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Einmal Mars und zurück

MarsExpress, Mars Odyssey, Mars Global Surveyor, Mars Reconnaissance Orbiter, Spirit und Opportunity – Alte und Neue Welt haben unseren Nachbarn im All derzeit fest im Griff. Und schon bereiten Amerika, Europa und auch Russland neue Missionen zum Mars vor.

Von Guido Meyer |
    Allmählich wird es "eng" auf dem Roten Planeten. Und die Ziele werden in den kommenden Jahren anspruchsvoller: Ganze Labore sollen über den Mars rollen und erstmals Gesteinsproben zur Erde geflogen werden.

    Die erste bemannte Landung von Menschen auf unserem Nachbarplaneten steht am Ende dieser Expeditionsattacke.


    " Es gibt um die 16 Meteorite, die vom Mars sind, weltweit, verteilt, meist aus den Wüsten, Oman sind welche, dann Ghana-Gebiet, in Libyen ... da sind einige bekannt, wo man das weiß."

    Eine Stadthalle wird zum Steinbruch. In Bonn-Bad Godesberg finden die Edelsteintage statt, die so genannte Gemexpo - ein wandernder Trödelmarkt für alle Liebhaber und Sammler von Kristallen, Goldnuggets und sonstigen Mineralien. Besonders Bonbon: einige kleine Steine, die keine fossilen Funde von der Erde darstellen, sondern von außerhalb auf unseren Planeten gelangt sind: Mikro-Meteoriten vom Mars.

    " Die sind wahrscheinlich durch Impakt, also durch Einschlag eines Meteoriten auf den Mars oder auf anderen Planeten ... und dann kreisen die im Asteoridengürtel 'rum, und dann danach irgendwann treffen die uns mal. Dadurch kommt das vor, dass wir so 'was mal finden."

    Ewa Eger betreibt auf der Gemexpo den Stand seiner Firma Space Rocks, die die Steinchen tauscht oder verkauft. Eines aus Afrika sieht aus wie ein grauer, viereckiger Kieselstein und soll für rund vierhundert Euro den Besitzer wechseln.

    " Ich habe hier einen von Nigeria, einen Mars-Meteorit. Und zwar Zagami ist der Ort, wo der gefunden wurde. Die Untersuchung ist so gelaufen, dass die Isotope und Edelgase dort gemessen wurden. Und es ist zu 97 Prozent sicher, dass das ein Mars-Meteorit ist."

    Durch Kollision aus dem Planeten herausgeschlagen ins freie Weltall, eine zeitlang die Sonne umrundet und irgendwann von der Erde eingefangen - so kommen Meteoriten vom Mars zu uns. Hundertprozentig ist ihre Herkunft jedoch meistens nicht nachzuweisen.
    " Eine höhere Wahrscheinlichkeit ist noch nicht da. Weil wir keine Proben haben. Beim Mond haben wir Proben. Sofort, wenn wir Proben davon haben, kann man sagen 'ja, 100 Prozent oder nicht'. Noch niemals sind Proben vom Mars gekommen."



    Die Apollo-Astronauten haben in den siebziger Jahren Gestein zur Erde gebracht. Fast 400 Kilogramm Mondmaterial haben Wissenschaftler in den folgenden Jahren in irdischen Labors untersucht. Ihre Zusammensetzung ließ darauf schließen, dass der Mond in der Frühzeit unseres Sonnensystems von einem anderen Objekt aus der Erde herausgeschlagen wurde und mit diesem riesigen Meteoriten verschmolzen ist. - Vom Mars gibt es bislang keine einwandfrei bestätigten Proben auf der Erde.

    " Alle planetaren Missionen, unbemannten, bisher haben vor Ort die Messungen gemacht. Es gibt keine Probenrückführung zur Erde. Das will man bei Marsmissionen innerhalb der nächsten 10 Jahre das erste Mal realisieren. Ist aber sehr aufwendig."

    Lutz Richter, Projektleiter der europäischen Sonde MarsExpress beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. MarsExpress umkreist derzeit unseren Nachbarn im All, gemeinsam mit drei US-Sonden: dem Mars Global Surveyor, Mars Odyssey und dem Mars Reconnaissance Orbiter. Auf dem roten Marsboden rollen nach wie vor die beiden amerikanischen Rover Spirit und Opportunity. Dass sechs internationale Sonden zur selben Zeit einen Planeten untersuchen, ist Rekord in der Raumfahrtgeschichte, doch noch lange nicht das Ende der Serie. Die Anzahl an Mars-Sonden soll sich in den kommenden Jahren noch mehr als verdoppeln.

