Der Autor Jürgen Neffe berichtet darin von der vordersten Front der Einstein-Forschung. Er vermittelt durch anschauliche Vergleiche auch Laien eine Ahnung von Einsteins Ideen. Und er verschafft vor allem faszinierende Einblicke in das Zustandekommen wissenschaftlicher Erkenntnis.
Die Biographie beginnt fast wie ein Krimi - an Einsteins Todestag.
Princeton, New Jersey, 18. April 1955. Ein sonniger Montagmorgen. Im Krankenhaus des Universitätsstädtchens erscheint der Pathologe Thomas Harvey zum Dienst. Auf dem Seziertisch im Obduktionsraum findet er einen Toten vor, wie ihn ein Arzt nur einmal im Leben zu Gesicht bekommt. Zunächst verhält sich der Zweiundvierzigjährige wie an jedem Arbeitstag. Er nimmt das klinikeigene Formular zur Hand und trägt die erforderlichen Daten in die dafür vorgesehenen Kästchen ein. Name: Albert ... Zuname: Einstein ... Geschlecht: männlich ... Alter: 76 ... Jahr: 55 ... laufende Nummer der Leichenschauen in diesem Jahr: 33. Dann beginnt der Obduzent mit der Autopsie. Er setzt sein Skalpell hinter einem Ohr des Toten an und zieht es kräftig über Hals und Brustkorb durch die kalte, bleiche Haut hinweg bis zum Boden des Bauches.
Der Pathologe findet nicht nur die vermutete Todesursache bestätigt, eine geplatzte Erweiterung der Baucharterie. Einer plötzlichen Eingebung folgend, entnimmt er der Leiche das weltberühmte Gehirn.
Der Leser beobachtet ihn bei dem unerlaubten Tun. Er begleitet Harvey auch, als dieser, inzwischen 90 Jahre alt, zum Ort der Tat zurückkehrt und Einsteins graue Zellen wieder einmal in Augenschein nimmt. Vierzig Jahre lang hat Harvey das gestohlene und in Spiritus eingelegte Gehirn in einem Pappkarton im Kofferraum seines Autos versteckt. Seine Bemühungen, herauszufinden, warum dieses Nervengewebe zu solch bahnbrechenden Gedanken fähig war, blieben erfolglos. So brachte er Einsteins Gehirn schließlich in das Krankenhaus zurück.
Die verrückte Geschichte dieses Pathologen ist nicht neu. Sie liefert jedoch einen fulminanten Einstieg, der Gänsehaut verursacht - und neugierig macht. Gleichzeitig dient sie dem Autor als Gleichnis dafür, dass selbst der mikroskopische Blick in die Synapsen nicht enträtseln kann, wer Einstein war und warum er so genial war. Der Schlüssel zu diesen Geheimnissen, so der promovierte Biochemiker Neffe, liege nicht in der Biologie, sondern in der Biographie.
Später wird sich herausstellen, dass es inzwischen ganz andere Methoden gibt, Einsteins Denken auf die Spur zu kommen als mit dem Skalpell: Unter der Kapitelüberschrift "Anatomie einer Entdeckung" nimmt Neffe seine Leser mit zu zwei Wissenschaftlern. Jürgen Renn und Michel Janssen beschäftigen sich seit fünfzehn Jahren mit einem 84-seitigen Notizbuch Einsteins, das dieser von 1912 bis 1913 in Zürich mit endlosen, komplizierten Berechnungen und Formeln vollgekritzelt hatte. Diese Aufzeichnungen markieren den langen und höchst verschlungenen Weg zur Allgemeinen Relativitätstheorie.
Wenn Jürgen Renn und Michel Janssen sich zu ihren Forschungssitzungen treffen, mal in Minneapolis, mal in Berlin, erwacht Einstein zu neuem Leben. Es ist, als säße der Überphysiker mit im Raum, als unterhalte er sich mit seinen Schülern, die versuchen, ihn zu verstehen - als Wissenschaftler und als Mensch. Sie denken in seinen Gedanken, sprechen in seinen Worten, folgen seinen Argumenten, probieren seine Tricks, durchschauen seine Schliche, und wenn das nackte Gerüst seines Weltbildes in seiner schlichten Eleganz vor ihren geistigen Augen wiederersteht, dann geben sie sich manchmal auch einfach dem Zauber seiner sorgfältig aufs karierte Papier gemalten Zeilen hin.
