Sonntag, 24. September 1985: Um 10.00 Uhr morgens wird ein ABC Alarm in Düsseldorf ausgelöst. In Russland hat die Regierung den roten Knopf gedrückt, eine Atombombe nähert sich dem Ruhrgebiet.
Im Eiltempo jagt ein Bus mit 300 Regierungsbeamten Richtung Eifel. Das Ziel: Der Ausweichsitz der Landesregierung NRW in Urft. Ein atombombensicheres Bollwerk, das retten soll, was eigentlich nicht mehr zu retten ist.
Urft im Jahr 2009: Zusammen mit 50 anderen Touristen stehe ich auf einem kleinen Parkplatz und folge dem Szenario, das glücklicherweise niemals Wirklichkeit wurde. Genau hier, wo wir stehen, soll er nämlich sein: der Bunker der Landesregierung. Erst vor kurzem wurde er für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aber außer einem Einfamilienhaus und einer Doppelgarage sehe ich nichts. Bunkerbesitzer Klaus Röhling weiß es besser und führt uns geradewegs in eine der Garagen hinein. Eiskalte Luft schlägt uns entgegen. So langsam dämmert uns, wo wir wirklich gelandet sind.
"Raffiniert gemacht: eine getarnte Garage; alles Tarnung."
"So, sehr richtig, wir stehen hier in der Tarngarage vor dem Ausweichsitz Landesregierung. Auch, das Einfamilienhaus, was da steht - das sollte halt so aussehen wie ein Einfamilienhaus mit Garage."
Über dann geht es auch schon die Treppe hinauf. Denn der Bunker wurde hier direkt in den Hausberg hinein gebaut.
"Wenn wir oben angekommen sind, dann betreten wir oben einen atombombensicheren Bunker."
Vor uns - eine riesige Eisentür. Einfach durchgehen? Fehlanzeige. Denn diese Tür hat es richtig in sich.
"Das ist der Haupteingang des Bunkers. Keine Klinken. Sondern, man muss sich anmelden. Da drücken Sie hier den Anforderungsknopf, und dann geht in der Zentrale des Knopfs ein Telefon, und dann ruft einer und sagt: Wer ist da? Wenn Sie sagen, ich bin der Oberregierungsrat Müller. Okay, kommen Sie rein. Wenn Sie sagen, ich bin der Herr Müller, dann bleibst du draußen. Ich will damit andeuten, dass nur Leute reinkamen, überwiegend Beamte, so wie Sie, die namentlich bekannt waren, die man kannte. Und es wurde auch dreimal kontrolliert.2"
""Und wenn der Herr Meier sich als Oberregierungsrat ausgibt?"
"Dann hätte ihn der Schutzmann sofort abgefangen."
Insgesamt 300 Regierungsbeamte hätten Zugang zum Bunker gehabt; ohne Familie, ohne Freunde. Und was war mit dem Rest der Bevölkerung? Röhlings Antwort klingt wie ein schlechter Scherz.
"Für die Bevölkerung gab es hier nirgendwo Bunker. Die hätten vor der Tür gestanden und hätten nicht rein gedurft."
Sie: "Müssen wir wieder ein Loch graben, wie bei den alten Luftschutzbunkern im Krieg?"
Er: "Oh nein, Liebes! Das ist alles altmodisch. Mit modernen wissenschaftlichen Methoden nimmt man nur Türen mit Kissen und Büchern oben drauf."
"Wir sind alle Oberregierungsräte und dürfen deshalb rein."
Ob das allerdings wirklich ein Glück ist, wag ich gerade zu bezweifeln. Vor uns öffnet sich eine Dekontaminationskammer, in der wir uns jetzt eigentlich mit eiskalten Chemikalien abschrubben müssten. Aber: Klaus Röhling erspart uns die Tortur. Glück gehabt! Kaum haben wir den Bunker betreten, hält er aber eine andere Überraschung für uns parat.
"Das Führungsreferat war das Referat, das alle Entscheidungen traf und natürlich auch die Verantwortung dafür übernahm. Und Sie aus dem Innenministerium gehören zum Führungsreferat. Ihnen obliegen also alle Entscheidungen, die hier während solcher Katastrophen getroffen werden müssen."
Innenministerium? Katastrophe? Richtig. Und dann geht die Action auch schon los.
"Achtung, Achtung! Werte Kollegen. Soeben sind weitere 100 Beamten eingetroffen. Sie werden zurzeit in die Räumlichkeiten eingewiesen. Bitte die Flure freihalten. Ende der Durchsage."