    Europas MarsExpress hatte im Dezember 2003 eine Landesonde auf dem Mars absetzen sollen, Beagle2. Mit dieser Musik, komponiert von der britischen Gruppe Blur, hätte sich Europas "Spürhund" per Funk auf der Erde melden sollte. Die Takte trafen jedoch niemals ein. Beagle2 hat wohl eine Bruchlandung hingelegt, weil Wissenschaftler die Dichte der Mars-Atmosphäre und damit ihre Bremswirkung falsch berechnet hatten. Vom Fehlschlag dieses ersten europäischen Landeversuchs auf einem anderen Planeten will sich Europas Weltraumagentur ESA jedoch nicht entmutigen lassen. Sigmar Wittig, der Vorsitzende des ESA-Rates, dem höchsten Entscheidungsgremium in der europäischen Raumfahrt. (Musik weg)

    " Es gibt natürlich ein Programm bei der ESA - das nennt sich Aurora -, das also weiter auf die Mars-Erkundung zielt. Und die ganz, ganz fernen Träume sind natürlich die, das man auch einmal Menschen zum Mars schickt. Vorher arbeiten wir auch noch mit unseren amerikanischen Kollegen enger zusammen und versuchen, kleinere Geräte auch da zum Mars zu schicken.""

    Aurora ist die römische Göttin der Morgenröte. Täglich bei Sonnenaufgang soll sie mit ihrem Streitwagen über den Himmel gefahren sein. So ähnlich stellt sich das auch die ESA für die beiden Projekte vor, aus denen das Aurora-Programm derzeit besteht: einem Rover namens ExoMars und einer weiteren Mission, in deren Verlauf Mars-Gestein zur Erde gebracht werden soll. 2011 soll zunächst ExoMars über den roten Mars-Boden rollen, so wie derzeit die beiden Rover Spirit und Opportunity. In den kommenden Jahren wird die ESA verschiedene geologische Formationen aussuchen, die er näher untersuchen soll. Dazu wird der Rover anhalten und seinen vertikal nach unten gerichteten Bohrer ausfahren.

    " Wir werden einen Bohrer dabei haben, der bis zu zwei Meter in die Erde vordringen soll. So könnte erstmals nicht nur der Staub der Oberfläche untersucht werden sondern massives unterirdisches Gestein. Um Spuren von aktuellem oder fossilem Leben zu finden, müssen wir nämlich in den Marsboden eindringen, weil organische Moleküle auf der Oberfläche von der ultravioletten Strahlung längst abgetötet worden wären."

    Bruno Gardini vom europäischen Weltraumforschungszentrum ESTEC in Noordwijk in Holland, der Leiter des Aurora-Programms. Der Bohrer soll auch mögliche Vorkommen flüssigen Wassers unterhalb der Oberfläche entdecken. Seine seismografischen Sensoren wären empfindlich genug, durch fließendes Wasser verursachte Erschütterungen aufzuspüren, die sich durch unterirdische Wasseradern fortpflanzen. Ebenso könnten mögliche Marsbeben und vulkanische Aktivitäten beobachtet werden.

    " Wir wollen ExoMars auch eine Panorama-Kamera mitgeben, die Bilder von seiner Umgebung schießt. Schließlich wollen wir ungefähr wissen, wo wir uns befinden. Außerdem soll uns ein Radar, das in den Mars-Boden vordringt, ständig darüber Auskunft geben, in welcher Tiefe wir bohren und ob und wann wir auf Wasserschichten unterhalb der Mars-Oberfläche stoßen."

    Die Mission ExoMars besteht neben dem Rover auch aus einer stationären Plattform, die eigenständig Experimente durchführt. Sie soll Daten über die meteorologischen Bedingungen in der Atmosphäre sammeln, über die radioaktive und die UV-Belastung sowie über magnetische Felder. Vielleicht wird ExoMars auch ein Mutterschiff bekommen, das in einer Umlaufbahn bleibt und den Roten Planeten umrundet. Über diesen Orbiter könnten die Signale dann zur Erde geleitet werden. Darüber will die ESA bis Ende diesen Jahres entscheiden. Startschuss für ExoMars ist 2011.

    Fünf Jahre nach ExoMars, 2016, will Europa den zweiten Schritt im Rahmen des Aurora-Programm gehen. Im Laufe einer so genannten Mars Sample Return Mission soll eine Sonde landen, Gesteinsproben entnehmen und diese zur Erde bringen, erläutert Bruno Gardini vom europäischen Weltraumforschungszentrum ESTEC.

