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Einsam in Europa

Wenn in diesen Tagen die ersten Spiele der Bundesliga ausgetragen werden, haben einige Spieler im Kader ihr Traumziel erreicht: als Profifußballer Geld verdienen. Auch viele afrikanische Spieler sind dabei. In ihren Heimatländern werden sie als Helden angesehen.

Von Nadine Lindner |
    Trainingsende beim 1. FC Köln. Die Fans warten am Platz, sie hoffen auf Autogramme- auch von Wilfried Sanou. Der Stürmer kommt aus Burkina Faso - seit 2008 ist er dabei. Sanou ist einer von rund 50 Spielern aus Afrika, die in der ersten und zweiten Liga aktiv sind. Heute ist er 25 Jahre alt, eine Sportlerkarriere, die vor fast 20 Jahren begann:

    "Es war nicht einfach. Ich habe auf der Straße angefangen zu spielen. Mit zwölf wurde ich in einem Wettbewerb einem unter 6000 Jungen entdeckt."

    Später nimmt ihn eine Fußballschule in der burkinischen Hauptstadt Ougadougou auf. Er ist gerade siebzehn, als er 2001 bei WSG Wattens unterschreibt, einem Regionalligisten in Österreich, bevor er nach Freiburg geht.

    Sanous Karriere ist typisch für Spieler aus Afrika, die in Europa Fuß fassen wollen, sagt Raffaele Poli: Sie sind jung und haben wenig Spielerfahrung. Der Sozialgeograf arbeitet am internationalen Zentrum für Sportstudien an der Universität in Lausanne. Eine Einrichtung, die auch von der Fifa getragen wird. Er hat die Migrationswege von Profifußballern europaweit untersucht und kommt zu dem Schluss, dass afrikanische Spieler nicht nur sportlich, sondern auch finanziell schlechter gestellt sind. Sie würden leicht zu wirtschaftlichen Spekulationsobjekten der Vereine, sagt Poli. Wenn sie die gewünschte Leistung nicht erbringen, werden sie weiterverkauft. Doch der Weg nach Europa sei oft alternativlos:

    "Es gibt in Afrika keine professionellen Ligen. Das heißt, die Spieler müssen ins Ausland gehen. Sie sind oft sehr jung, deshalb bezahlen die Klubs weniger."

    Auch wenn der internationale Transfermarkt und das Geflecht aus Spielervermittlern wenig transparent sind, lassen sich einige Anknüpfungspunkte identifizieren: Das sind zum einen die internationalen Turniere wie die U17-Afrikameisterschaften, die von Scouts aus Europa besucht werden. Hinzu kommen Fußballpartnerschaften mit größeren Klubs sowie die Vermittlungsarbeit von Fußballschulen in afrikanischen Hauptstädten.

    Eine zunehmend wichtige Rolle im internationalen Handel mit Fußballern nimmt dabei Südafrika ein. Das Land am Kap wird zum Brückenkopf, da es über eine professionelle Liga mit großer Medienpräsenz verfügt, sagt die Migrations-Forscherin Scarlett Cornelissen von der Universität Stellenbosch in Südafrika. Allerdings sieht sie auch die negativen Auswirkungen der Transfergeschäfte nach Europa:

    "Das lässt keine gute Basis für den Fußball in Afrika. Wenn die besten Sportler gehen, kann man das fast einen Muskelschwund nennen."

    Die Weltmeisterschaft in Südafrika im kommenden Jahr wird diesen Effekt des speziellen Muskelschwundes ihrer Meinung nach noch verstärken.

    Für die Spieler, die es nach Europa schaffen, sind neben der Premier League, vor allem die Bundesliga sowie die Ligen in Spanien, Italien und Frankreich interessant. Auch Belgien gilt als Drehscheibe. Doch meist können sie nicht direkt in die großen Ligen einsteigen und spielen mehrere Jahre in Skandinavien oder Osteuropa. Einige Spieler gehen sogar nach Thailand oder Kambodscha.

    Viele Jugendliche hätten in ihren Heimatländern schlicht keine anderen Perspektiven. Deshalb werde Fußball als Möglichkeit zum sozialen Aufstieg angesehen, so Cornelissen. Lieber vierte Liga in Europa als in Afrika bleiben, dieses Fazit zieht Wilfried Sanou:

    "In Europa Fußball zu spielen, ist besser als in Afrika. Dort gibt es keine Infrastruktur, kein Geld. Auch wenn es in Europa nur die dritte oder vierte Liga ist, ist es immer besser, als dort."

    Auf eben ein solches Sportlerleben in den unteren Ligen blickt Babacar N'Diaye. Der 36-jährige kam 1994 aus dem Senegal nach Deutschland, um für Solingen in der Landes- und Oberliga zu spielen. Bei ihm folgen über zehn weitere deutsche Klubs - von der Zweiten Bundesliga bis zur Regionalliga. Auch wenn er in Deutschland bleiben will, hatte er am Anfang große Schwierigkeiten:

    "Ich hatte ja Probleme am Anfang, weil ich die Sprache nicht beherrscht hab. Deswegen war meine Leistung nicht gut. Weil wie ich immer spielen wollte, ich konnte mich auch mit den Spielern nicht verständigen. Genauso auch mit dem Trainer."

    Sprachschwierigkeiten, Einsamkeit, Rassismus und großer sportlicher Erfolgsdruck - mit diesen Problemen sehen sich viele afrikanische Spieler in Deutschland konfrontiert, sagt Ulf Baranowsky von der Spielergewerkschaft VDV:

    "Es ist so, dass die Spieler zunächst alleine nach Deutschland kommen und dann alleine in ihren Wohnungen sitzen. Heimweh spielt da eine große Rolle. Die Frage, wie geht es der Familie, wie kann ich die Familie von Deutschland aus unterstützen. Häufig erwarten die Familien auch große finanzielle Unterstützung."

    Einige der Spieler haben so nach dem Ende ihrer Fußball-Karriere mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, sagt Baranowsky.

    Das bestätigt auch Wilfried Sanou, die Familien sei groß, ihre Lage oft schwierig. Die Hilfe sei deshalb überlebenswichtig. In der ersten Bundesliga verdient er gutes Geld. Es nur für sich anzulegen, sei undenkbar. Es wird von ihm erwartet, zu teilen.