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Einmal pusten bitte!

Medizintechnik. – Blut, Urin, Kot, Speichel: Für die Diagnose greifen die Ärzte auf zahlreiche Absonderungen des Körpers zurück. Als jüngstes kommt jetzt die Atemluft hinzu, und hier ist die Probennahme ausgesprochen unkompliziert: Einfach pusten, wie beim Alkoholtest.

Von Hellmuth Nordwig |
    Eine patientenfreundlichere Diagnose gibt es kaum: Hier muss man kein Blut abgeben, keinen Urin und eine Stuhlprobe schon gar nicht.

    "Das Einzige, was man tun muss, ist reinblasen. Damit haben wir eine Probe genommen","

    sagt Frank Jäger und schraubt ein fingerlanges Plastikröhrchen zu. Das stellt der Physiker von der Bremer Firma Wagner Analysen Technik in ein Gerät, das entfernt an eine Mikrowelle erinnert – abgesehen vom Metallgestell, in dem noch mehr Röhrchen mit Atemgas stecken. Kohlendioxid ist ein Bestandteil des Ausatems, und den darin enthaltenen Kohlenstoff gibt es in zwei Varianten. In welchem Mengenverhältnis sie vorliegen, das gibt über den Gesundheitszustand Auskunft. Diese Methode hat sich bereits bewährt. Man kann damit zurzeit feststellen, ob jemand das Magenbakterium Helicobacter pylori in sich trägt. Jäger:

    ""Dann hat man aber erkannt, dass noch viel mehr Körperfunktionen damit gemessen und Krankheiten damit diagnostiziert werden können. Eine wichtige Anwendung ist ein Lebertest. Da gibt es verschiedene Substrate, mit denen man das testen kann: Aminopyrin oder Methacetin. Je nach Substrat wird ein anderer Teil des Stoffwechsels der Leber angeschaut. Und wir messen mehrere Atemproben zu mehreren Zeiten."

    Die erwähnten Substrate sind ungiftige Chemikalien, die der Proband vor dem Test einnimmt. In der Leber werden diese Stoffe normalerweise abgebaut, und dabei entsteht Kohlendioxid, das ausgeatmet wird. Für den Test wurde die Substanz mit einer seltenen Variante von Kohlenstoffatomen angereichert, dem so genannten C-13. Viel C-13 in der Ausatemluft spricht also dafür, dass die Leber die Substrate gut umsetzt und dass das Organ in Ordnung ist. Auch die Beweglichkeit von Magen und Darm untersuchen Ärzte neuerdings an Hand des Atems. Jäger:

    "Da gibt es einen Test, der die Magenentleerung charakterisiert – sowohl bei festem als auch bei flüssigem Inhalt. Das ist wichtig für Patienten, die in der Intensivmedizin behandelt werden. Wenn da noch eine Beweglichkeit da ist, kann man den Patienten Nahrungsmittel verabreichen und muss sie nicht künstlich ernähren."

    Untersucht werden die Atemproben in einem so genannten Infrarot-Spektrometer. Es besteht aus einer Wärmelampe, die für uns unsichtbares, infrarotes Licht aussendet, und einem Detektor. Er kann die Varianten des Kohlenstoffs unterscheiden, weil sie sozusagen etwas unterschiedliche Farben haben. Für manche Diagnosen ist das aber nicht exakt genug. Hier könnte ein Verfahren helfen, das die Hamburger Firma PAS-Tech in Kürze auf den Markt bringen will. Es benutzt keine Infrarotlampe, sondern misst die Farbe des Atemgases stattdessen mit einem Laserstrahl. Geschäftsführer Christian Wetzel:

    "Dieser Laser ist in der Lage, das Gas genauer zu bestimmen und die Konzentration verbessert zu ermitteln und damit einen besseren diagnostischen Wert zu erzielen."

    Laser in anderen Wellenlängenbereichen ermöglichen zudem die Messung von weiteren Gasen in der Ausatemluft. Auch sie verraten viel über den Gesundheitszustand. Wetzel:

    "Stickstoffmonoxid wird untersucht, um Asthmadiagnostik zu betreiben. Auch das gibt es schon am Markt mit einem elektrochemischen Verfahren. Und ein weiterer Punkt, da wird es wirklich interessant, ist die Krebsdiagnostik. Da gibt es so genannte volatile Komponenten – was auch immer das bedeuten mag, die man mit verschiedenen Verfahren nachweisen kann. In den USA gibt es schon eine Klinik, die da Forschung betreibt. Das steht vielleicht schon am weitesten am Horizont."

    Eines ist sicher: Immer häufiger wird es in der Arztpraxis heißen "Einmal pusten bitte!"