    " Dieser Flug wäre der erste überhaupt, der alle Anforderungen einer bemannten Mission erfüllt. Man landet, entnimmt Proben, man fliegt nach Hause. Sinnvollerweise sollten wir erst lernen, Gestein sicher zurückzubringen, bevor wir ein solches Projekt mit Menschen durchführen. Vielleicht werden wir sogar einige solcher unbemannter Probenrückführungen benötigen, ehe wir den nächsten Schritt gehen können."

    Der Ablauf einer Probenrückführung ist ungleich komplizierter als das bloße Landen einer stationären Sonde oder von Rovern. Einmal am Mars angekommen sieht das Szenario vor, dass sich eine Abstiegskapsel von der Muttersonde löst. Während das Mutterschiff in einer Mars-Umlaufbahn wartet, landet die Abstiegskapsel und entnimmt Bodenproben. Nach getaner Arbeit startet sie wieder und koppelt ans Mutterschiff an, das dann die Rückreise zur Erde antritt. Dort angekommen, wird die Kapsel mit den Bodenproben abgesprengt und landet mit Fallschirmen auf der Erde. Richard Parkinson, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der University of London, der für den Weltraumkonzern EADS Astrium in Großbritannien an der Entwicklung einer Mars Sample Return Mission beteiligt war.

    " Wir müssen zeigen, dass wir dazu in der Lage sind, weit weg von der Erde mit einem Raumschiff an einem anderen anzudocken. Außerdem müssen wir sicher sein, die Wiedereintrittstechnologie zu beherrschen, mittels derer die Proben zurückkehren und durch die irdische Atmosphäre fliegen. Denn solche Kapseln fallen unkontrolliert auf die Erde zu, wenn sie sich einmal von ihrem Mutterschiff gelöst haben. Bevor wir also Bodenproben vom Mars entnehmen und zur Erde fliegen, sollten wir diesen gesamten Flugverlauf erst einmal mit einer automatischen Probenrückführung vom Mond durchspielen. Danach könnten wir die gleiche Technologie auf einem Mars-Flug anwenden."

    Die Mars Sample Return Mission und der ExoMars-Rover sind derzeit die einzigen fest geplanten Missionen im europäischen Aurora-Programm. Doch es gibt Ideen für weitere Projekte. Kleinere Sonden könnten kostengünstig parallel zu Rover und Probenrückführung entwickelt werden. So hat der Bremer Raumfahrtkonzern EADS eine Mikro-Mission entwickelt, die auch so heißt: MicroMars. Dieses Konzept ähnelt dem des erfolgreichen europäischen MarsExpress-Orbiters und seines fehlgeschlagenen Landers Beagle2.

    " Der wesentliche Unterschied ist der, dass MicroMars kleiner ist, von den Dimensionen, von der Masse her, aber auch wesentlich billiger ist. MicroMars hat einen anderen Orbit als MarsExpress, kann also andere Bereiche in der Atmosphäre, Ionosphäre vermessen. Der Lander landet an einer anderen Stelle, als der Beagle2 von MarsExpress, das heißt man würde auf einer anderen Stelle der Mars-Oberfläche Messungen machen, und diese ergänzen sich. Der Mars ist ja auf der Oberfläche unterschiedlich, genau wie auf der Erde. Insofern ist es wichtig, dass man auf der Mars-Oberfläche an vielen Punkten Messungen durchführt."

    Bernd Bischof aus der Abteilung für Orbitale Systeme bei EADS Space Transportation in Bremen. In Zeiten, in denen andere Projekte gekürzt oder gestrichen werden, ist es schwer, die ESA von der Finanzierung neuer Vorhaben zu überzeugen. Sind sie einfach strukturiert, preisgünstig und schnell zu realisieren, steigen die Chancen. Und klein ist MicroMars. Hartmut Renken, der die Missionen bei EADS mitentwickelt hat.

    " Wir sehen hier eine kleine Kapsel. Es ist vom Durchmesser her im Prinzip ein Kugelausschnitt, so 70 cm, ein Schutzschild - das sieht so aus wie ein Kreissegment. In diesem Kreissegment dann selber ist drin ein Airbagsystem, ein Fallschirmsystem, und in der Mitte ist dann ein kleines Oberflächenmodul befindlich, sieht ja fast aus wie eine Box, wo ein großer Kuchen 'reinpasst . Aber das ist halt wirklich groß genug, um auf dem Mars ganz einfache Experimente laufen zu lassen."

