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Einkaufspraktiken und Marktmacht großer Supermarktketten

Supermärkte und Discounter sind meist Teil einer Handelskette und haben großen Einfluss auf die Lieferanten. Die Handelsketten haben eine enorme Marktmacht, in dem sie die Lieferanten und Produzenten unter Druck setzen und die Preise diktieren. Auf diese Schattenseiten der Supermarkt-Ketten haben heute in Berlin gleich mehrere Verbände aus den Bereichen Entwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Gewerkschaften aufmerksam gemacht.

Von Dieter Nürnberger |
    Die Kritik an den Supermarktketten hinsichtlich ihrer Einkaufspolitik ist sicherlich nicht neu, aber das Problem habe sich in den vergangenen zwei, drei Jahren doch verschärft, hieß es dazu heute Vormittag in Berlin. Das hänge zum einen mit Fusionstendenzen hier in Deutschland zusammen, zum anderen aber auch mit besseren Erkenntnissen über die Markt- und Arbeitsbedingungen in vielen Entwicklungsländern. So habe es in Deutschland beispielsweise vor knapp zehn Jahren noch 8 große Supermarktketten gegeben, mit einem damaligen Marktanteil von rund 70 Prozent, heutzutage seien es nur noch 6, deren Marktanteil betrage inzwischen aber rund 90 Prozent. Marita Wiggerthale ist Handelsexpertin bei der Organisation Oxfam, sie sieht folgende Tendenzen.

    "Die Supermarktketten drücken die Lieferanten im Preis. Dieser Preisdruck entlang der Lieferkette hat zur Folge, dass Arbeits- und auch Menschenrechte in den Enzwicklungsländern verletzt werden. Wir von Oxfam haben das Beispiel der Ananas-Produktion in Costa Rica recherchiert. Hier wurde sehr deutlich, dass der Preisdruck dazu führt, dass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern und auch die Gehälter unter Druck geraten sind."

    Den Preis für die Marktmacht der Supermarktketten würden also die Menschen vor Ort zahlen. Die Oxfam-Studie nennt beispielsweise die Arbeiterschaft in Costa Rica oder Ecuador, die meist mehr als 12 Stunden und für wenig Lohn auf Bananen-Plantagen arbeiten müssten. Zudem würden Kleinproduzenten oft durch die Ausweitung von Großplantagen ins Abseits gedrängt. Etwa durch das Abschneiden der Bewässerungszufuhr oder in extremen Fällen sogar von ihrem Land verdrängt. Diese Studie soll also aufzeigen, welchen Einfluss große Konzerne in der so genannten Dritten Welt haben können und welche Ansatzpunkte es gibt, um das Problem anzugehen. Marita Wiggerthale von Oxfam.

    "Als Initiative haben wir das Ziel, dass jeder Verbraucher die Gewissheit haben soll, dass ein eingekauftes Produkt aus dem Supermarkt unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurde und ohne Schaden für die Umwelt. Unser Ziel ist nicht, dass primär die Verbraucher aufgerufen werden, mehr Bio- oder Fair-Trade-Produkte zu kaufen. Wir wünschen uns einen kritischen Verbraucher, der uns bei Aktionen unterstützt, der auch einen notwendigen politischen Druck erzeugt. Damit die Politik und die Supermarktketten handeln und somit auch Verbesserungen herbeiführen. "

    Natürlich helfe es, wenn man hierzulande auch in kleineren Geschäften einkaufe, Bioprodukte usw. Allerdings sehen die Organisationen, die diese neu gegründete Supermarkt-Initiative unterstützen, darunter kirchliche Gruppen und auch Gewerkschaften, eher ein grundsätzliches Problem - welches nachhaltig nur im großen Maßstab verändert werden könne. Sprich: Durch internationale Abkommen. Micha Heilmann, ist Leiter der Rechtsabteilung bei der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten.

    "Selbst die Kanzlerin redet ja inzwischen davon, dass es wieder mehr regulierte Märkte geben muss. Das heißt, man muss unter bestimmten Wertmaßstäben wirtschaften. Und den Unternehmen muss man entsprechende Leitlinien vorgeben, in deren Rahmen sie sich zu bewegen haben."

    Die Auswirkungen von zuviel Marktmacht auf einzelnen Märkten würde zudem nicht nur die Arbeitsbedingungen betreffen, sondern auch die Qualität der Produkte. Gerade bei Lebensmitteln bestimme immer seltener die Qualität den Preis, sondern der Preis die Qualität. Das Bündnis will also neue und verschärfte Standards im internationalen Handel, so Gewerkschaftsexperte Micha Heilmann.

    "Diese müssen dann aber für alle Marktteilnehmer verbindlich werden. Das bedingt eben auch bestimmte Rechte für Arbeitnehmer, bestimmte Mindesteinkommen hier und auch in den Ländern des Südens. Zudem haben wir Herkunftskennzeichnungen gefordert."

    Die Entwicklungsorganisation Germanwatch weist heute zudem auch darauf hin, dass es in asiatischen Handyfabriken sehr oft zu schwerwiegenden Arbeitsrechtsverletzungen komme. Man müsse dort oft ohne Schutzkleidung mit Chemikalien hantieren, es gäbe auch exzessive Überstunden. Die untersuchten Betriebe würden ihre Produkte an alle großen Handy-Firmen in Europa ausliefern. Ein Beispiel aus einer anderen Branche, aber ein weiteres Indiz für den Ernst der Lage in vielen Entwicklungsländern, so Germanwatch.