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Eins bedingt das andere

Die Natur hat in einer Marktwirtschaft ein Problem. Sie hat in der Regel keinen Preis. Zwar bezieht das Statistische Bundesamt die Kosten für Umweltschäden in manche Berechnungen ein. Es fehlt aber noch die große Kosten-Nutzen-Rechnung für die Artenvielfalt. Dabei verstärken Klimaerwärmung und Artensterben einander, warnt der Naturschutzbund Deutschland NABU.

Von Dieter Nürnberger |
    Die Zusammenhänge sind für die Experten, die derzeit in Berlin Strategien für den Erhalt der Biodiversität erarbeiten wollen, recht eindeutig. Zum einen verdrängt der Klimawandel schon heute Arten auf dieser Welt, zum anderen leisten noch intakte Ökosysteme einen bedeutenden Beitrag gegen den Klimawandel. Sie schützen beispielsweise vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten und binden zudem beachtliche Mengen von Kohlendioxyd. Deswegen gilt hier auf der Fachtagung des Naturschutzbundes Deutschland auch die Formel " Naturschutz ist Klimaschutz".

    Für Deutschland geht man davon aus, dass rund 30 Prozent der hier vorkommenden Tier und Pflanzenarten bis zum Ende des Jahrhunderts vom Aussterben bedroht sein könnten. Diese Prognose stellt Horst Korn vom Bundesamt für Naturschutz. Er blickt aber auch auf internationale Entwicklungen:

    "Die am meisten gefährdeten Arten sind die, die einem Klimawandel nicht ausweichen können. Es gibt beispielsweise auf dem Brocken im Harz die Brockenanemone. Die sitzt auf den obersten 50 Metern - die kann nicht mehr höher. Das ist ein Paradebeispiel für Deutschland. Wir kriegen aber auch gewaltige Probleme in Australien. Die höchsten Berge dort sind bis zu 1.700 Meter hoch und da sitzen viele Arten, Arten, die nur ein begrenztes Verbreitungsgebiet haben. Und hier gibt es schon dramatische Szenarien. Es sind auch schon Arten ausgestorben."

    Und wenn einzelne Arten in einem Ökosystem aussterben, dann, so die Experten, geraten auch wichtige Verknüpfungen durcheinander. Beispielsweise die Beziehungen zwischen der Blütenentwicklung und bestäubenden Insekten, auch zwischen Weidegängern und ihren Futterpflanzen. Alles natürliche Beziehungen, die sich in Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden eingespielt haben. Und um diese gestörten Kreisläufe zu vermeiden, sollten wichtige und sensible Lebensräume geschützt werden, sagt der Naturschutzbund. Präsident Olaf Tschimpke spricht davon, dass es durchaus Programme dazu gäbe, aber es scheitere oft an der Umsetzung:

    "Für mich ist sehr entscheidend, dass wir einen vernünftigen Biotopverbund in Deutschland hinbekommen. Darüber reden wir schon seit vielen Jahren. Es besteht aber die große Sorge, dass im Rahmen des Umweltgesetzbuches gewisse Länder versuchen werden, davon abzuweichen. Da ist wirklich Reden und Handeln sehr weit auseinander. Da muss man gegenwärtig vor allem Hessen und Niedersachsen kritisieren. Man kann nicht akzeptieren, was da innerhalb des Programms Natura 2000 läuft, das ist ein Skandal. Wir haben hier zum ersten Mal ein Netzwerk und wir reden über internationale Schutzgebietskonzepte. Wenn wir das hier in Deutschland nicht hinkriegen, dann brauchen wir auch nicht bei der internationalen UN-Naturschutzkonferenz so groß auftreten."

    Somit engagiert sich der Naturschutzbund Deutschland auch dafür, dass aktiver Naturschutz ein fester Bestandteil jeder Klimaschutzstrategie werden sollte.

    Deutlich wird mehr und mehr, dass in der Natur manchmal jeder Ausweg versperrt ist, um den Klimawandel zu entkommen. Im besten Fall können Arten, die auf kühleres Klima angewiesen sind, weiter nördlich ziehen oder auch im höheren Gebirge heimisch werden. Aber: Das sei nicht immer der Fall, sagt Horst Korn vom Bundesamt für Naturschutz:

    "Die Kap-Provinz in Südafrika mit ihrer unglaublichen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten ist so ein Fall. Hier kann man nicht weiter wandern - da ist das Meer und dann ist es aus."

    Und leider seien viele Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland und auch in vielen Ländern der Erde bereits sichtbar. Die Niederschlagsmengen hätten sich längst in vielen Regionen verändert, und sehr viele Organismen würden bereits ihre Verbreitungsgebiete und auch ihre Lebensweisen ändern.