sharif, wird von Großbritannien schon betrieben. Zwei weitere, das in Meymana, das ebenfalls die Briten betreiben werden, und das von den Deutschen neben dem in Kundus zu betreibende in Feyzabad sind bisher Außenstationen der schon bestehenden. Neu ist nur das Wiederaufbauteam in Baghlan, das die Niederlande übernehmen werden. Aber auch das liegt in der Region, in der die bisherigen liegen. Eine regionale Ausweitung der Stabilisierungsbemühungen ist damit also nicht verbunden, lediglich eine Intensivierung in den Bereichen, in denen die NATO schon tätig ist.

    Damit konzentrieren sich die Bemühungen auf den relativ stabilen Norden des Landes. Im immer noch umkämpften Süden, wo die Taliban wieder aktiv geworden sind, ist die NATO nicht sichtbar. In seinem von vielen als zu positiv beschriebenen Bericht meinte der afghanische Präsident Hamid Karzai heute:

    Vor zweieinhalb Jahren haben sie unser Land noch regiert. Jetzt sind sie auf der Flucht, müssen sich verstecken und können nur noch Zivilisten angreifen. Sie sind also nicht mehr in der Lage, den politischen Prozess an sich zu bedrohen.


    Das zeigt die manchmal zu rosige Sprache der Offiziellen. Erst in der vergangenen Woche hatten die Taliban einen Provinzgouverneur im Süden des Landes gewaltsam verjagt. Das Gefälle zwischen Nord und Süd wird auch so bleiben. Mit Finnland, Schweden und Norwegen beteiligen sind weitere Länder in den nördlichen Teams, stehen damit wohl für den Süden nicht mehr zur Verfügung.

    Drei Bereiche spielen bei den Stabilisierungsbemühungen eine wesentliche Rolle. Zunächst sollen die Wahlen vorbereitet werden. Die Wählerregistrierung läuft in den Regionen, in denen die NATO dies unterstützt, einigermaßen zufriedenstellend. In den anderen Regionen, also vor allem dem Süden, werden die Wähler aber nur sehr sporadisch registriert. Hier entsteht ein Ungleichgewicht, das das Wahlergebnis beeinflussen kann.

    Die internationale Staatengemeinschaft hat sich dem Kampf gegen den Drogenanbau verschrieben. Großbritannien hat diese Aufgabe übernommen. Bei der Afghanistan-Konferenz in Berlin vor einigen Wochen wurde beschlossen, 25 Prozent der Anbaufläche zu vernichten. Intern haben die Briten aber erklärt, sie würden dieses Projekt gegenwärtig nicht vorantreiben. Das afghanische Innenministerium hat im Vorfeld des Gipfels bekanntgegeben, dass 15.000 Hektar Anbaufläche vernichtet seien, es schätzte die gesamte Anbaufläche auf 80.000 Hektar. Dagegen stellt der in der vergangenen Woche vorgestellte UN-Drogenbericht fest, dass der Drogenanbau in Afghanistan auf eine Rekordhöhe gestiegen sei.

    Drittes Problem ist die Demilitarisierung der Regionen. Die Warlords unterhalten dort ihre Privatarmeen, die sie zum Teil aus Einnahmen aus dem Drogenverkauf, zum Teil aber auch noch durch Mittel aus Geheimdiensttöpfen der USA finanzieren. Sie sichern alle freundlich eine Demilitarisierung zu, immer mit dem Hinweis, sie kämen diesen Aufforderungen nach, wenn der Nachbar-Warlord auch entsprechend abrüste. Damit aber ist die Operation zumeist beendet. Dies alles spiegelten die Beratungen in Istanbul nicht wider.

    Die NATO will ihre Truppenstärke in Afghanistan zunächst von 6.500 auf 10.000 erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, eilte NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer von Land zu Land, um entsprechende Zusagen zu erhalten. Offiziell heißt es, diese Zahl sei erreicht. Inoffiziell werden daran Zweifel geäußert. Weiter sollen zusätzliche Truppen zur Sicherung der Wahlen eingesetzt werden, wobei diese Truppen zwar prinzipiell zugesagt sind, aber im Detail noch völlig unklar ist, wer was wann stellen kann.

    Ein weiteres Thema: Der Nahe Osten. Die NATO wollte ihren in Europa nach dem Beitritt von sieben ost- und mittelosteuropäischen Ländern als abgeschlossen betrachteten Stabilitätstransfer nun auf den Nahen und Mittleren Osten ausweiten. Von einem neuen Programm so ähnlich wie das für Europa aufgelegte Partnerschaftsprogramm sollte entwickelt werden. Diesen Vorschlag haben die USA im vergangenen Herbst in die Allianz eingebracht.

    Schon die Gipfelkonferenzen vor diesem NATO-Gipfel haben gezeigt, dass diese Initiative wenig Aussicht auf Erfolg hat. Der Gipfel der Arabischen Liga im Mai hat auf diese Initiative gar nicht reagiert, was im diplomatischen Geschäft nur eines bedeutet: Kein Interesse.

    Die EU hat die Fortsetzung und Intensivierung ihrer Kooperationsprogramme beschlossen und die Zusammenarbeit mit den USA auf diesem Gebiet in Aussicht gestellt. Bei der EU ist von einem Dialogforum, einem Programms zur Förderung von Existenzgründungen, Alphabetisierungsprogrammen und Unterstützung bei der Bildung demokratischer Institutionen die Rede. So bliebt für die NATO noch der Beschluss:

    Wir haben entschieden, unseren Mittelmeerdialog auszuweiten und durch unsere Istanbuler Kooperationsinitiative dem weiteren Mittleren Osten unsere Zusammenarbeit anzubieten.

