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Einladung zum Coding

IT.- Das Kunstwort Hackathon setzt sich aus "Hacken" und "Marathon" zusammen. Zu einem solchen Event kommen derzeit in Köln zahlreiche Programmierer zusammen, um, - jenseits vom sonstigen Arbeitstrott - Neues auszuprobieren und sich mit Gleichgesinnten auszutoben.

Von Maximilian Schönherr | 28.04.2012
    Das ist der Advance Hackathon in Köln. Viele Projekte, die an diesem Wochenende erstellt werden sollen. Zum Beispiel Projekt Nummer 20: HTML 5 Websockets, wo Menschen hier zusammenarbeiten wollen. Oder einfach Projekt Nummer 10: eine digitale Lunchplanung, von Leuten, die nicht wissen, was sie zu Mittag essen sollen und sich dann über ihre Smartphones zusammenfinden.

    Es ist für alles gesorgt, von Zahnbürsten über Zahnpasta bis hin zu Zelten in diesem Loft, vorwiegend Männer, junge Männer, in einer sehr entspannten Atmosphäre, ich schätze mal 100 Leute. Viele sitzen schon an ihren Computern und sind bereit zum "coden", zum "hacken". Aber letztendlich wird hier nicht bösartig gehackt, sondern es wird etwas konstruiert, was nachher wirklich anwendbar ist.

    "Heutzutage ist ein Hacker jemand, der sich autodidaktisch, schnell Programmiersachen beibringen kann und Sachen machen will aus intrinsischer Motivation, nicht getrieben durch "da krieg ich Geld für", sondern durch "ich will das haben, ich will das schaffen, ich will die Welt verändern, also mache ich das". Jemand, der vielleicht von vornherein gar nicht weiß, womit er das machen kann und sich auf dem Weg dahin alles aneignet. Das sind für mich die Hacker von heute."

    Er selbst, Sebastian Deutsch, ist auch ein Hacker, allerdings inzwischen zum Chef einer kleinen Softwarefirma in Bochum aufgestiegen, die sich 9 Elements nennt.

    Die Veranstaltungsreihe, in der der Hackathon stattfindet, heißt "Advance" - fortschreiten, und hat bisher vor allem Menschen mit Firmengründungsideen zusammengebracht. Sebastian Deutsch regte einen Advance Hackathon an, um weniger über Geschäftsmodelle zu reden, als vielmehr konzentriert, ohne Vorgaben von oben oder von irgendwoher in Teams zu programmieren, sich gegenseitig zu riechen und anzusehen.

    Die Medienwissenschaftlerin Nadia Zaboura vom Mediencluster NRW hat den Hackathon ausgerichtet:

    "Es scheint so, dass es bei den klassischen Medien- oder IT-Unternehmen noch nicht wirklich angekommen ist. Es gibt unserer Erfahrung nach durchaus einige Unternehmen, die interne Hackathons oder Coding Days veranstalten. Aber dieses vollkommen offene Format ist schon eine besondere Sache. Das heißt, es ist wirklich frei, die Leute machen die Projekte, auf die sie Bock haben, richtig Lust haben, schöne Dinge umzusetzen, die entweder ein bisschen länger liegen geblieben oder wirkliche Herzensprojekte sind."

    Sebastian Deutsch programmiert an diesem Wochenende in einem Team von fünf Leuten eine digitale Landkarte für und mit jungen Medien- und Softwareunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Damit es beim tatsächlichen Programmieren kein Durcheinander und auch keine Überlappungen gibt, übernimmt jeder in der Gruppe eine Aufgabe.

    Sebastian Deutsch:

    "Es ist ein bisschen wie beim A-Team, oder wenn man einen Bankraub macht. Man braucht dann einen, der den Safe knacken kann, man braucht jemanden, der Schmiere steht, man braucht jemanden, der den Fluchtwagen gut fahren kann. Genau so werden wir unser Team aufstellen und versuchen, das ganze in zwei Tagen über die Bühne zu bringen."

    Übrigens arbeitet hier niemand auf Windows; es sind beim Hackathon nur Linux-PCs und Macintosh-Notebooks zu sehen. Der Grund liegt tief: Anders als Windows basieren nämlich Linux und MacOS auf Unix. Und Unix, ein sehr altes Betriebssystem, ist die Ebene, auf der die Programmierung stattfindet. Fast alle Projekte auf dem Hackathon sind Open Source, das hießt, der Code, der am Schluss herauskommt, ist quell-offen.

    "Man kann Open Source betreiben und trotzdem Geld verdienen, das sind keine Widersprüche. Wir bemühen uns auch, wann immer es möglich ist, zu Open Source beizutragen. Das ist eigentlich der Gedanke: Wir selbst benutzen sehr viel Open Source, und deswegen möchten wir der Community auch etwas zurückgeben."

    "Diese Kultur des Teilens: Wir leben in einer Wissensgesellschaft, die sich immer mehr zu einer digitalen Wissensgesellschaft hin entwickelt. Wir müssen andere Instrumente erlernen, andere Möglichkeiten haben, unser Wissen zu teilen. Und die Netzgesellschaft hat einen Spruch, der das fantastisch bezeichnet, nämlich 'Sharing is Caring'. Also mit demjenigen, um den man sich kümmert, teilt man sich auch Informationen, und zwar auch gerne. Man ist also nicht in einer lang anhaltenden, ausschließenden Konkurrenz, sondern man kann sehr gut mit Menschen zusammenarbeiten und trotzdem kompetitiv vorgehen."

    Kein Sozialismus also, sondern eher eine Graswurzelbewegung. In Berlin, dem modernen Silicon Valley, sagt der Bochumer Programmierer Sebastian Deutsch, floriert dieses Denken, und der Hackathon in Köln ist ein Beleg, dass es auch anderswo funktioniert – und ansteckt.