    MicroMars ist so genügsam, dass nicht einmal eine eigene Trägerrakete für den Start notwendig wäre. Die gerade einmal 400-kg-schwere Sonde könnte huckepack bei einem Ariane-Start mitfliegen. Nachdem der Großteil der Trägerkonstruktion angesprengt und der Treibstoff verbraucht ist, werden nur etwa 15 Kilogramm am Mars ankommen: eine kleine, runde Sonde von der Größe eines Medizinballs, die mit Hilfe von Airbags auf dem Mars landen soll.

    " Es gibt hier dann einen mechanischen Ring, der dafür Sorge tragen wird, dass das Modul auch an einer aufrechten Position ist, denn es kann passieren, dass - wenn dieses Oberflächemodul dann von den Airbags freigegeben wurde - dass es dann auf'm Kopf liegt. Deswegen haben wir eine ganz einfache Vorrichtung mit einem Springmechanismus eingebaut, die dann auch arbeiten würde. Das kann man ganz einfach machen mit Federn, die man quasi erst mal gespannt lässt und dann über Silvesterkracher - also Pyrobolzen - dann aktiviert."

    Einmal in Position gebracht soll MicroMars das Strahlungs- und Schwerefeld des Mars' untersuchen. Ein Mast mit einer Kamera an der Spitze würde ausfahren und hochauflösende Bilder der Mars-Oberfläche schießen. Außerdem könnte die Sonde Bodenproben entnehmen und vor Ort untersuchen. Ein Sensor schließlich soll das Magnetfeld des Mars' vermessen soll, was wiederum Rückschlüsse auf sein Innenleben und seinen Aufbau zuließe.

    Neben EADS schlägt auch die Mars Society ein Low-Cost-Projekt zum Mars vor. Bei der Mars Society Deutschland handelt es sich um einen Ableger des gleichnamigen amerikanischen Vereins, der sich die Erforschung des Roten Planeten mit privaten Mitteln zum Ziel gesetzt hat. Nach Sonden in der Umlaufbahn, solchen auf dem Boden und nach Rovern sei es Zeit für ein neues "Verkehrsmittel", meint Diplom-Ingenieur Hannes Griebel, Vorstandsmitglied der Mars Society Deutschland.

    " Was man bisher nicht geschafft hat, ist sozusagen die Luftaufklärung auf dem Mars. Das ist wissenschaftlich höchst interessant. Hier kommt der Ballon ins Spiel. Der Ballon ist sicherlich das technisch einfachste aller Luftfahrzeuge und soll in diesem Fall in der Mars-Atmosphäre auch als Forschungsballon eingesetzt werden, so dass man zum ersten Mal aus der Luft Messungen machen kann und über eine größere Distanz hinweg, als dass z.B. Landefahrzeuge oder Stationen überhaupt können."

    ARCHIMEDES, so der Name des ersten Mars-Ballons. Der Physiker Archimedes von Syrakus lebte im dritten Jahrhundert vor Christus und entdeckte das später nach ihm benannte Archimedische Prinzip. Dieses besagt, dass die Auftriebskraft eines Körpers stets genauso groß ist wie die Gewichtskraft der vom Körper verdrängten Flüssigkeitsmenge. Dieses Prinzip lässt Schiffe schwimmen und eben Ballone aufsteigen. In einer Gondel unterhalb des Ballons würde eine hochauflösende Kamera platziert, die einen neuen Blickwinkel auf den Mars hätte.

    " Natürlich ist eine Kamera auch ein wissenschaftlich sehr interessantes Experiment, da man gerade hier Aufnahmen aus einer schrägen Perspektive machen kann und damit Berge und Täler aufnehmen kann, die aus dem Weltraum nicht sichtbar sind. Und die halten für Geologen doch wesentliche Schlüsselinformationen bereit, die wir zurzeit noch nicht wahrnehmen können."

    ARCHIMEDES wird von einem deutsch-finnischen Konsortium unter Federführung der Universität der Bundeswehr in München entwickelt. Genau wie MicroMars könnte auch der Mars-Ballon preisgünstig als Sekundärnutzlast bei einem herkömmlichen Raketenstart abheben.

    Neben ARCHIMEDES und MicroMars befindet sich ein weiteres preisgünstiges Projekt zum Mars in der Vorbereitung. Auch für dieses Missionen haben sich Deutsche und Finnen zusammengetan. Der Weltraumkonzern EADS und das Finnische Meteorologische Institut entwickeln derzeit ein Sonde mit dem Namen MetNet. Analog den Meteosat-Satelliten, die die Erde umkreisen, soll MetNet das Wetter auf dem Mars beobachten. Denn was trotz aller Daten vom Mars, seiner Oberfläche und seiner Beschaffenheit noch fehlt, ist eine Art Wetterbericht vom Roten Planeten. Wie windig ist es, wie ist der Austausch von Gasen in der Atmosphäre, wie sehen die Jahreszeiten auf dem Mars aus?