    Die NATO will dabei auf ihrem Mittelmeerdialog aufbauen, der aber, wie Experten sagen, bisher kaum in Gang gekommen ist. Es wird weiter überlegt, ob südliche Mittelmeeranrainer an der Marine-Operation der NATO im Mittelmeer, die dort die Verkehrswege überwacht, beteiligt werden können. Auch sonst will man praktische Hilfe anbieten. Für die Region des Mittleren Osten will man den Golf-Kooperationsstaaten einen breiten Dialog anbieten. Das Angebot umfasst damit nicht die am Nah-Ost-Konflikt beteiligten Länder. Damit, so meinten in Istanbul einige Diplomaten, habe man das eigentlich kritische Gebiet ausgespart. Allen offiziellen Bekundungen zum Trotz soll eine Mission des stellvertretenden NATO-Generalsekretärs in die Region ein ernüchterndes, wenn nicht enttäuschendes Ergebnis gezeitigt haben. Trend: Kein Interesse.

    Noch ein Thema: die Verbesserung der Fähigkeiten. Auf dem letzten NATO-Gipfel in Prag hatten die Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass die Verteidigungsausgaben zwei Prozent des Bruttosozialprodukts ausmachen sollen. Kaum ein Land erreicht diese Zahl. In folgenden Bereichen sollten konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeiten ergriffen werden: Beim Luft- und Seetransport, bei der Kommunikation, bei der Aufklärung, bei der Raketenabwehr, bei der Luftbetankung und beim ABC-Schutz. Die Bilanz ist durchwachsen:

    Die NATO Response Force als schnelle Eingreiftruppe wurde
    Ins Leben gerufen. Sie soll als wirksames Instrument der Krisenbewältigung ab Oktober teilweise einsatzbereit sein.

    Für den Lufttransport wurde nach zwei Jahren ein Abkommen geschlossen, dass einige NATO-Länder gemeinsam Flugzeuge leasen, bis 2007 oder 2008 der neu entwickelte Militär-Airbus zur Verfügung steht. Dabei aber ist noch keine gemeinsame Einsatzplanung verabredet, sondern nur das Mieten.

    Beim ABC-Schutz wurde unter tschechischer Führung ein NATO-Bataillon aufgebaut, das bereits operationsfähig ist.

    In allen anderen Bereichen sind allenfalls Vorbereitungen dafür getroffen worden, um zu nachhaltigen Verbesserungen der Fähigkeiten zu kommen. Trotzdem ging die NATO ein Stück weiter:

    Die NATO muss befähigt sein, Streitkräfte zum Einsatz zu bringen, die zügig verlegt werden können, um Operationen kontinuierlich über Zeit und Raum zu führen.

    Dies haben die Verteidigungsminister ausbuchstabiert: 40 Prozent der Landstreitkräfte sollen schnell verfügbar und einsetzbar sein, acht Prozent sollen für längere Zeit im Einsatz bleiben können. Die deutsche Delegation hat schon zu rechnen begonnen: Da müssten natürlich all jene Heeressoldaten herausgerechnet werden, die auf Schulen und in der Ausbildung seien. Dann gebe es noch weitere Ausnahmetatbestände. Und wenn man das alles berücksichtige, dann würde mit der Bundeswehrreform, die 2010 eingenommen sein soll, die Zahlen erreicht, die die NATO jetzt fordere.

    Überschattet wurde der Gipfel in Istanbul von der überraschenden Ankündigung der USA, die Machtübertragung an die irakische Übergangsregierung just auf den ersten Gipfeltag vorzuziehen. Damit, so einige Diplomaten hinter vorgehaltener Hand, ist eines der Hauptziele dieses Gipfels verfehlt worden. In die Mikrophone spricht Bundeskanzler Schröder eine andere Sprache.

    Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika sind in einem guten Zustand. Natürlich gibt es immer mal wieder unterschiedliche Einschätzungen. Die gemeinsame Basis ist ein Fundament von Werten, auf dem diese Zusammenarbeit sich vollzieht, Werten, die in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, in den Verfassungen festgeschrieben sind und die gelebt werden, die kulturellen Gemeinsamkeiten, die wir haben, bei aller Unterschiedlichkeit. Aber diese Wertvorstellungen, die gründen auf dem Gedanken der Aufklärung, die sind es doch, die uns verbinden und die es uns auch erlauben, in der einen oder anderen Frage mal eine Kontroverse auszutragen. Das ist zwischen Freunden so, das ist im alltäglichen Leben so und natürlich auch im Zusammenleben zwischen Völkern. Aber diese Kontroversen werden Europa und Amerika nicht auseinander bringen, und zwar deshalb nicht, weil wir wissen, dass wir einander brauchen. Und das zeigt sich gerade ja jetzt in Krisensituationen.

    Es sollte der Gipfel sein, bei dem nicht mehr die ganze NATO nach den Vorgaben aus Washington agiert, wo die Gemeinsamkeit des Handelns in den Vordergrund gestellt werden sollte. Und so fragen viele, warum dann der Schritt in Bagdad nicht schon am Sonntag vollzogen wurde, einen Tag vor dem Gipfel.