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Einschreiben wider Willen

Gegen die Gefahren, die im Netz lauern, versuchen sich viele Unternehmen nicht nur mit Information und Aufklärung zu schützen. Oft setzen die IT-Verantwortlichen lieber auf scharfe Kontrollen und restriktiven Einsatz der Internet-Mittel. Allerdings werden Kontrollinstrumente nicht nur zur Gefahrenabwehr eingesetzt. In vielen Fällen dienen sie auch dazu, Mitarbeiter und Geschäftspartner elektronisch in den Griff zu bekommen. In diese datenschutz-kritische Kategorie fallen auch einige Möglichkeiten des neuen EMail-Service "Postminder".

Pia Grund-Ludwig |
    Das US-amerikanische Unternehmen Neulevel bietet E-Mail-Benutzern einen neuen Service namens Postminder, den man im Moment für knapp 50 US-Dollar pro Jahr buchen kann: Wer damit elektronische Post verschickt, erhält automatisch eine Eingangsbestätigung vom Empfänger. Das geht auch bei anderen Mail-Services. Bei Postminder kann der Absender aber außerdem sehen, wann der Empfänger den Brief öffnete, ob er ihn kopierte und an wen er ihn weitergeleitete. Wenn der Absender nicht will, dass die Mail an einen Dritten weitergegeben wird, kann er ein Verfallsdatum eingeben: Der Empfänger kann dann den Brief öffnen und hat gerade Zeit, ihn einmal zu lesen. Sobald er eine Tastatureingabe macht, wird der Brief gelöscht. Neulevels Chefentwickler Eric Eden erklärt, wie das geht: "Unsere Lösung verwendet das Mail-Übertragungsprotokoll SMTP. Wir benutzen spezielle Software, um das Verfolgen elektronischer Post möglich zu machen. Sie zeigt uns, wann Post geöffnet oder an andere Leute weitergeleitet wird und ist Teil unseres Produkts. Postminder arbeitet mit allen Mail-Programmen auf Basis des Internet-Standard-Protokolls SMTP."

    Es werde, so Eden, jedoch keine Software auf den Rechner des Benutzers geladen, betont Eden. Man wolle E-Mail zuverlässiger machen und sie mit den gleichen Funktionen ausstatten wie einen Brief. Auch hier könne man eine Bestätigung anfordern, dass ein Empfänger den Brief erhalten habe, oder sich bei einem Paketdienst über den Verbleib eines Paketes informieren lassen. Das hört sich eigentlich ganz vernünftig an, aber Edens Vergleiche hinken. So lässt sich etwa bei einem Einschreibebrief nur beweisen, dass ein bestimmter Empfänger einen Brief erhalten hat. Das Verfahren von Postminder will aber nicht nur belegen, dass Person A einen Brief gelesen hat, sondern auch, dass sie ihn anschließend für Person B kopiert hat. Auch die Analogie zur Sendungsverfolgung bei einem Paketdienst ist nicht schlüssig. Schließlich bescheinigen die Paketdienste nur, dass sie ein Päckchen abgegeben haben. Was der Empfänger dann damit macht, interessiert sie indes nicht mehr. Postminder zeigt aber nicht nur, dass ein Paket an der Haustüre abgegeben wurde, sondern auch, ob es geöffnet oder weitergereicht worden ist.

    So viel Information über einen Mail-Benutzer ist Thilo Weichert vom unabhängigen Zentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein suspekt. Er bezeichnet ein solches Verfahren als Eingriff in die Datenhoheit des Empfängers, der unzulässig ist. Die Betreiber versprechen zwar, das Produkt europäischen Rechtsnormen anzupassen, aber Datenschützer Weichert hat Zweifel, ob das geht: "Ich mir nicht vorstellen, dass Postminder eine Zulassung für Europa bekommen wird, weil die europäische Datenschutzrichtlinie vorsieht, dass das Telekommunikationsgeheimnis und das Recht auf Datenschutz nicht nur für den Absender gilt, sondern auch für den Empfänger, und das wird hier mit Füßen getreten. Die Datenhoheit des Empfängers wird hier absolut ignoriert und das ist mit europäischen Rechtsstandards nicht zu vereinbaren."

    Neulevel wirbt für den Service auch mit dem Argument der Anwenderfreundlichkeit, da der Absender endlich wisse, ob eine Mail angekommen ist. Dazu Neulevels Europachefin Jenny Marie Idler: "Es ist eine Bescheinigung, dass eine Mail, die Sie abgeschickt haben, auch angekommen ist. Sie erfahren, dass ihre Mail gelesen wurde und wie lange sie geöffnet worden ist." Man könne damit außerdem sehen, so Idler weiter, ob ein bestimmter Empfänger eine bestimmte Mail erhalten und gelesen habe. Datenschützer Weichert hält gerade das für fraglich: "Es ist insofern unsicher, als auch der Absender nicht präzise wissen kann, ob tatsächlich das Öffnen einer Mail von dem Betroffenen, also vom Empfänger verfolgt. E-Mails sind Postkarten, die sind überall abfangbar, mitlesbar, so dass sich ein Dritter in die Kommunikation einschleichen kann und durch das Abrufen und Zurücksender der Eindruck vermittelt werden kann, der tatsächliche Empfänger zu sein. Gewonnen hat mit diesem System nach meinem Eindruck niemand, auf jeden Fall nicht der Empfänger, aber auch nicht der Absender. Er hat keine gerichtsverwertbaren Unterlagen, die er unter Umständen in Verfahren werden könnte."

    Es kann sein, dass auch deutsche Benutzer bald vor der Frage stehen, wie sie mit Mail umgehen, die von einem Postminder-Benutzer kommt. Neulevel verhandelt derzeit nach eigenen Angaben mit großen Mail-Anbietern in Deutschland. Weicherts Rat: Die Benutzer sollte sich Mail-Clients zulegen, die solche Art elektronischer Post abwehren: "Ich wäre äußerst unzufrieden, wenn mein Mail-System solche E-Mails durchlassen würde, wie sie vorgesehen sind mit Postminder zu verschicken."