Im Laufschritt steuern wir die Kommandozentrale des Bunkers an. Das Warnamt, eine bundesweite Einrichtung, die alle radioaktiven Messungen in Deutschland registriert, hat uns per Fernschreiber eine Nachricht geschickt:
"Achtung, ABC-Lage, Wadu-Form5. ABC Angriff D0012. Um 13.00 Uhr erfolgte ein Angriff mit Atomwaffen im Raum Essen, Bochum, Duisburg. Mit radioaktivem Niederschlag, Hauptabtriebsrichtung Süd, ist in folgendem Gebiet zu rechnen: Linke Begrenzung Bochum, Koblenz, rechte Begrenzung, Duisburg Trier. Radioaktiver Niederschlag wird voraussichtlich erreichen um 14.00 Uhr die Linie Düsseldorf, Remscheid, um 16.00 Uhr die Linie Köln, Bergheim, um 20.00 Uhr die Linie Bonn Aachen. Ich wiederhole: . Wadu-Form 5. ABC Angriff. Es ist jetzt 13.30 Ende."
Willkommen Apokalypse. Das flaue Gefühl im Bauch ist jetzt nicht mehr zu unterdrücken. Nur einer ist anscheinend nicht aus der Ruhe zu bringen: Klaus Röhling.
"Also, das Erste, was mir machen: Wir weisen den WDR an, alle drei Minuten die vorbereiteten Bänder abzuspielen für einen solchen Krisenfall. Und dann sagt der WDR alle paar Minuten: Begeben Sie sich in die Schutzräume, in den Keller, in die U-Bahn-Schächte, unter die Brücken. Sehen Sie zu, dass Sie möglichst viel Material über sich haben. In einer Stunde zieht eine solche Wolke über Sie hinweg."
Von wo genau der WDR diese Meldungen losgeschickt hätte, zeigt uns Klaus Röhling gleich nebenan. Vor uns öffnet sich ein komplett eingerichtetes Tonstudio.
"Der WDR war verpflichtet, dieses Tonstudio auf seine Kosten zu errichten und zu unterhalten. Und das hat der WDR auch gemacht. Mit dem Ziel, in einem Katastrophenfall seine Nachrichten von hier aus verbreiten zu können. Wenn nämlich Köln und Düsseldorf nicht mehr funktionstüchtig gewesen wären."
Bis heute ist das Studio noch einsatzbereit und: bestückt mit alten Aufnahmen, die der WDR den Regierungsbeamten gratis als Entertainment gleich da ließ.
Zurück zu den Arbeitsplätzen. Millionen Menschen warten auf unsere Hilfe. Lebensmittel, Wasser und Medikamente müssen besorgt werden. Doch das ist noch längst nicht alles. Schließlich haben wir so viel zu tun, dass wir eigentlich schon längst den Überblick verloren haben. Gut, dass das nur ein Spiel ist. Zwei Stunden später haben wir die Welt gerettet und stapfen aus dem Bunker raus. Gleich weiter zum nächsten Bunker. Denn in Ahrweiler möchte uns Jörg Diester zeigen, wo die Bundesregierung Zuflucht gefunden hätte. Bei strahlendem Sonnenschein machen wir uns auf den Weg.
Bad Neuenahr - Marienthal: Ohrenbetäubend öffnet der Regierungsbunker seine Tore. Bereits 1958 wurde die Anlage auf Wunsch von Konrad Adenauer erbaut. Der Bundeskanzler, der Bundespräsident und weitere 3000 Regierungsbeamte sollten hier eine Überlebensoase finden, wäre eine Atombombe tatsächlich auf Deutschland zugerast.
Für Jörg Diester, wissenschaftlicher Berater der Dokumentationsstätte, ist das alles andere als Spinnerei.
"Man geht hier durch ein Zeitzeugnis, das nicht zum Spaß hier rein gebaut wurde, sondern tatsächlich eine wichtige Aufgabe hatte. Das muss man sich heute immer bewusst machen, dass dieser Bunker also dafür gebaut wurde, damit man ihn irgendwann auch mal einsetzt. Man hat damals sogar gehofft, dass sich aus einer Krisensituation wieder ein Friedensfall ableiten lässt. Das heißt also: Da haut man sich gegenseitig was auf die Mütze, und dann anschließend werden die Wunden geleckt, und dann sitzt man wieder am Verhandlungstisch."
Ob der Bunker im Ernstfall auch sicher gewesen wäre, bezweifelt der 40-Jährige aber.
