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Einparkhilfe für Brummis

Technik. - Selbst erfahrenen Auto- und Lastwagenfahrern fällt es oft schwer, mit einem Anhänger rückwärts zu fahren, geschweige denn rückwärts einzuparken. Koblenzer Forscher entwickeln dafür eine rückwärtige Sehhilfe mit Sinn für die dritte Dimension.

Von Yvonne Müther | 24.04.2007
    Uwe Berg sitzt in einem nachgebauten Lkw-Cockpit. Auf einer großen Leinwand vor ihm ist ein dreidimensionaler Speditionshof erkennbar. Bildschirme auf Kopfhöhe rechts und links simulieren die für einen Laster typischen großwinkligen Rückspiegel. Rechts neben dem Lenkrad ist ein Display, auf dem farbige Linien zu sehen sind.

    "Also ich schalte jetzt den Rückwärtsgang ein und dann wird auch direkt die optische Lenkassistenz eingeschaltet. Mit Hilfe der optischen Lenkassistenz werden zwei Fahrkurven dargestellt. Die eine Fahrkurve beschreibt den Weg, den das Gespann nimmt und die zweite Fahrkurve beschreibt den Weg, den der Anhänger auf den nächsten 20 Metern fahren wird."

    Die Schwierigkeit beim Rückwärtsfahren: Der Hänger bewegt sich immer in entgegen gesetzter Richtung zum Zugfahrzeug. Diplom-Informatiker Uwe Berg verfolgt beim Einparken deshalb die grüne Linie des Lenk-Assistenten besonders genau. Sie ist die Ziellinie: Wo sie endet, kommt auch die Zugmaschine mit dem Anhänger zum Stehen. Jede Lenkbewegung von Uwe Berg rechnet das System sofort um und korrigiert die grüne Ziellinie dementsprechend. Ziel des Lenkassistenten ist es, möglichst beide Linien in Einklang zu bringen. Gleichzeitig zeigt das rückwärtige Kamerabild auch alles, was sich hinter dem Laster abspielt. Uwe Berg manövriert seinen virtuellen 40-Tonner auf diese Weise passgenau vor eine Rampe. In der Simulation soll sogar das Körpergefühl des Fahrers stimmen, sagt Projektleiter Professor Dieter Zöbel.

    "Es gibt den Spruch, der Lkw-Fahrer fährt mit dem Hintern, und dieses Gefühl, dass das fahrende Fahrzeug eine gewisse Vibration ausübt, können wir mit dem Ton in der Nähe des Sitzes erreichen. Die tiefsten Töne werden dort herausgebracht, in der Nähe des Sitzes, damit das Fahrgefühl, das ein Lkw-Fahrer hat, dass er das auch spürt."

    Zöbel erforscht seit Jahren das autonome Fahren, also das Fahren fast ganz ohne Menschenhand. Dabei fiel ihm auf, dass besonders das Rückwärtsfahren mit einer visuellen Hilfe schnell viel leichter werden könnte.

    "Unsere Aufgabe besteht darin, geeignete Fahrer-Assistenz-Systeme für unterschiedliche Anwendungszwecke zu entwickeln. Zum Beispiel für Pkw mit Caravan auf der einen Seite oder wenn ein Lkw-Fahrer mit seinem Schwertransporter um die Ecke fahren will. Für beides, und das ist die Stärke unserer Software-Architektur, können wir in demselben Simulator Unterstützungssysteme entwickeln."

    Dabei setzen die Forscher nicht nur auf das Visuelle, sondern testen auch eine haptische Komponente. Dazu haben sie ein Lkw-Modellfahrzeug im Maßstab eins zu 16 an ein echtes Lenkrad angeschlossen. Auf dieses Lenkrad wird eine Kraft gegeben, so dass der Fahrer merkt, wann er in welche Richtung lenken muss – Fahren durch Fühlen also.

    "Eine Lösung unseres Fahrer-Assistenz-Systems sieht so aus, dass über eine Kraft, die auf das Lenkrad gegeben wird, dem Fahrer angezeigt wird, wohin er lenken muss, damit der Anhänger stabil in einem gleichen Winkel beim Rückwärtsfahren zum Fahrzeug bleibt. Das heißt, er bricht nicht mehr aus. Und damit ist die Gefahr, dass das Fahrzeug irgendwo mit dem Anhänger zusammenstößt, von vornherein gebannt."

    Das heißt: Es kann nicht mehr passieren, dass sich der Winkel zwischen Anhänger und Zugfahrzeug so stark verkleinert, dass beide schließlich verkeilen und gar nicht mehr vom Fleck kommen. Vor allem bei der Elektronik standen die Wissenschaftler vor einer großen Hürde. Allein ein Jahr haben sie an Sensoren gebastelt, die vom Lenkrad automatisch den Lenkwinkel und Einknickwinkel erfassen, also den Winkel zwischen Längsachse des Zugfahrzeugs und Anhänger. Heute hat der Lenk-Simulator sogar schon einen Praxistest hinter sich. Ein alter Golf wurde mit der aufwändigen Sensorik aufgepeppt. Studenten, Fernfahrer und Fahrlehrer traten auf dem Campus zum Einpark-Duell an, erzählt Uwe Berg:

    "Wir haben sehr gut abgeschnitten mit unserem System, insbesondere bei den Fahrern, die die geringsten Fahrerfahrungen haben - überraschenderweise. Eine Studentin haben wir auf das Fahrzeug losgelassen, die noch nie Schaltgetriebe gefahren ist, keine Anhänger-Erfahrung hatte und große Probleme hat, ihren Pkw in eine Parklücke zu fahren. Mit Hilfe unseres Assistenz-Systems war sie sogar in der Lage, das Gespann rückwärts in eine Parklücke einzuparken, und zwar perfekt."