Gerhard Schröder: "Im Bündnis für Arbeit ist uns ein wirklicher Durchbruch gelungen. Ich würde von einer grundlegenden Weichenstellung reden. Der Weg zu einer Tarifrunde 2000, die ganz im Zeichen von Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsentwicklung steht, ist damit frei. Es wird Sache der Tarifparteien sein, das was die Bundesregierung auf steuerpolitischem Gebiet, auf anderen Gebieten als Leistungen erbracht hat, nun auch ihrerseits zu erbringen. Und ich bin wirklich guter Hoffnung, was die frage angehet, dass die Tarifparteien sich auf einen verantwortlichen, die Wachstumskräfte in Deutschland stabilisierenden, ja stärkenden Kurs werden einigen können."
Grundlage dieser optimistischen Einschätzung ist die gemeinsam verabschiedete Erklärung zur künftigen Tarifleitlinie. Danach soll die Lohn- und Gehaltspolitik "beschäftigungs-orientiert" und "längerfristig" angelegt sein. Zudem sollen Möglichkeiten gefunden werden, dass ältere Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden können. Einerseits zeigen sich die Gewerkschaften somit grundsätzlich bereit, in der Tarifpolitik Bescheidenheit zu üben. Andererseits geben die Arbeitgeber den grundsätzlichen Widerstand auf, mit den Mitteln der Arbeitszeitpolitik neue Beschäftigungschancen für jüngere Arbeitnehmer zu schaffen.
Was das Papier wert ist und welche Interpretationen es letztlich zulässt, das wird sich schon morgen erweisen. Dann spricht der Vorstand der IG Metall eine Empfehlung aus, mit welcher Forderung die Gewerkschaft in die Verhandlungen mit den Arbeitgebern gehen sollte. Über diese Vorgabe beraten anschließend die Mitglieder in den Bezirken. Gut zwei Wochen später wiederum legt die IG Metall ihre tarifpolitischen Ziele endgültig fest.
Bis gestern stand die Drohung der Metaller im Raum, die diesjährige Tarifrunde als eine reine Auseinandersetzung um mehr Lohn und Gehalt zu gestalten. Denn die geforderte "Rente mit 60" fand im Bündnis keine Unterstützung. Sie traf vielmehr auf den entschiedenen Widerstand der Arbeitgeber. Gerhard Schröder sah sich denn auch zum schnellen Eingreifen gezwungen.
Tatsächlich kommt der IG Metall im gewerkschaftlichen Geleitzug auch in diesem Jahr wiederum die Rolle der Tariflokomotive zu. Das folgt aus dem Tarifkalender. In der Metallindustrie laufen die Verträge über Lohn und Gehalt schon zum 1. März aus. Bereits für Mitte Februar sind die ersten Verhandlungen mit den Metallarbeitgebern terminiert. Einen Monat später zieht der Öffentliche Dienst nach – ebenso wie das Baugewerbe, der Groß- und Einzelhandel, die Druckindustrie, die Versicherungen und auch Post und Telekom. Chemie und Stahl dagegen sind noch bis zur Jahresmitte vertraglich gebunden. Verlauf und Ergebnis der Auseinandersetzungen bei Metall werden daher das tarifpolitische Klima in Deutschland entscheidend prägen.
Doch die Bedeutung der Verhandlungen für die 3,4 Millionen Metaller reicht weit über die reine Tarifpolitik hinaus. Im Jahr 2000 fällt hier die Vorentscheidung darüber, ob die wichtigsten Akteure der Volkswirtschaft zu einer gemeinsamen Anstrengung in der Lage sind, um die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Das aber ist der wichtigste Test für die Zukunftsfähigkeit der oftmals kritisierten Konsensgesellschaft, für das deutsche Modell einer Marktwirtschaft, die um Ausgleich und Mitwirkung der in den Verbänden gebündelten Interessen bemüht ist.
Das sieht auch der Bundeskanzler. Für Gerhard Schröder ist die Vereinbarung vom Sonntag ein Beweis dafür, dass in der Bundesrepublik nach wie vor Reformen möglich und durchsetzbar sind:
Gerhard Schröder: "Insofern hat sich wieder einmal bewiesen, dass dieses Land - mit der Art und Weise, wie es sich selber organisiert - dass dieses Land nun wirklich zukunftsfähig ist. Und Sie werden sich vorstellen können, dass mich das am Beginn des neuen Jahres in besonderem Maße freut."
