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Einmal pusten, bitte

Biologie. - Die Untersuchung von Wildtieren hat ihre Tücken, denn die Untersuchungsobjekte wollen oft nicht so wie die Wissenschaftler. Besonders heikel ist die Gewinnung von Hautproben von Meeresbewohnern, denn dazu verwendet man in der Regel Pfeile. Den Tieren passiert beim Beschuss normalerweise nichts, trotzdem ist die Methode besonders unter Tierschützern umstritten. US-Biologen haben jetzt DNA-Proben aus dem Atem von Delfinen gewonnen.

Von Marieke Degen |
    Janet Mann ist Biologin an der Georgetown Universität in Washington. Seit 23 Jahren studiert sie das Verhalten von Delfinen, zur Zeit in der Shark Bay an der Westküste von Australien. Vom Boot aus kann sie beobachten, wie Delfinweibchen ihre Kälber säugen, wie sie miteinander spielen oder wie Männchen aufeinander losgehen. Doch für viele wissenschaftliche Fragen reichen solche Beobachtungen nicht aus.

    "Es ist sehr wichtig, das Erbgut von Wildtieren zu untersuchen. Mit Hilfe von DNA-Proben können wir verstehen, wie stabil die Population ist, wie groß die genetische Vielfalt innerhalb der Gruppe ist. Wenn die genetische Vielfalt zu niedrig ist, dann könnte die Population gefährdet sein."

    Für eine DNA-Probe brauchen die Forscher ein kleines Stückchen Gewebe. Normalerweise machen sie dafür eine Dart-Biopsie. Mit einer Armbrust schießen sie den Tieren einen speziellen Pfeil in die Flanke. Mann:

    "An der Pfeilspitze bleibt eine kleine Hautprobe stecken. Der Pfeil fällt dann ab und kann wird wieder aus dem Wasser gesammelt. Man muss bei der Dart-Biopsie sehr vorsichtig und sehr erfahren sein. Eigentlich ist die Methode sicher, aber sie hat eben auch ihre Grenzen. Jungtiere kann man zum Beispiel nicht beschießen, weil sie sich zu schnell bewegen und das Risiko viel höher ist, sie zu verletzten."

    Vor ein paar Jahren ist ein Delfin bei so einer Aktion sogar ums Leben gekommen. Janet Mann und ihre Kollegen haben deshalb nach einer Alternative gesucht.

    "Wenn wir für die DNA nur den Blas von den Tieren sammeln, dann kann wirklich nichts schief gehen."

    Wenn Delfine auftauchen, atmen sie kräftig durch ihr Blasloch aus. Sehr kräftig, sie können bis zu 70 Liter pro Sekunde herauspusten. Der Blas – so heißt diese Fontäne – enthält immer auch ein bisschen Salzwasser, und ein bisschen Flüssigkeit aus der Lunge und der Nase. Diese Flüssigkeit wiederum enthält abgestorbene Zellen, aus denen man die DNA gewinnen könnte. Die Forscher haben die Methode erst einmal getestet, an sechs zahmen Delfinen in einem Aquarium in Baltimore. Janet Mann:

    "Wir hatten Glück, weil die Delfine schon trainiert waren. Wenn man sie leicht an die Stirn gestupst hat, dann haben sie auf Kommando ausgeatmet. Wir haben dann nur noch die Reagenzgläser über ihr Blasloch gehalten. Das wichtigste war: Wir mussten sichergehen, dass die DNA aus dem Atemloch tatsächlich von den Delfinen stammt. Dass die Proben nicht mit anderen Zellen aus dem Wasser verunreinigt waren."

    Janet Mann hat die DNA aus dem Blas analysiert und sie anschließend mit der DNA aus dem Blut der Delfine verglichen. Die Proben haben immer übereingestimmt. Doch wie soll die Methode in freier Wildbahn funktionieren - wo die Tiere weiter weg sind, und nicht auf Kommando ausatmen?

    "Man braucht eine lange Stange mit einer Petrischale am Ende. Wenn die Delfine auftauchen und ausatmen, hält man ihnen die Petrischale dann über das Blasloch. Natürlich nicht so dicht, etwa in 1,5 Metern Höhe."

    Janet Mann und ihre Kollegen haben die neue Methode auch schon in der australischen Shark Bay ausprobiert. Das ganze habe gut funktioniert.

    "Glücklicherweise ist das Wasser dort sehr klar. Wir können schon vorher sehen, wo die Tiere auftauchen. Die Delfine reiten außerdem sehr gerne auf den Bugwellen unseres Bootes. Es kommt oft vor, dass sie uns dabei ihren Blas mitten ins Gesicht spritzen."

    Die Methode könnte auch bei anderen Meeressäugern zum Einsatz kommen, sagt Janet Mann.

    "Sicherlich bei Walen, die haben schließlich einen gigantischen Blas. Nur müsste die Stange dafür auch ein ganzes Stück länger sein."