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Einmal herausragend - zweimal annehmbar

In dieser Woche beschäftigt sich Hartwig Tegeler in den "Neuen Filmen" mit dem neuen Sacha-Baron-Cohen-Film über eine bärtigen Diktator, mit einer Satire über die lukrativen Seiten des Freitods und der absurden Idee, im Jemen Lachs zu züchten.

Von Hartwig Tegeler | 16.05.2012
    "Kill me please"
    Satire im Kino ist gut, wenn es richtig wehtut. Und nicht zurückzucken! Vor Dr. Krugers Klinik beispielsweise.

    "Ein Suizid ist keine einfache Angelegenheit."

    Hier, in dem Anwesen tief im Wald, darf gestorben werden. Insofern man das entsprechende Kleingeld hat.

    "Besser also, Sie begeben sich dafür in professionelle Hände."

    Was all die todkranken, lebensmüden wie durchgeknallten Patienten dann auch getan haben in Olias Barcos tiefschwarzer Satire "Kill me please". Dass aber das wohlsituierte wie -kalkulierte Sterben dann doch nicht so wie disponiert abläuft, ein Serienkiller dem Tod gar unvermutet zur Seite springt, das führt in "Kill me please" zu wunderbar makabren Volten. Und die zeigen: Auch im Angesicht des Todes, sogar des Freitodes, ist der Mensch gierig, eitel und egomanisch. Ein Genuss, das zu sehen, wenn man´s nicht gerade - sorry! - selbst erleben muss. - "Kill me please" von Olias Barco - herausragend.

    "Der Diktator"
    <im_80226>"Der Diktator" NUR FILMSTART</im_80226>Satire im Kino, wie gesagt, das ist, wenn es richtig wehtut und bitte schön: Der Mann, der gut scheint für diesen Job, heißt Sacha Baron Cohen. Sollte man meinen. Wie man sich täuschen kann, wobei auf den ersten Blick noch alles gut zu sein scheint bei Ex-Borats, Ex-Ali Gs und Ex-Brünos neuem Werk "Der Diktator".

    Irgendwo, wie hier zu hören, in irgendeinem Wüstenland - Mittlerer Osten - droht Diktator Admiral General Aladeen - gespielt von Sacha Baron Cohen - Ungemach. Erstens sterben die Kollegen aus. Die Besten sind gegangen, meint General Aladeen: Saddam, Gaddafi, und ... ja, wir sind schon drin im Rhythmus, jetzt setzt es die Pointe: Cheney. Dick ist gemeint. Vizepräsident unter George W. in:

    "Amerika, der Geburtsort von AIDS."

    In New York will Diktator Aladeen vor der UN eine Rede halten und landet unvorhergesehen im US-Alltag. Damit wären, möchte man doch meinen, alle Zutaten bereitet für den britischen Komiker, um den satirischen Blick auf dieses merkwürdige "land of the free, home of the brave".

    Wenn Diktator Genral Aladeen dann in der UN-Rede die Vorzüge einer Diktatur auflistet, da zeigt sich Sacha Baron Cohen als großer Satiriker. Um alles sofort wieder einer deftigen Prise Fäkalhumors zu opfern. Und sowieso: Die Geschichte eines menschenfeindlichen Diktators wird nach schlichter Hollywooddramaturgie von der Stange sukzessive zur Geschichte über einen nur noch komischen Diktator. Das ist das Problem des Films: Sacha Baron Cohen setzt hier aufs ganz große Publikum. Und so wird der Film paradoxerweise mainstreamfähig. - Sacha Baron Cohens "Der Diktator" - Regie Larry Charles - annehmbar.

    "Lachsfischen im Jemen"
    <im_80228>"Lachsfischen im Jemen" NUR FILMSTART</im_80228>Am Anfang schön böse und am Ende alles in eine versöhnliche Soße tunken und die Zähne verlieren, da könnte sich Mr. Cohen mit Lasse Hallström zusammentun, der nach einigen wunderschönen Filmen wie "Gilbert Grape" oder "Schiffsmeldungen" in den letzten Jahren einen unseligen Hang zum Sentimentalen entwickelt hat. Sein neuer Film "Lachsfischen im Jemen" beginnt mit einer bissigen Persiflage auf Politik und Wissenschaft. Ein Ölscheich hat vor, in seiner Heimat Jemen Lachse zu züchten und sucht nach sachkundiger Unterstützung in Großbritannien. Die Spindoktorin des Premierministers - wunderbar: Kristin Scott Thomas als übles Schandmaul und perfekte Wahrheitsverdreherin - wittert etwas:

    "Es geht um eine positive Geschichte aus dem Nahen Osten, damit die anglo-jemenitischen Beziehungen wieder rund laufen. Was denken Sie?"

    "Also, das ist ziemlich weit hergeholt, seien wir doch lieber ehrlich. - Seien Sie lieber nicht ehrlich."

    Der Beamter der Umweltministeriums, Dr. Alfred Jones - Ewan McGregor - denkt: Schwachsinn.

    "Fische benötigen Wasser. Ist dieses Prinzip Ihnen vielleicht bekannt."

    Doch manchmal siegt Vision über Realität, zumal, wenn ein philanthropischer Ölscheich und seine PR-Frau den Lachsexperten Dr. Alfred aus seiner Lebensöde reißen und in den Jemen schleifen. Die Lachse kommen später nach.

    "Für einen Angler sind die einzigen Tugenden immer nur Geduld, Toleranz und große Demut."

    Die Streichermusik hier im Beipack zum Credo des Scheichs zeigt akustisch das Problem: zu viel Süßes. Und die romantische Liebesgeschichte zwischen Ewan McGregor und der von Emily Blunt gespielten PR-Frau des Scheichs tut ihr Übriges. So erstickt der satirische Ansatz am Ende im Melodram. - "Lachsfischen im Jemen" von Lasse Hallström - annehmbar.