Mit ähnlichem Enthusiasmus bewertet der Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände das jüngste Bündnis-Ergebnis. Als besonders bedeutend hebt Dieter Hundt hervor:
Dieter Hundt: "Dies ist ein wichtiger Schritt zu einer beschäftigungsfördernden, mehrjährigen Tarifpolitik. Ich meine, eine ganz entscheidende Weichenstellung für die Tarifpolitik der nächsten Jahre. Ich hoffe und erwarte, dass eine erfolgreiche Umsetzung in den ganz sicher nicht ganz einfachen Tarifgesprächen bereits der kommenden Monate möglich sein wird."
Aus dem Winterurlaub mit einer beim Wandern zugezogenen Verletzung auf Krücken nach Berlin gekommen, erklärte Arbeitgeberverbands-Chef Dieter Hundt im Anschluss an den Termin beim Kanzler:
Dieter Hundt: "Aus meiner Sicht ist das wichtigste Ergebnis die Vereinbarung zum tarifpolitischen Verteilungsspielraum. Wir haben damit erstmals vor Beginn einer Tarifrunde eine grundsätzliche Vereinbarung zu Kriterien des tarifpolitischen Verteilungsspielraums, der sich am gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs orientiert, wobei notwendige, branchenbezogene Orientierungen durch die jeweils betroffenen Tarifvertragsparteien zu vereinbaren sind."
An der Festlegung, dass sich die Tarifpolitik am Produktivitätszuwachs orientieren soll, wird auch die IG Metall nicht vorbei kommen. Zwar haben die Teilnehmer der Bündnis-runde damit eine konkrete Prozentvorgabe vermieden. Das hätte sich mit der Autonomie der Tarifparteien nicht vertragen. Gleichwohl ist damit der zur Verfügung stehende Verteilungsspielraum eng gefasst. Das Wachstum der Produktivität beträgt in diesem Jahr voraussichtlich in der Gesamtwirtschaft etwa drei Prozent. Ein Teil dieses Volumens soll zudem für Beschäftigungssicherung verwendet werden, also zum Beispiel für kürzere Lebensarbeitszeiten. Das bedeutet: Die drei Prozent stehen nicht in voller Höhe zur Steigerung von Löhnen und Gehältern zur Verfügung.
Die Gewerkschaften sind daher geneigt, diesen Punkt der Vereinbarung anders zu interpretieren. Aus ihrer Sicht kommt ganz selbstverständlich der Ausgleich der Preissteigerung hinzu. Zu erwarten ist daher, dass die IG Metall ein Forderungspaket aufstellt, das in etwa einer Vier-Prozent-Forderung entspricht.
Anders als der Arbeitgeberpräsident bewertet zudem DGB-Chef Dieter Schulte das gemeinsame Bekenntnis zu einer längerfristigen Tarifpolitik. Dies sei nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss mehrjähriger Tarifverträge, betont der Vormann des gewerkschaftlichen Dachverbandes. Schulte sagte u.a....
Dieter Schulte: "...dass es eben nach unserer Einschätzung nicht zu mehr-jährigen Tarifverträgen kommen wird. Zumindest ist diese Verabredung nicht so definitiv, wie es sich dem einen oder anderen nach der Erklärung von Herrn Hundt sich hätte darstellen können."
Tatsächlich wird die Einschätzung der Berliner Kompromisslinie in den Gewerkschaften von spürbar größerer Skepsis als auf Arbeitgeberseite gekennzeichnet. Bei Berücksichtigung aller Verdienste des Kanzlers sagt Dieter Schulte:
Dieter Schulte: "Wenn der Herr Bundeskanzler davon gesprochen hat, dass es beim Ergebnis des Gespräches um eine Weichenstellung gegangen ist, so kann ich nur hoffen, dass dieses in der Tat sich so umsetzen wird. Nach meiner Einschätzung haben wir zumindest eine Basis geschaffen, um darauf eine Weichenstellung vornehmen zu können."
