Archiv


Einschlag im All

Astronomie. - Es sind spannende Wochen für die Erforschung des Planetensystems. Europas Sonde Huygens setzt zur Landung auf dem Saturnmond Titan an, vom Saturn und vom Mars funken die irdischen Späher einzigartige Fotos - und schon schickt die Nasa die nächste spektakuläre Mission ins All: "Deep Impact", deren Ziel ein Komet ist. Ist Weltraumforschung sonst extrem friedlich, gehen die Astronomen dieses Mal reichlich rabiat vor und will den Kometen beschießen.

Von Dirk Lorenzen |
    Michael A'Hearn ist Professor für Astronomie an der Universität von Maryland und sicher einer der besten Kometenexperten weltweit. Nach Jahrzehnten reiner Beobachtung, ändert er ein wenig seine Arbeitsweise. Der Komet Tempel-1 wird damit bald einschlägige Erfahrungen machen:

    Das Geschoss hat etwa einen Meter Durchmesser und wiegt gut 350 Kilogramm.

    Und ist derzeit noch Teil der Sonde "Deep Impact", zu Deutsch: tiefer Einschlag. Der Name ist Programm - Michael A'Hearn will mit dem größtenteils aus Kupfer bestehenden Geschoss einen ordentlichen Krater in den Kometenkern reißen.

    Deep Impact soll den Kometen Tempel-1 am 4. Juli erreichen. Einen Tag vor der Ankunft am Kometen trennen sich Hauptsonde und Geschoss. Das Geschoss navigiert sich automatisch in ein vom Sonnenlicht beschienenes Gebiet auf dem etwa drei Kilometer großen Kometenkern. Die Hauptsonde fliegt etwa 500 Kilometer am Kern vorbei und sieht gespannt zu, wie das Kupfergeschoss mit 36.000 Kilometern pro Stunde einschlägt.

    Nach den Modellen wird der Krater mehr als 100 Meter groß und gut 25 Meter tief. Wenn unsere Erwartungen in etwa stimmen, dann gibt es beim Einschlag einen sehr hellen Blitz. Danach tritt für zehn bis zwanzig Sekunden sehr heißes Material aus, schließlich wird kälteres Material heraus geschleudert. Insgesamt dauert es drei bis vier Minuten, bis sich der Krater gebildet hat.

    Viel länger darf es auch nicht dauern, denn die Hauptsonde kann das Geschehen nur eine knappe Viertelstunde verfolgen - danach hat sie sich zu weit vom Kometen entfernt. Die wesentlichen Messungen spielen sich am 4. Juli alle innerhalb weniger Minuten ab. Die Hauptsonde von Deep Impact macht vor allem Fotos mit etwa vier Metern Auflösung vom Einschlag, der nachfolgenden Explosion und dem neuen Krater.
    Mit einem Spektrometer an Bord suchen wir im Eis und Gas des Kometen nach Wasser, Mineralen, Kohlendioxid oder komplexen organischen Molekülen. Mit diesen Daten und den Fotos vom Krater lernen wir viel über die Struktur und den Aufbau des Kometenkerns. Wir wollen auch wissen, ob das beim Aufprall aus dem Krater geschleuderte und dann verdampfte Material sich von dem normalen Gas unterscheidet, das der Kometenkern sonst ständig freisetzt.

    Manche Modelle sagen voraus, dass der Einschlag so viel Eis verdampfen lässt, dass der Komet dramatisch heller wird und dann sogar von der Erde aus mit bloßem Auge zu sehen wäre. Doch Kometen halten sich nur selten an Modelle. Michael A'Hearn hat viele Kometen eingehend erforscht - doch selbst für ihn sind diese Eis- und Staubklumpen noch immer extrem rätselhaft.

    Wir nehmen an, dass irgendwo tief im Kometenkern noch das ursprüngliche Eis aus der Zeit der Entstehung des Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren konserviert ist. Wie tief unter der Oberfläche dieses Eis liegt, ist umstritten. Manche sagen, es sind nur fünf Meter - andere gehen von 100 Metern aus. Klar ist nur, dass wir mit dem Einschlag älteres, also weniger verändertes Eis freilegen, das etwas über die Entwicklung der Kometen verrät. Das ganz ursprüngliche Eis würde wichtige Daten über den Entstehungsprozess des ganzen Sonnensystems liefern.

    Das bloße Betrachten der Kometen hat die Forscher in der Vergangenheit nicht sehr viel weiter gebracht. Mal sehen, ob im Juli die "experimentelle Astronomie" mehr Wissen über die Kometen und die Geschichte unserer kosmischen Heimat im wahrsten Wortsinne zu Tage fördert.