    " Es gibt durchaus einen Wechsel zwischen den verschiedenen Jahreszeiten. Dies sehen wir anhand der Größe der Polkappen und an den Temperaturunterschieden. Wenn der Winter auf der südlichen Halbkugel zu Ende geht, können wir in der Nähe der Pole beobachten, wie das gefrorene Kohlendioxid verdunstet. Im Sommer ist es dann gasförmig, im nächsten Winter wird es wieder zu Eis. Es gibt also ein Wechselspiel zwischen dem in den Polkappen gebundenen CO² und dem der Atmosphäre. Diesen Austausch soll MetNet quantitativ messen, genauso wie den Wind und den Wasserdampf. Wir wollen wissen, ob Wasserdampf aus dem Mars-Boden entweicht und in die Atmosphäre steigt."

    Petri Makkonen, System-Ingenieur für MetNet beim Finnischen Meteorologischen Institut. Bevor die Sonde als Wettersatellit fungieren und ihre meteorologischen Daten von der Mars-Oberfläche zur Erde schicken kann, soll sie ein neues Landeverfahren demonstrieren. MetNet soll ohne Fallschirm und ohne schützende Airbags auskommen. Stephan Walther aus dem Bereich Orbitale Systeme von EADS in Bremen.

    " Das Besondere an der Mission ist, das hier eine andere Technologie zum Eintritt in die Atmosphäre benutzt wird, und zwar ein entfaltbares Hitzeschild, was den Vorteil hat, die Wärmelasten auf einer viel größeren Fläche zu verteilen und somit eben auch materialmäßig enorme Vorteile hat gegenüber dem klassischen Wiedereintrittssystem und auch Massenvorteile. Das Besondere bei dieser Eintrittstechnologie ist, dass sie gleichzeitig genutzt werden kann zur Landung dieses Objektes auf der Mars-Oberfläche. Durch weitere Vergrößerung des Hitzeschildes wirkt es wie ein Federballsystem und sorgt dafür, dass in einer ausgerichteten Weise das System auf dem Mars landet."

    Ein flexibler Hitzeschild aus weichem Material also, ähnlich einem Schlauchboot, der die entstehende Reibungswärme beim Eintritt in die Atmosphäre abfängt, der das Fluggerät abbremst und mit dessen Hilfe die Sonde auch landet. Allerdings wesentlich unsanfter, als es mit Airbags möglich wäre. Mit einer spitzen, lanzenförmigen Verlängerung am unteren Ende des Luftkissens soll MetNet sich in den Boden bohren.

    " MetNet wird ein Projekt sein, das versucht, auf der Mars-Oberfläche zu landen mit einem so genannten Penetrator, der also in die Mars-Oberfläche kurz eintaucht und dann eben gewisse Proben und Analysen durchführt."

    Zusammen mit Finnland und Deutschland ist auch Russland an der Entwicklung von MetNet beteiligt. Im letzten Jahr hat die russische Raumfahrtagentur Roskosmos erstmals ein etwa 1-meter-großes Modell der Sonde in Originalgröße auf der Pariser Luft- und Raumfahrtausstellung in Le Bourget gezeigt. Ein Starttermin steht noch nicht fest.

    Neben MetNet bereitet Russland derzeit ein zweites Mars-Projekt vor. Es soll einen der beiden Mars-Monde untersuchen. Für 2009 ist die Mission Phobos-Grunt geplant. Sie soll den "Grund und Boden" von Phobos untersuchen - neben Deimos einem der beiden Monde des Planeten Mars. Ziel dieses ehrgeizigen Vorhabens ist der Transport von Phobos-Gestein zur Erde. Der Ablauf der Mission ähnelt der von Europa geplanten Mars Sample Return Mission, die Gestein vom Mars zur Erde bringen soll. Auch bei Phobos-Grunt wird eine automatische Landesonde Proben entnehmen. Wladimir Obukhov vom russischen Institut RIAME in Moskau.

    " Der Lander besteht aus zwei Teilen. Da ist zunächst die Station, die wissenschaftliche Experimente durchführen und Gestein von Phobos aufnehmen wird. Der zweite, obere Teil ist eine Wiederaufstiegskapsel, in der die Proben deponiert und zur Erde geflogen werden. Wir hoffen, dass so wir 300 Gramm Phobos-Material bekommen können."

