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Einsichten in den Krieg

Der Erfahrungsbericht eines dänischen Soldaten im Afghanistankrieg sorgt in Dänemark für eine neue Debatte über den Einsatz. Die Militärführung fürchtete, dass Kriegsrelevantes durch das Buch bekannt würde, und versuchte, die Veröffentlichung zu stoppen.

Von Marc-Christoph Wagner | 17.09.2009
    Die Wogen schlugen hoch, die Gemüter waren erhitzt. Sonst verhaltene Herren fielen sich ins Wort. Dienstagabend, dänisches Fernsehen: Gerade war bekannt geworden, die Tageszeitung "Politiken" würde am darauffolgenden Tag ein Buch abdrucken, dessen Veröffentlichung die Militärführung zu verhindern suchte, denn, so Kommunikationschef Lars Sønderskov:

    "Wir machen ja keinen Spaß, wenn wir sagen, der Inhalt des Buches ist eine Gefahr für die Sicherheit des Königreiches und beeinträchtigt unserer Verhältnis zu anderen Staaten. Natürlich kann ich keine Details nennen, aber der Leser erhält ein sehr detailliertes Bild, wie unsere Soldaten und Spezialeinheiten in Afghanistan operieren und wie wir mit unseren Verbündeten zusammenarbeiten."

    Eine Darstellung, die der Nachrichtenchef von "Politiken", Anders Krab-Johansen, nicht gelten lassen wollte. Der Inhalt des Buches sei in diversen Medien des Landes bereits besprochen worden. Rezensenten würden über Besprechungsexemplare verfügen. Teile, ja sogar das ganze Buch, kursierten im Internet:

    "Die Militärführung setzt normale demokratische Spielregeln außer Kraft, zu denen auch die Meinungsfreiheit gehört. Wahrscheinlich haben sie einfach Angst davor, dass die Kritik lauter wird, wenn der gemeine Bürger mitbekommt, was in Afghanistan und anderswo eigentlich passiert."

    Der Vorabdruck - aus verlegerischer Sicht war er ein voller Erfolg. Binnen einer Dreiviertelstunde habe dieser Kioskbesitzer alle Exemplare der Zeitung verkauft. Noch nie zuvor habe er das erlebt. Doch was wiege schwerer: die Wahrheit über den Krieg oder die Sicherheit des Landes? Die Leser sind geteilter Meinung.
    "Meinungsfreiheit ist schön und gut. Doch die Sicherheit des Landes hat Priorität. Wenn Militär und Regierung sagen, das Buch ist eine Gefahr, sollte man auf sie hören."

    "Ich finde gut, dass die Zeitung das gemacht hat. Die Afghanistandebatte ist wichtig. Und die Militärführung hat doch seit Langem gewusst, dass das Buch erscheinen wird. Warum reagiert sie erst fünf vor zwölf?"

    Schützenhilfe erhielt die Tageszeitung auch von unerwarteter Seite - dem ehemaligen Leiter der dänischen Spezialstreitkräfte, Poul Dahl:

    "Es ist das Militär, das nicht erzählt hat, was es uns längst hätte berichten sollen, nämlich, dass wir uns inmitten eines Krieges befinden. Ihre Einstellung ist arrogant, denn im Grunde meinen sie ja: 'Wir führen Krieg, wie wir das wollen, und niemanden anders geht das etwas an.'"

    Eine Meinung, die Verteidigungsminister Søren Gade naturgemäß nicht teilt. Er kritisiert die Veröffentlichung in "Politiken" - nur einen Tag, bevor die Richter des Kopenhagener Stadtgerichts über die einstweilige Verfügung hätten entscheiden sollen.

    "Die Militärs schützen unser Land und unsere Bürger im In- und Ausland. Das ist eine enorme Verantwortung. Und wenn sie sagen, wir haben mit dem Buch ein Problem, dann sollte man zuhören und die richterliche Entscheidung abwarten."

    Andere Gründe für das hartnäckige Einschreiten der Militärführung sieht der Experte Henrik Jedig Jørgensen vom Dänischen Institut für Militärische Studien. Nicht so sehr das Buch von Thomas Rathsack sei das Problem, sondern dass es anderen Tür und Tor öffnen könnte:
    "Man möchte hier ein Exempel statuieren und die Soldaten daran erinnern, dass sie nicht nur Meinungsfreiheit haben, sondern auch Schweigepflicht. Es wird weitere Bücher dieser Art geben und die Soldaten werden konkurrieren, wer die spannendsten Sachen erzählen und den Geheimoperationen am nächsten kommen kann. Und das wäre dann in der Tat ein Risiko."