Die Voraussetzungen für eine beschäftigungsfreundliche Tarifpolitik sind in diesem Jahr in Deutschland zweifellos gegeben. Nach wie vor sind die Preise nahezu stabil, und der konjunkturelle Trend stimmt zuversichtlich. Bis zu 2,7 Prozent Wachstum reichen die Prognosen der Wirtschaftsforscher, die Bundesregierung rechnet mit vorsichtigen 2,5 Prozent. Das neue Steuerpaket von Finanzminister Hans Eichel beschert zudem den Arbeitnehmern wie den Unternehmen eine spürbare Entlastung. Selbst bei einer nur geringen Tariferhöhung steigen somit die Nettoeinkommen deutlich.
Gleichwohl zeigt sich, dass allein mit Wachstum der Arbeitslosigkeit kaum Herr zu werden ist. Das gilt auch für die Prognose des Bundeskanzlers, die er gestern Abend im ZDF abgab. Schröder rechnet damit, dass die Zahl der Arbeitslosen bis Ende des Jahres um 200.000 sinken wird.
200.000 Arbeitslose weniger, das haben die wirtschaftswissenschaftlichen Auguren bereits vor dem Sonntagsgipfel für das Jahr 2000 vorausgesagt. Der erwartete Abbau der Arbeitslosigkeit beruht allerdings wesentlich darauf, dass mehr ältere Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden, als jüngere nachrücken. Trotz des ermutigenden Aufschwungs wird die Zahl der Erwerbstätigen wohl nur um 60.000 ansteigen.
Eine beschäftigungsfördernde Tarifpolitik vermag offenbar auch keine schnelle Wende auf dem Arbeitsmarkt hervorzubringen. Ein Grund dafür, dass sich beide Seite verpflichtet haben, längerfristig den neuen Prinzipien der Tarifpolitik zu folgen. Für die Gewerkschaften bedeutet dies insbesondere, dass niedrige Abschlüsse durchaus zu mehr Beschäftigung führen können. Da ist es nicht mehr weit bis zur These, dass Arbeit in Deutschland schlicht zu teuer ist.
Dem huldigen nach wie vor die Arbeitgeber. Sie können sich dabei auf prominente und renommierte Zeugen stützen. Ein Gutteil der ökonomischen Elite fordert eine Tarifpolitik, die im Zuwachs der%e noch unterhalb der Produktivitätsrate bleibt. Das begründet zum Beispiel Professor Herbert Hax, seines Zeichens Vorsitzender des Sachverständigenrates und einer der sogenannten fünf Weisen:
Herbert Hax: "Voraussetzung ist zunächst einmal eine Bereitschaft der Gewerkschaften, sich bei ihren Lohnforderungen an allgemeine Richtlinien zu halten. Und dabei muss man sich an dem Produktivitätszuwachs orientieren, nicht an dem des nächsten Jahres, sondern an dem langfristigen Trend. Und die Lohnzuwächse müssen, wenn man wieder mehr Beschäftigung haben will, hinter dem Produktivitätszuwachs zurückbleiben. Das ist die Basis, auf der man verhandeln müsste und über die man reden müsste."
Die hohe Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen auf den Weltmärkten spricht freilich gegen die These, dass die Kosten der Arbeit hierzulande durchgängig zu hoch wären. In diesem Jahr erwarten die Konjunkturforscher zum Beispiel eine Steigerung des Exporte um neun Prozent. Zudem sind in den 90er Jahren die Reallöhne nahezu ständig gesunken, ohne dass die Arbeitslosigkeit nennenswert abgenommen hätte. Erst im vergangenen Jahr konnten die Gewerkschaften nach einer längeren Durststrecke wieder tarifpolitische Erfolge verbuchen. 1999 kletterten die Tarifeinkommen im Durchschnitt um drei Prozent nach oben.
Vor diesem Hintergrund plädiert ein anderer Teil der Experten für eine verteilungsneutrale Lohnpolitik, die auch im Auge behält, dass Löhne nicht nur Kosten, sondern auch Kaufkraft bedeuten. Zu ihnen zählt zum Beispiel der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann:
Klaus Zimmermann: "Der Konsens müsste darin bestehen, dass beide Tarifparteien empfehlen, zu einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik zurückzukehren – und zwar über eine längere Frist. Das könnte sich letztlich natürlich niederschlagen in Tarifverträgen, die eine relativ lange Laufzeit haben."
Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute halten für dieses Jahr einen Abschluss für ökonomisch sinnvoll, der eher bei zwei Prozent als bei drei Prozent liegt. Bei etwa einem Prozent Inflation könnten die Arbeitnehmer einen echten Zuwachs an Einkommen verbuchen – trotz der vergleichsweise niedrigen Tarifsteigerung.
Der Bündnisgipfel hat sich der Empfehlung angeschlossen, Löhne und Gehälter am Produktivitätswachstum auszurichten. Doch den Gewerkschaften wird es nicht leicht fallen, ihre Basis auf diesen Kurs einzuschwören. Im prosperierenden Süden der Republik zum Beispiel zeigen die Beschäftigten in den Metallbetrieben bislang wenig Begeisterung für eine Strategie der Bescheidenheit. In Zeiten hoher Gewinne und eines erstaunlichen Börsenbooms erwarten die Metaller dort, dass ihre Gewerkschaft mit einer Forderung um die sechs Prozent in die Verhandlungen mit den Arbeitgebern geht.
Zwar haben die Gewerkschaften nun quasi offiziell anerkannt, dass Zurückhaltung in der Tarifpolitik belebend auf den Arbeitsmarkt wirken kann. Vor allem dann, wenn der Ausfall an Kaufkraft durch Steuererleichterungen zumindest kompensiert wird. Auch zu einer längerfristig angelegten Lohn- und Gehaltspolitik sind die Gewerkschaften vom Grundsatz her bereit. Doch nicht ohne Gegenleistung. Aus Sicht der Gewerkschaften ist die Gegenleistung eben die Bereitschaft der Arbeitgeber, mit Hilfe von Arbeitszeitverkürzung zu einer Entlastung des Arbeitsmarktes beizutragen. Von einem Lohnausgleich, wie in früheren Jahren, ist dabei längst keine Rede mehr.
Dem trägt auch die tarifpolitische Erklärung der Bündnisparteien Rechnung. Darin ist zwar nicht mehr ausdrücklich von der "Rente mit 60" die Rede, sie wird aber auch nicht ausgeschlossen. Die Tarifparteien sprechen sich in dem Bündnis-Papier für differenzierte betriebs- und branchenbezogene Regelungen aus, die einen frühzeitigen Ruhestand erlauben sollen. Dabei gelten allerdings die Grundsätze, dass daraus keine zusätzlichen Belastungen für die Sozialkassen erwachsen sollen. Denn dies würde dem Ziel zuwider laufen, die Sozialversicherungsbeiträge zu reduzieren. Zudem sollen die Formen des Vorruhestands für den einzelnen älteren Arbeitnehmer zumutbar sein.
Das zielt auf die Abschläge von 18 Prozent, die ab 2002 in voller Höhe bei einem vorzeitigen Ausscheiden ab 60 Jahre die Rente mindern. Nicht nur die Gewerkschaften fürchten, dass diese drohende Kürzung viele ältere Beschäftigte anhalten wird, künftig möglichst bis 65 zu arbeiten. Das aber vermindert die Chancen der Jüngeren, einen Job zu finden. Im Ergebnis wären alle Bemühungen der Gewerkschaften aus den vergangenen Jahren zunichte gemacht, mit Hilfe von Arbeitszeitverkürzung Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Vor diesem Hintergrund hatten die Metaller ihren Vorschlag einer "Beschäftigungsbrücke" in das Bündnis eingebracht. Das Metaller-Modell sieht vor, älteren Beschäftigten einen vorzeitigen Ruhestand ab 60 zu ermöglichen – ohne die obligatorischen Abschläge von 18 Prozent. Dieser Verlust an Rente soll kompensiert werden. Dazu wollen die Metaller einen Tariffonds errichten. In diesen Fonds sollen nach Vorstellung der Gewerkschaften Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte einzahlen. Die Beschäftigten hätten auf ein halbes Prozent an Lohnzuwachs verzichtet, die Unternehmen einen Betrag in derselben Höhe zuschießen müssen. Der Gesetzgeber sollte zugleich die Steuerfreiheit der Einzahlungen sicherstellen.