"Man hat also tatsächlich diese Anlage mit einer Fünf-Megatonnen-Bombe angegriffen auf dem Papier. Die ursprüngliche Annahme, welche Bombe dieser Bunker verträgt, war in etwa die Größe einer Hiroshima-Bombe. Das ist also eine 20-Kilotonnen-Bombe. Die Anlage wäre im Falle eines Volltreffers überhaupt nicht tauglich gewesen. Die Gutachten, die 200 im Archiv freigegeben wurden, haben da eine ganz einfache Regelung aus dem Innenministerium. Zitat: 'Der Feind ist nicht willens und auch nicht fähig, die Anlage mit einer solchen Waffe anzugreifen.'"
Prinzip Hoffnung. Damit man im Osten aber gar nicht erst auf die Idee kommt, eine Bombe zu zünden, wurden Berichte über den Bunkerbau gleich großzügig Richtung Stasi gestreut. Heute, 50 Jahre später, sehen auch wir endlich, wie sich die Bundesregierung das Leben nach einem Atombombenangriff vorstellte. Und das ist gar nicht mal so schlecht. Vom eigenen OP-Raum bis zum Friseursalon reicht die Ausstattung. Nur die Zimmer geben sich erstaunlich hässlich.
"Und hier das eben erwähnte schmucklose, funktionale Büro des Bundeskanzlers."
"Ah, das ist ja herrlich hier. Wie eine Jugendherberge."
Die einzige Ausnahme: Das Zimmer des Bundespräsidenten. Denn das gleicht regelrecht einer Suite. Rosa lümmeln sich ein Sofa und Sessel aus den 60er-Jahren über den Beton, poppig malt eine Lampe orange Farbe an die Decke, am anderen Ende lockt eine Badewanne zu heißen Erfahrungen. Makabre Unterhaltung verspricht der Kinoplan nebenan: mit Filmklassikern wie "nur 48 Stunden" und "War Games".
Nachdenklich und ein bisschen beklommen tauschen wir draußen unsere Eindrücke aus.
"Wenn man dann innen sieht, was da alles ausgebaut wurde, fragt man sich immer, für welchen Zweck? Denn wenn man 30 Tage in so einem Bunker gefangen war und kommt dann nach einem Atombombenangriff raus, fragt man sich: Wofür war ich eigentlich so lange da drin? Denn das Leben nach diesem Anschlag ist dann ja genauso am Ende, nicht?"
Doch eines steht fest: Mit der Öffnung der beiden Bunkeranlagen dürfte der Atomkrieg zumindest jetzt endgültig dort gelandet sein, wo wir ihn uns am liebsten anschauen: Im Museum!
Im Eiltempo jagt ein Bus mit 300 Regierungsbeamten Richtung Eifel. Das Ziel: Der Ausweichsitz der Landesregierung NRW in Urft. Ein atombombensicheres Bollwerk, das retten soll, was eigentlich nicht mehr zu retten ist.
Urft im Jahr 2009: Zusammen mit 50 anderen Touristen stehe ich auf einem kleinen Parkplatz und folge dem Szenario, das glücklicherweise niemals Wirklichkeit wurde. Genau hier, wo wir stehen, soll er nämlich sein: der Bunker der Landesregierung. Erst vor kurzem wurde er für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aber außer einem Einfamilienhaus und einer Doppelgarage sehe ich nichts. Bunkerbesitzer Klaus Röhling weiß es besser und führt uns geradewegs in eine der Garagen hinein. Eiskalte Luft schlägt uns entgegen. So langsam dämmert uns, wo wir wirklich gelandet sind.
"Raffiniert gemacht: eine getarnte Garage; alles Tarnung."
"So, sehr richtig, wir stehen hier in der Tarngarage vor dem Ausweichsitz Landesregierung. Auch, das Einfamilienhaus, was da steht - das sollte halt so aussehen wie ein Einfamilienhaus mit Garage."
Über dann geht es auch schon die Treppe hinauf. Denn der Bunker wurde hier direkt in den Hausberg hinein gebaut.
"Wenn wir oben angekommen sind, dann betreten wir oben einen atombombensicheren Bunker."
Vor uns - eine riesige Eisentür. Einfach durchgehen? Fehlanzeige. Denn diese Tür hat es richtig in sich.
"Das ist der Haupteingang des Bunkers. Keine Klinken. Sondern, man muss sich anmelden. Da drücken Sie hier den Anforderungsknopf, und dann geht in der Zentrale des Knopfs ein Telefon, und dann ruft einer und sagt: Wer ist da? Wenn Sie sagen, ich bin der Oberregierungsrat Müller. Okay, kommen Sie rein. Wenn Sie sagen, ich bin der Herr Müller, dann bleibst du draußen. Ich will damit andeuten, dass nur Leute reinkamen, überwiegend Beamte, so wie Sie, die namentlich bekannt waren, die man kannte. Und es wurde auch dreimal kontrolliert.2"
""Und wenn der Herr Meier sich als Oberregierungsrat ausgibt?"
