Archiv


Einsames Schnabeltier

Biologie. - Über Millionen von Jahren haben sich in Australien Säugetiere entwickelt, die nirgendwo sonst auf der Welt leben. Eins von ihnen ist das mangels naher Verwandter im Tierreich, ausgesprochen einsame Schnabeltier.

Von Monika Seynsche |
    Die Straße im Hinterland von Hobart quert einen schmalen, fast trocken gefallenen Fluss. Das Wasser ist schlammig braun. Vom Ufer aus ragen Äste und Baumstämme hinein. Nick Mooney deutet auf einen davon, etwa 5 Meter entfernt.

    "There is a burrow up under there, see? Up under the logs maybe too it is the sort of place they like…"

    Dort unter dem Stamm sei ein Erdbau, sagt der Wildtierbiologe vom tasmanischen Umweltamt. Solche Orte liebten die Tiere. Ein Schnabeltier selbst allerdings lässt sich an diesem Vormittag nicht blicken. Einige Hundert Kilometer weiter westlich hatte sein Kollege Nick Gust mehr Glück. Anderthalb Tage lang fischte er Schnabeltiere aus den Flüssen im Westen der australischen Insel, bevor schlechtes Wetter ihn wieder in sein Büro in Hobart trieb.
    "It is really quite a bizarre creature."

    Das Schnabeltier sei eine wirklich bizarre Kreatur. Ein eierlegendes Säugetier, das sich diese seltsame Nische der Evolution nur mit dem Ameisenigel teilt. Von letzterem gibt es immerhin vier verschiedene Arten, die in Australien und Neuguinea vorkommen. Das Schnabeltier aber ist ganz allein. Gust:

    "Schnabeltiere sind auch dadurch einzigartig, dass sie, ähnlich wie Haie, in der Lage sind, elektrische Felder in ihrer Umgebung wahrzunehmen. Das hilft ihnen bei der Suche nach Nahrung und beim Navigieren unter Wasser. Außerdem tragen die Männchen Giftsporne an den Hinterbeinen, mit denen sie sich verteidigen."

    Die Tiere sehen aus wie kleine Biber mit Entenschnäbeln. Und sie führen ein Dasein, das sich weitgehend im Verborgenen abspielt. Nick Gust:

    "Wir wissen weder, wie viele Tiere genau in einem einzelnen Fluss leben, noch wie viele es in einem Bundesstaat oder gar in ganz Australien sind. Je größer der Maßstab, desto größer wird auch die Unsicherheit."

    Die Forscher fangen zwar immer wieder einzelne Tiere, aber viel zu wenige, um auf die Größe der Populationen schließen zu können. Immerhin wüssten sie, dass eine Krankheit den Tieren zu schaffen mache, sagt Niall Stewart von der Medizinischen Fakultät der Universität von Tasmanien.

    "Die Krankheit wurde das erste Mal 1986 von einem Tierarzt in Tasmanien beschrieben. Er war mit seinen Hunden spazieren, als er einige sehr krank und traurig aussehende Schnabeltiere entdeckte, mit großen Geschwüren auf dem Rücken und dem Schwanz. Erst acht Jahre später haben wir herausgefunden, dass diese Krankheit von einem Pilz ausgelöst wird, der normalerweise Amphibien befällt."

    Die Geschwüre werden mit der Zeit immer größer und gerade im Wasser verlieren die Schnabeltiere viel Wärme über die offenen Wunden. Einige von ihnen leben trotz der Krankheit mehrere Jahre. Aber viele sterben. Stewart:

    "Dieser Pilz ist an Temperaturen von maximal 34 Grad angepasst. Uns Menschen und den meisten anderen Säugetieren könnte er nichts anhaben, da unsere Körpertemperatur von 36, 37 Grad ihn einfach umbringen würde. Aber Schnabeltiere sind gerade einmal 32 Grad warm, an den Beinen und am Schwanz sogar noch kälter. Das macht sie sehr anfällig für diesen Pilz."

    Der Pilz, Mucor amphibiorum, stammt vom australischen Festland und wurde wahrscheinlich irgendwann nach Tasmanien eingeschleppt. Seltsamerweise greift er nur tasmanische Schnabeltiere an, nicht aber diejenigen auf dem Festland. Trotzdem sind die Forscher hoffnungsvoll. Nick Gust:

    "Die Krankheit scheint zurückzugehen. Von den Tieren, die wir jetzt gefangen haben, waren nur drei Prozent infiziert. Bei einer ähnlichen Untersuchung in den 90ern hatten noch 35 Prozent der Tiere Geschwüre."

    Richtig glücklich ist Nick Gust ob dieser Zahlen allerdings nicht. Denn sie könnten auch darauf hindeuten, dass ein großer Teil der Population dem Pilz zum Opfer gefallen ist, und nur einige wenige resistente Schnabeltiere überlebt haben.

    Hinweis: Beiträge zum Jahr der Biodiversität wie die anderen Teile der Reihe "Die Einzigen ihrer Art" finden Sie auf unserer Spezialseite Der Rückzug der Vielfalt.