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Einstein auf dem Prüfstand (13)
Pulsare als Testlabor

Die allgemeine Relativitätstheorie als Theorie der Schwerkraft lässt sich am besten an sehr massereichen und zugleich sehr kompakten Objekten untersuchen. Das ergibt ein sehr starkes Gravitationsfeld, und so sind Pulsare oder Neutronensterne Geschenke des Himmels - sie ermöglichen gleich fünf verschiedene Tests von Einsteins Theorie.

Von Dirk Lorenzen | 25.08.2015
    Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, beschäftigt sich viel mit Pulsaren. Diese kompakten Sternleichen haben in etwa so viel Masse wie die Sonne, sind aber nur rund 20 Kilometer groß. Pulsare rotieren rasend schnell und geben – wie kosmische Leuchttürme – ihre Radiostrahlung nur entlang enger Leuchtkegel ab.
    "Das beste Labor, das wir haben, ist der Doppelpulsar. Da haben wir zwei aktive Pulsare, die umeinander kreisen. In 147 Minuten mit Bahngeschwindigkeiten von ungefähr einer Million Stundenkilometern. Da gibt es einen schnellen Pulsar mit 22 Millisekunden Rotationsperiode und einen langsamen Pulsar mit 2,78 Sekunden Periode."
    Ein geradezu apokalyptisches Szenario: Zwei Sternleichen rasen in nur rund 800.000 Kilometern Abstand umeinander - jede zuckt extrem regelmäßig im Radiobereich. Pulsare sind mit ihren kompakten Massen und den starken Gravitationsfeldern perfekt geeignet, um Effekte der Relativitätstheorie zu erforschen. Die Astronomen brauchen nur zu messen, wann genau die Pulse der himmlischen Uhren auf der Erde ankommen. Das geschieht mal minimal früher und mal minimal später, je nachdem was in dem System gerade vor sich geht:
    "Wir können zum Beispiel die Rotverschiebung oder das Langsamerwerden von Uhren in schweren Gravitationsfeldern messen, indem halt eine Uhr, wenn sie tiefer im Gravitationsfeld ist, sich langsamer bewegt, als wenn sie weiter weg ist von dem Körper. Das sehen wir. Wir sehen die Krümmung des Raumes, dadurch dass ein Pulsar in der gekrümmten Umgebung seines Begleiters etwas länger braucht auf dem Weg zur Erde als im flachen Raum. Wir sehen die Existenz von Gravitationswellen, weil nämlich ein System, das einen Begleiter hat, Gravitationswellen ausstrahlt, die dem System Energie entziehen, wodurch das System schrumpft. Das sehen wir als Abnahme der Orbitalperiode."
    Gibt es ein noch besseres himmlisches Relativitätslabor?
    Zudem beobachten die Astronomen, wie sich die elliptische Bahn der Pulsare um sage und schreibe 17 Winkelgrad pro Jahr dreht – damit ist dieser Effekt dort rund 100.000 Mal stärker als beim Planeten Merkur, bei dem er einst entdeckt wurde. Und als Fünftes eiert der Pulsar etwas, wie ein Kreisel kurz vor dem Umfallen, weil die Raumzeit gekrümmt ist. Bisher passen all die zugehörigen Daten bestens zu den Vorhersagen – doch Michael Kramer hofft, bald ein noch besseres himmlisches Relativitätslabor zu finden:
    "Es wäre natürlich schön, ein Schwarzes Loch zu finden, das einen Pulsar als Begleiter hat. Diese Objekte sind wahrscheinlich sehr rar, weil aufgrund der Entwicklungsgeschichte diese Systeme nicht sehr wahrscheinlich sind. Wir wissen aber, dass im Zentrum der Milchstraße eine ganze Reihe von Pulsaren sein muss und da gibt es natürlich ein sehr massives Schwarzes Loch, Sagittarius A Stern, mit vier Millionen Sonnenmassen. Und unser Traum ist, einen Pulsar zu finden, der dieses supermassive Schwarze Loch umkreist."
    Gesucht wird: Eine Abweichung von der Theorie
    An so einem Objekt könnten die Astronomen zwei weitere, äußerst empfindliche Tests durchführen, bei denen es um Eigenschaften eines Schwarzen Lochs geht. Vielleicht zeigen sich dann die ersehnten Abweichungen von den Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie:
    "Es gibt viele alternative Theorien, die zurecht aufgestellt werden, weil wir auch Phänomene haben wie Dunkle Energie, Dunkle Materie und Inflation, die schwer abbildbar sind im Rahmen der Relativitätstheorie. Es ist durchaus wichtig, auch andere Theorien zu überprüfen. Oft werden diese alternativen Theorien halt für ganz spezielle Zwecke aufgestellt, wie zum Beispiel zum Erklären der Dunklen Materie und Dunklen Energie, und sehr häufig denken die Leute nicht an andere Bereiche, wo die Theorie natürlich auch gelten muss. Wenn die Theorie Dunkle Materie erklärt, zum Beispiel durch Änderung des Gravitationsgesetzes, beschreibt diese Theorie dann aber auch noch die Bewegung der Pulsare richtig?"
    Die präzisen Pulsarmessungen haben bisher so gut wie jede Alternative zu Einsteins Formeln scheitern lassen – doch irgendwann werden sich die ersten Abweichungen zeigen. Die Astronomen brauchen nur etwas Geduld, empfindlichere Radioteleskope am Boden und im Kosmos noch bessere Pulsar-Studienobjekte.