Doch dieser Vorschlag ist seit gestern wohl vom Tisch. Zumindest Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hält die alten Vorbehalte gegenüber der "Rente mit 60" nach wie vor aufrecht. So unterstreicht er denn auch:
Dieter Hundt: "In der verabschiedeten Formulierung einer beschäftigungs-fördernden Tarifpolitik ist nicht ein Ausscheiden mit 60 oder gar eine Rente mit 60 vereinbart worden. Aber wir haben uns auf Ziele verständigt, damit die Tarifpartner differenzierte, betriebs- und branchenbezogene Regelungen anstreben können."
Tatsächlich hat das Bündnis die Auseinandersetzung um die Form der Arbeitszeitverkürzung für Ältere nicht gelöst, sondern an die Tarifparteien zurückverwiesen. Daran ändert auch nichts, dass im Bündnispapier einige weitere Grundsätze all-gemeiner Natur formuliert sind, an denen die "Beschäftigungsbrücke" in ihrer Konstruktion ausgerichtet sein soll. Dazu zählt zum Beispiel, dass die Arbeitszeitverkürzung einen rasch wirkenden Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leisten soll. Oder dass eine hohe Wiederbesetzungsquote bei den frei werdenden Arbeitsplätzen älterer Beschäftigter angestrebt wird. Und dass eine wirtschaftlicher Überlastung kleinerer und mittlerer Betriebe auszuschließen ist, das müsste nicht weniger als selbstverständlich sein.
Bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung zusagt, rechtzeitig, aber zeitlich befristet die Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig sind, um ein von den Tarifparteien gefundenes Modell umzusetzen. Das zielt zum Beispiel auf eine vorübergehende Absenkung des Rentenalters, wenn sichergestellt ist, dass die Rentenkassen dadurch nicht belastet werden. Zugleich soll die Altersteilzeit erleichtert und ausgeweitet werden, um dieses Instrument auch für kleine und mittlere Betriebe besser einsetzbar zu machen.
Die Formen des vorzeitigen Ruhestand sind freilich nicht die einzigen Instrumente der Arbeitszeitpolitik, die künftig vermehrt genutzt werden sollen. Die Tarifparteien versprechen ebenso, beispielsweise Teilzeitarbeit attraktiver zu gestalten und stärker einzusetzen.
Nicht auszuschließen ist in dieser Situation, dass die IG Metall morgen einen Vorschlag aufgreift, den der Vorsitzende der Gewerkschaft, Klaus Zwickel, bereits in der vergangenen Woche skizziert hat. Danach wäre die IG Metall bereit, den zum Jahresende auslaufenden Tarifvertrag zur Wochenarbeitszeit zu verlängern. Das bedeutet, die Metaller verzichten auf ihr altes Ziel, in den Betrieben die 32-Stunden-Woche einzuführen. Im Gegenzug müssten die Arbeitgeber eine Vorruhestandsregelung nach dem Modell der "Rente mit 60" akzeptieren. Auch der Abbau der Überstunden ist den Metallern ein wichtiges Anliegen. Denkbar wäre es nach Ansicht von Zwickel, alle Arbeitszeitfragen für fünf Jahre zu regeln und festzuschreiben. Zugleich hat der Metaller-Chef einen Tarifvertrag zu Lohn und Gehalt von bis drei Jahren Dauer in Aussicht gestellt. Ein Angebot, das den Arbeitgebern langfristig Planungssicherheit garantiert und nach Einschätzung der Metaller Beschäftigungsmöglichkeiten für nahezu 100.000 Arbeitnehmer eröffnet.
Es bleibt freilich abzuwarten, in wie weit der neue tarif-politische Geist trägt. Noch enthält das am Sonntag verabschiedete Papier viele Formelkompromisse. Sie müssen von den Tarifparteien nicht nur in praxisgerechte Regelungen umgesetzt werden. Zudem brauchen die Verbände der Arbeitgeber wie der Gewerkschaften die Zustimmung ihrer jeweiligen Mitgliedsbasis.
Sicher ist indes, dass sich keine der Tarif-Parteien nach dem Erfolg der Kompromissrunde erlauben kann, als Störenfried der ungewohnten Tarifharmonie aufzutreten. Der Einigungszwang ist gewachsen – und damit auch die Chance auf mehr Arbeitsplätze.