    Sollte diese anspruchsvolle Mission in 4 Jahren gelingen, wäre es das erste Mal, dass nachweislich Material von einem anderen Planeten oder einem seiner Monde zur Erde gelangt. Außerdem käme Phobos-Grunt der geplanten europäischen Probenrückführung vom Mars um einige Jahre zuvor. Vielleicht würde Russland damit sogar den USA die Show stehlen, die derzeit bei der Erkundung des Mars' die Nase vorn haben.

    Vor wenigen Wochen erst ist mit dem Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) die dritte funktionierende amerikanische Sonde in einem Umlaufbahn um den Roten Planeten eingeschwenkt. Wie der Name anklingen lässt, soll MRO den Mars "auskundschaften" und "erkunden", das ganze aus einer Umlaufbahn heraus. Auch wenn MRO schon die ersten Test-Bilder zur Erde geschickt hat, ist er noch nicht einsatzbereit. In diesen Wochen und Monaten wird seine elliptische Umlaufbahn erst einmal stabilisiert und auf eine Kreisform gebracht, die für eine gleichmäßige Untersuchung des Planeten erforderlich ist.

    " Derzeit benötigt MRO noch 35 Stunden für einen einzigen Umlauf. Am Ende soll eine Mars-Umrundung nur noch zwei Stunden dauern. Dazu müssen wir den am weitesten vom Mars entfernten Punkt der elliptischen Umlaufbahn von rund 45 000 Kilometer auf etwa 300 Kilometer absenken. Die Sonde stößt bei jedem Orbit auf die oberen Schichten der Mars-Atmosphäre und wird dabei jeweils ein wenig abgebremst, so dass sie ständig tiefer sinkt."

    Jim Graf, MRO-Projekt-Manager vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien. Aerobraking nennt sich dieses Verfahren, das etwa ein halbes Jahr in Anspruch nimmt. Gelingt dieses Prozedere, wird MRO tiefer über den Mars fliegen als die anderen beiden amerikanischen Sonden, die den Planeten derzeit umkreisen.

    " Mars Odyssey und Mars Global Surveyor befinden sich in 400 Kilometer Höhe. Der Orbit des Mars Reconnaissance Orbiters wird am Ende hundert Kilometer niedriger sein. Damit werden wir dem Mars so nahe kommen wie keine andere Sonde in einer Umlaufbahn zuvor. Die Kameras und das Radar werden somit optimale Ausgangsbedingungen haben."

    "Mister O" - wie die US-Raumfahrtbehörde NASA ihre Sonde scherzhaft nennt - wird dem Mars nicht nur näher kommen, sondern hat auch Instrumente von bislang nicht gekannter Qualität an Bord, erklärt Ramon de Paula vom NASA-Hauptquartier in Washington, D.C.

    " Auf MRO fliegen wir eine Kamera, die Objekte von bis zu einem Meter entdecken kann. Dies wird uns eine ganz neue Dimension von der Oberfläche erschließen. Zwischendurch wird diese Kamera auch die beiden Monde Phobos und Deimos fotografieren. Mit Hilfe dieser Daten und Fotos können künftige Missionen Landeanflüge dann präziser als bislang durchführen."

    Mit all seinen Versuchen, Kameras, Radars, Teleskopen und Treibstoff an Bord betrug das Startgewicht des neuen Mars-Orbiter mehr als zwei Tonnen. Damit war er damit fast dreimal so schwer wie die Sonden Mars Odyssey und Mars Global Surveyor, die derzeit um den Roten Planeten kreisen. MRO erreicht eine Spannweite von etwa 13 Metern und - bei ausgefahrener Antenne - eine Höhe von rund zehn Metern. Imense Dimensionen für eine Raumsonde also, die die NASA auf entsprechende Erkenntnisse hoffen lässt. Seine Umlaufbahn ist bei jedem Umlauf ein paar Längengrade versetzt, so dass er den gesamten Mars im Auge hat.

    " MRO wird den gesamten Planeten abdecken, nach wissenschaftlich interessanten Landestellen, nach Wasservorkommen und möglichem Leben Ausschau halten. Mit der Auflösung der Sonde werden wir Wasserstellen entdecken, die so klein sind wie eine heiße Quelle. Solche Gebiete wären wertvoll für uns, da sie prädestiniert sind als spätere Landepunkte."

    Die Chancen stehen gut, dass "Mister O" bisher Ungesehenes auf der Oberfläche sichtbar machen wird. Seine Kameras sind zehnmal stärker als die der bisherigen amerikanischen Sonden
    und könnten damit sogar die beiden Rover aufspüren, die nach wie vor und unverhofft über den roten Mars-Boden rollen. Jim Graf vom JPL.