"Dann hätte ihn der Schutzmann sofort abgefangen."
Insgesamt 300 Regierungsbeamte hätten Zugang zum Bunker gehabt; ohne Familie, ohne Freunde. Und was war mit dem Rest der Bevölkerung? Röhlings Antwort klingt wie ein schlechter Scherz.
"Für die Bevölkerung gab es hier nirgendwo Bunker. Die hätten vor der Tür gestanden und hätten nicht rein gedurft."
Sie: "Müssen wir wieder ein Loch graben, wie bei den alten Luftschutzbunkern im Krieg?"
Er: "Oh nein, Liebes! Das ist alles altmodisch. Mit modernen wissenschaftlichen Methoden nimmt man nur Türen mit Kissen und Büchern oben drauf."
"Wir sind alle Oberregierungsräte und dürfen deshalb rein."
Ob das allerdings wirklich ein Glück ist, wag ich gerade zu bezweifeln. Vor uns öffnet sich eine Dekontaminationskammer, in der wir uns jetzt eigentlich mit eiskalten Chemikalien abschrubben müssten. Aber: Klaus Röhling erspart uns die Tortur. Glück gehabt! Kaum haben wir den Bunker betreten, hält er aber eine andere Überraschung für uns parat.
"Das Führungsreferat war das Referat, das alle Entscheidungen traf und natürlich auch die Verantwortung dafür übernahm. Und Sie aus dem Innenministerium gehören zum Führungsreferat. Ihnen obliegen also alle Entscheidungen, die hier während solcher Katastrophen getroffen werden müssen."
Innenministerium? Katastrophe? Richtig. Und dann geht die Action auch schon los.
"Achtung, Achtung! Werte Kollegen. Soeben sind weitere 100 Beamten eingetroffen. Sie werden zurzeit in die Räumlichkeiten eingewiesen. Bitte die Flure freihalten. Ende der Durchsage."
Im Laufschritt steuern wir die Kommandozentrale des Bunkers an. Das Warnamt, eine bundesweite Einrichtung, die alle radioaktiven Messungen in Deutschland registriert, hat uns per Fernschreiber eine Nachricht geschickt:
"Achtung, ABC-Lage, Wadu-Form5. ABC Angriff D0012. Um 13.00 Uhr erfolgte ein Angriff mit Atomwaffen im Raum Essen, Bochum, Duisburg. Mit radioaktivem Niederschlag, Hauptabtriebsrichtung Süd, ist in folgendem Gebiet zu rechnen: Linke Begrenzung Bochum, Koblenz, rechte Begrenzung, Duisburg Trier. Radioaktiver Niederschlag wird voraussichtlich erreichen um 14.00 Uhr die Linie Düsseldorf, Remscheid, um 16.00 Uhr die Linie Köln, Bergheim, um 20.00 Uhr die Linie Bonn Aachen. Ich wiederhole: . Wadu-Form 5. ABC Angriff. Es ist jetzt 13.30 Ende."
Willkommen Apokalypse. Das flaue Gefühl im Bauch ist jetzt nicht mehr zu unterdrücken. Nur einer ist anscheinend nicht aus der Ruhe zu bringen: Klaus Röhling.
"Also, das Erste, was mir machen: Wir weisen den WDR an, alle drei Minuten die vorbereiteten Bänder abzuspielen für einen solchen Krisenfall. Und dann sagt der WDR alle paar Minuten: Begeben Sie sich in die Schutzräume, in den Keller, in die U-Bahn-Schächte, unter die Brücken. Sehen Sie zu, dass Sie möglichst viel Material über sich haben. In einer Stunde zieht eine solche Wolke über Sie hinweg."
Von wo genau der WDR diese Meldungen losgeschickt hätte, zeigt uns Klaus Röhling gleich nebenan. Vor uns öffnet sich ein komplett eingerichtetes Tonstudio.
"Der WDR war verpflichtet, dieses Tonstudio auf seine Kosten zu errichten und zu unterhalten. Und das hat der WDR auch gemacht. Mit dem Ziel, in einem Katastrophenfall seine Nachrichten von hier aus verbreiten zu können. Wenn nämlich Köln und Düsseldorf nicht mehr funktionstüchtig gewesen wären."
Bis heute ist das Studio noch einsatzbereit und: bestückt mit alten Aufnahmen, die der WDR den Regierungsbeamten gratis als Entertainment gleich da ließ.
