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Einigung zu Lasten Tschechiens

Die Raketenabwehrpläne der USA in Europa stoßen Russland seit geraumer Zeit sauer auf. Eine amerikanische Idee zur Besänftigung der Großmacht, kam in Moskau aber gut an: Die Radarstationen sollen mit russischen Soldaten besetzt werden - auch in Tschechien. In den Augen Prags ein erschreckender Vorschlag: Russische Soldaten auf tschechischem Boden - das Thema birgt Sprengstoff. Peter Hornung berichtet aus Prag.

    Eine kleine Landkarte der früheren Tschechoslowakei, darauf drei Orte: Mimoò, Bílina und Brdy - drei böhmische Dörfer, in denen früher sowjetische Atomwaffen lagerten. Die tschechische Tageszeitung Mlada "fronta dnes" erinnerte ihre Leser gerade an diese Zeit, die noch gar nicht so lange vorbei ist. Vor 17 Jahren zogen die letzten sowjetischen Soldaten ab. 75.000 waren in der Tschechoslowakei stationiert, jeder von ihnen eine stetige Erinnerung an ein Datum, den 21. August 1968.

    " Ich erinnere mich sehr gut an 1968, als die russischen Panzer in die Tschechoslowakei rollten. Ich habe für immer in meinem Gedächtnis die Panik und das Erschrecken, die unter den Menschen damals herrschten. Meine Mutter sagte zu uns, dass es Krieg gibt. Und jetzt, wenn wir nach 40 Jahren erfahren, dass die Russen wieder in unser Land kommen sollen, weckt das diese schreckliche Erinnerung an die russische Besetzung. Ich bekomme davon Gänsehaut, weil ich Angst habe, dass es unserem Land nur Schlechtes bringt. "

    Es war am 21. August 1968, als Warschauer-Pakt-Truppen unter der Führung der sowjetischen Armee in die Tschechoslowakei einmarschierten. Das Ende des Prager Frühlings, ein Datum, das sich in diesem August zum 40. Mal jährt. Eine bittere Erinnerung also - und der Beginn eines strengen kommunistischen Regimes, das bis 1989 währte. Dass ausgerechnet jetzt wieder über eine Präsenz russischer Soldaten in ihrem Land nachgedacht wird, findet kaum ein Tscheche gut. Da macht es auch nichts, dass es nach jetzigen Vorstellungen nur eine kleine Einheit sein soll. Sie soll in der geplanten US Radarstation stationiert werden, in Brdy westlich von Prag, ausgerechnet dort, wo die Sowjets früher ihre Atomwaffen lagerten. Der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates hatte die Idee im vergangenen Jahr bei einem Besuch in Prag geäußert. Die Antwort von Tschechiens Premier Mirek Topolanek war schon damals denkbar kühl: Kein Kommentar.

    Eine vertrauensbildende Maßnahme für die Russen soll es sein, so der Plan Washingtons. Doch da hat man die Rechnung wohl ohne die Tschechen gemacht.

    "Meine Reaktion darauf," sagt diese Ärztin, "ist ähnlich wie die der Mehrheit der Tschechen, nämlich dass wir bei uns keine russischen Soldaten wollen. Unsere Erfahrungen mit ihnen sind einfach nicht gut - in manchen Aspekten. Und ich denke, dass unsere Meinung bei den Verhandlungen eine grundsätzliche Bedeutung haben sollte. "

    Ein Student " Es stört mich, ich will überhaupt keine anderen Soldaten in Tschechien als unsere eigene Armee. Früher waren hier Russen, und jetzt es sollen Amerikaner sein? Und die Russen wollen auch dabei sein, um die Amerikaner zu kontrollieren. Ich denke, wir sind dadurch in ein merkwürdiges Spiel geraten. Klar ist, dass man wieder ohne uns verhandelt. "

    Als jüngst im russischen Sotschi George Bush mit Vladimir Putin auch über dieses Thema sprach, sah man das in Prag mit Argwohn. Amerikaner und Russen könnten über die Köpfe der Tschechen hinweg entscheiden, das ist eine Befürchtung, die auch Politiker äußern. Jeronym Tejc, außenpolitischer Experte der tschechischen Sozialdemokraten.

    " Das Problem besteht nämlich darin, dass man über die potenzielle Teilnahme der russischen Soldaten nur zwischen USA und Russland in Sotschi verhandelt stattdessen an einem Tisch, an dem die Vertreter der NATO und der CR sitzen würden. Und deshalb haben wir die Vorbehalte. "

    Die tschechische Mitte-rechts-Regierung jedenfalls steckt in einem Dilemma. Denn: Eigentlich ist sie ja für den Bau der US-Radarstation - und versucht schon seit mehr als einem Jahr, die Unterstützung der Bevölkerung dafür zu bekommen. Doch die Idee einer dauerhaften Präsenz von Russen bringt Premier Mirek Topolanek in die Bredouille. Gegen die Radarstation sind ohnehin schon knapp 70 Prozent der Tschechen. Wenn es aber um die Russen geht, dann werden aus den 70 wohl bald knapp 100 Prozent.