    " Wir hatten nicht damit gerechnet, dass Spirit und Opportunity bei der Ankunft des Mars Reconnaissance Orbiters noch funktionstüchtig sein würden. Es wird also keine Zusammenarbeit zwischen den Rovern auf dem Boden und MRO in der Umlaufbahn geben. Wenn 2007 jedoch unsere nächste Sonde starten wird, werden wir MRO erstmals zur Datenübertragung zwischen dieser neuen Sonde und der Erde einsetzen."

    Nach zwei Jahren wissenschaftlicher Erkundung wird MRO dann als Relaisstation für künftige Mars-Expeditionen fungieren. Denn die nächste Sonde namens Phoenix steht schon bereit, die im kommenden Jahr ihre Reise zum Roten Planeten antreten soll. Das besondere bei dieser Mission: Mit Phoenix soll erstmals ein Lander in der Nähe einer der Pole niedergehen. Douglas McCuistion, der Direktor des NASA-Mars-Programms in Washington, D. C..

    " Der Phoenix-Lander wird in den Permafrost-Regionen in der Nähe des Mars-Nordpols aufsetzen. In den Wintern der Nordhalbkugel ist diese Gegend von Eis bedeckt, das sich im Sommer dann zurückzieht. Es ist also eine Zone des Übergangs. Wir suchen nach einer Landestelle, in der es viel Eis gibt, aber auch etwas Dreck. Wir nennen dies schmutziges Eis. Wir wollen den Aufbau dieses Eises verstehen sowie die Verteilung von Eis und Staub. Dazu wird Phoenix eine Probe des ‚schmutzigen Eises' schmelzen und diese sowohl in flüssigem wie in gasförmigem Zustand nach Organismen untersuchen."

    Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA bearbeitet den Mars derzeit im Akkord-Tempo. Etwa alle zwei Jahre öffnet sich ein Startfenster für die rund 200-millionen-kilometer-lange Reise. Dann befinden sich Erde und Mars in einer günstigen Position zueinander im Sonnensystem, um den Flug mit möglichst wenig Zeit- und Treibstoffaufwand realisieren zu können. 2005 war der Mars Reconnaissance Orbiter an der Reihe, 2007 soll Phoenix aus der Asche steigen, und auch für 2009 haben die USA bereits ein Projekt in Planung. Dann soll mit dem Mars Science Laboratory (MSL) der bislang größte Lander zum Mars starten. MSL wird ebenfalls mobil sein und an den Erfahrungen der beiden Rover Spirit und Opportunity anknüpfen, nur alles größer - länger - besser.

    " Die Hauptaufgaben des Mars Science Laboratories werden mineralogischer Art sein. MSL wird sich geologisch betätigen und die Oberfläche des Mars' untersuchen, so wie es die beiden kleineren Rover derzeit tun. Es wird jedoch ein richtiges mobiles Wissenschaftslabor sein, das vor Ort eigene Experimente durchführen kann. Außerdem soll es mögliche organische Moleküle im Mars-Boden aufspüren. "

    Das gesamte Labor ist etwa dreimal so groß wie Spirit und Opportunity es sind und erreicht die Größe eines Minicoopers. Es soll rund 50 Kilogramm wissenschaftlicher Geräte und Experimente mit sich tragen - etwa zehnmal so viel wie die beiden kleineren Rover derzeit. Das Labor-auf-sechs-Rädern wird in der Stunde fast hundert Meter zurücklegen und Steigungen von bis zu dreißig Grad überwinden können.

    Die Mars-Missionen von NASA und ESA werden mit jedem Start kompliziert und bauen aufeinander auf. Sowohl im Rahmen des europäischen Aurora-Programms als auch auf amerikanischer Seite steht am Ende eine erste bemannte Expedition zu unserem Nachbarplaneten. Europa hat sich derzeit das Jahr 2033 als Ziel gesetzt. Die USA bemühen sich, den von Präsident George Bush gesetzten Auftrag zu erfüllen, Menschen zum Mars zu schicken, tun dies aber ohne Zeitdruck und ohne Vorgabe eines Starttermins.

    Fast ein halbes Jahrhundert Mars-Erkundung, das bedeutet neunzehn erfolgreiche Flüge, aber etwa genauso viele Fehlschläge. Dass es auf Mars einst Wasser gab, stehend oder fließend, als Seen oder als Grundwasser, scheint mittlerweile klar zu sein. Das feuchte Element ist jedoch kein Selbstzweck sondern stets nur Bedingung für die eigentlich spannende Frage, die bei allen bemannten wie unbemannten Missionen mitschwingt, die Frage nach Leben auf dem Mars. Sind wir allein im All?