Zurück zu den Arbeitsplätzen. Millionen Menschen warten auf unsere Hilfe. Lebensmittel, Wasser und Medikamente müssen besorgt werden. Doch das ist noch längst nicht alles. Schließlich haben wir so viel zu tun, dass wir eigentlich schon längst den Überblick verloren haben. Gut, dass das nur ein Spiel ist. Zwei Stunden später haben wir die Welt gerettet und stapfen aus dem Bunker raus. Gleich weiter zum nächsten Bunker. Denn in Ahrweiler möchte uns Jörg Diester zeigen, wo die Bundesregierung Zuflucht gefunden hätte. Bei strahlendem Sonnenschein machen wir uns auf den Weg.
Bad Neuenahr - Marienthal: Ohrenbetäubend öffnet der Regierungsbunker seine Tore. Bereits 1958 wurde die Anlage auf Wunsch von Konrad Adenauer erbaut. Der Bundeskanzler, der Bundespräsident und weitere 3000 Regierungsbeamte sollten hier eine Überlebensoase finden, wäre eine Atombombe tatsächlich auf Deutschland zugerast.
Für Jörg Diester, wissenschaftlicher Berater der Dokumentationsstätte, ist das alles andere als Spinnerei.
"Man geht hier durch ein Zeitzeugnis, das nicht zum Spaß hier rein gebaut wurde, sondern tatsächlich eine wichtige Aufgabe hatte. Das muss man sich heute immer bewusst machen, dass dieser Bunker also dafür gebaut wurde, damit man ihn irgendwann auch mal einsetzt. Man hat damals sogar gehofft, dass sich aus einer Krisensituation wieder ein Friedensfall ableiten lässt. Das heißt also: Da haut man sich gegenseitig was auf die Mütze, und dann anschließend werden die Wunden geleckt, und dann sitzt man wieder am Verhandlungstisch."
Ob der Bunker im Ernstfall auch sicher gewesen wäre, bezweifelt der 40-Jährige aber.
"Man hat also tatsächlich diese Anlage mit einer Fünf-Megatonnen-Bombe angegriffen auf dem Papier. Die ursprüngliche Annahme, welche Bombe dieser Bunker verträgt, war in etwa die Größe einer Hiroshima-Bombe. Das ist also eine 20-Kilotonnen-Bombe. Die Anlage wäre im Falle eines Volltreffers überhaupt nicht tauglich gewesen. Die Gutachten, die 200 im Archiv freigegeben wurden, haben da eine ganz einfache Regelung aus dem Innenministerium. Zitat: 'Der Feind ist nicht willens und auch nicht fähig, die Anlage mit einer solchen Waffe anzugreifen.'"
Prinzip Hoffnung. Damit man im Osten aber gar nicht erst auf die Idee kommt, eine Bombe zu zünden, wurden Berichte über den Bunkerbau gleich großzügig Richtung Stasi gestreut. Heute, 50 Jahre später, sehen auch wir endlich, wie sich die Bundesregierung das Leben nach einem Atombombenangriff vorstellte. Und das ist gar nicht mal so schlecht. Vom eigenen OP-Raum bis zum Friseursalon reicht die Ausstattung. Nur die Zimmer geben sich erstaunlich hässlich.
"Und hier das eben erwähnte schmucklose, funktionale Büro des Bundeskanzlers."
"Ah, das ist ja herrlich hier. Wie eine Jugendherberge."
Die einzige Ausnahme: Das Zimmer des Bundespräsidenten. Denn das gleicht regelrecht einer Suite. Rosa lümmeln sich ein Sofa und Sessel aus den 60er-Jahren über den Beton, poppig malt eine Lampe orange Farbe an die Decke, am anderen Ende lockt eine Badewanne zu heißen Erfahrungen. Makabre Unterhaltung verspricht der Kinoplan nebenan: mit Filmklassikern wie "nur 48 Stunden" und "War Games".
Nachdenklich und ein bisschen beklommen tauschen wir draußen unsere Eindrücke aus.
"Wenn man dann innen sieht, was da alles ausgebaut wurde, fragt man sich immer, für welchen Zweck? Denn wenn man 30 Tage in so einem Bunker gefangen war und kommt dann nach einem Atombombenangriff raus, fragt man sich: Wofür war ich eigentlich so lange da drin? Denn das Leben nach diesem Anschlag ist dann ja genauso am Ende, nicht?"
Doch eines steht fest: Mit der Öffnung der beiden Bunkeranlagen dürfte der Atomkrieg zumindest jetzt endgültig dort gelandet sein, wo wir ihn uns am liebsten anschauen: Im Museum!