    " Es könnte durchaus Leben auf dem Mars geben. Es könnte sich unterirdisch abspielen oder in so kleinen Mengen, dass wir es bislang nicht entdecken konnten. Wir können es jedenfalls nicht ausschließen. Hier auf der Erde haben wir auch schon Mikroorganismen gefunden, die mehr als drei Millionen Jahre im ewigen Eis verbracht und überlebt haben. Auf dem Mars gibt es auch Permafrost. Dort könnte sich Ähnliches abspielen."

    Michael Meyer, Chef-Wissenschaftler des Mars-Programms der NASA an deren Hauptsitz Washington, D.C. Die Parallele trifft zu: Wer als Außerirdischer mit einem automatischen Landefahrzeug in der Antarktis oder mitten in der Sahara landen würde, würde den Glauben an eine belebte Welt vielleicht auch schnell wieder verlieren. Und doch: Eine einzige Spur simplen Lebens könnte die Sicht des Menschen auf sich und das Universum auf den Kopf stellen, findet der Planetologe David Grinspoon, Professor für Extraphysik an der Universität von Colorado in Denver, der im Auftrag der NASA nach erdähnlichen Himmelskörpern außerhalb unseres Sonnensystems Ausschau hält.

    " Wenn wir nur eine einzige Mikrobe auf dem Mars fänden, würde diese auf ein wesentlich fruchtbareres Weltall schließen lassen, als wir bislang geglaubt haben. Und dann könnte es nicht mehr weit sein, bevor wir auf etwas stoßen, mit dem wir reden können."

    Die Suche nach Leben auf dem Mars wird derzeit von Alter und Neuer Welt so systematisch angegangen wie niemals zuvor in der Geschichte der Mars-Erkundung. Jede neue Sonde baut auf den Erfahrungen der vorherigen auf; verschiedene Raumschiffe auch unterschiedlicher Staaten und Raumfahrtagenturen arbeiten bei Logistik und Datenübertragung zusammen; jedes neue Projekt wird ein wenig ehrgeiziger, bis hin zum Menschenflug auf die benachbarte Welt im All. An den führe kein Weg vorbei, findet der Andrew Chaikin, der in den siebziger Jahren für die NASA die ersten Mars-Sonden vom Typ Viking mitentwickelt hat.

    " Wir reden hier von einem Vorhaben, bei dem wir nicht wissen, was wir finden werden. Bei Entdeckungen gibt es keinen Ersatz für die Möglichkeiten des menschlichen Geistes und die Kraft menschlicher Hände. Wir gehen nicht morgen zum Mars. Es wird vorher eine Menge automatischer Vorläufer-Missionen mit Robotern geben. Und dann, wenn man alles ausgeschöpft hat, was mit Maschinen möglich ist, werden wir Menschen ins Spiel bringen, und die Möglichkeiten werden sich noch einmal erweitern. Es wird niemals einen Ersatz für eine menschliche Stimme geben, die uns von einer Stelle im All erreicht, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat."

    Es besteht also Grund zur Hoffnung - nicht nur für Kosmologen und Astrobiologen. Während diese auf die ersten Spuren von Leben außerhalb der Erde hoffen, geben sich Hobby-Mineralogen und Steinchensammler wie Ewa Eger schon mit weniger zufrieden. Sie möchten einfach nur wissen, ob das, was sie auf Edelsteinmessen verkaufen und tauschen, wirklich das ist, was es vorgibt zu sein: Steine aus einer anderen Welt.

    " Das ähnelt sehr einem irdischen Gestein. Die meisten würden das noch nicht mal als Meteorit identifizieren. Selbst Geologen oder Mineralogen."

    Mars-Meteoriten sind äußerlich wenig spektakulär, fallen optisch meistens gar nicht auf. Deswegen stammen die meisten Funden von den Polen oder vom Äquator: Auf ewigem Eis oder auf Sand stechen die rostbraune Steine eher ins Auge. Doch wenn die ersten bestätigten Proben auf der Erde eingetroffen sein werden, dürfte diese mühselige Suche vorbei sein.

    " Wahrscheinlich wird's auch in anderen Erdteilen Mars-Meteorite geben, aber wenn man in Wüstenregionen sucht, da findet man Sachen, die teilweise 100 000 Jahre konserviert sind. Oder in der Antarktis oder 'was. Da hat man ja Leben gefunden angeblich. Dann hat man's wieder revidiert. Das war kontaminiert, in der Maschine oder 'was. Da ist man nicht sicher. Aber wahrscheinlich wird's noch viel, viel mehr geben, wenn jetzt diese Mars-Geschichte mit den Sonden ... was die hervorbringen. Das wir dann sicherer sein."