Auf den nun folgenden Seiten dröselt Neffe - mit Hilfe der beiden Forscher - Arbeitsschritt für Arbeitsschritt Einsteins Gedankengänge auf. Überraschend daran ist, dass der große Physiker dabei des öfteren auf Irrwege geriet. Mit seinem Versuch, das im Jahre 1905 gefundene spezielle Relativitätsprinzip zu verallgemeinern, scheiterte er zunächst sogar.
Vor allem aber hat sich bei dem intensiven Studium des Zürcher Notizbuches herausgestellt, dass Einstein seine Theorien mitnichten quasi im Traum entdeckt und dann allein wegen ihrer mathematischen Schönheit für richtig erkannt hat. Er selbst hat diesen Mythos in die Welt gesetzt. Und der hat sich hartnäckig gehalten. Die Aufzeichnungen offenbaren, dass er streng nach den physikalischen Gesetzmäßigkeiten vorgegangen war. Und dabei hatte er zeitweilig schwer zu kämpfen.
Der Autor ist nicht zum Denkmalsturz angetreten. Aber er rückt die Vorstellung vom einsamen Genie ein wenig zurecht. Und er zeigt auch weniger bekannte Facetten des Mannes, der "zu den Größten der Weltgeschichte gehört", wie es am Ende des Buches heißt.
Dieses ist denn auch keine linear erzählte Biographie geworden. Sondern eine Mischung aus Lebensbericht und Essay. Neffe stellt verschiedene Thesen auf, die er jeweils in einem Kapitel zum Thema erläutert.
Zum Beispiel dreht sich ein ganzes Kapitel darum, welche Bücher Einstein in früher Jugend las. Neffe zählt nicht nur die betreffenden Werke auf. Er hat sie auch sehr genau nachgelesen. Anhand von Auszügen kann er belegen, dass darin etliche Denkansätze zu den physikalischen Problemen enthalten waren, die Einstein später aufgriff.
In einem weiteren Kapitel zeigt Neffe, dass der junge Einstein sich ein solides Fundament für seine Wissenschaft auch dadurch erwarb, dass er die technischen Entwicklungen in der väterlichen Fabrik für elektrische Beleuchtungen aus nächster Nähe mitverfolgen konnte. Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit Einsteins "Engeln". So nennt der Autor die Weggefährten, Freunde und Wissenschaftlerkollegen, denen Einstein Anregungen verdankt. Und wieder ein anderes Kapitel widmet sich der Hypothese, Einstein habe sich sein Leben lang kindliche Charakterzüge bewahrt.
Das Buch folgt zwar vom dritten Kapitel an einer groben chronologischen Ordnung. In manchen Kapiteln greift der Autor jedoch vor, um das jeweilige Thema über die gesamte Biographie hinweg zu Ende zu verfolgen. Das macht es manchmal schwierig, die Orientierung zu behalten. Eine Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen wäre sicher hilfreich gewesen.
Eigentlich richtet sich Jürgen Neffes Einstein-Biographie nicht speziell an junge Leser. Sie können das Buch aber durchaus bewältigen. Es ist anspruchsvoll. Aber es ist umfassend recherchiert und glänzend geschrieben - mit gelegentlichen Ausreißern ins Pathetische. Es verführt durch seinen lebendigen Erzählstil, durch viele kleine Beobachtungen am Rande und reportageartige Passagen. Und es versöhnt in den eher theorielastigen Teilen auch Laien durch intelligenten Aufbau und durch praktische Beispiele, die fast jedem Vorstellungsvermögen auf die Sprünge helfen. Kurz: Ein herausragendes Sachbuch.
Ausdrücklich für Jugendliche ab vierzehn Jahren ist die Einstein-Lebensgeschichte von Dietmar Strauch gedacht. "Alles ist relativ" heißt sie. Und erschienen ist sie in der Biographien-Reihe des Verlages Beltz & Gelberg.
Die bisher in dieser Reihe erschienenen Titel ergeben gleichsam eine Liste möglicher Vorbilder, von Madame Curie bis Nelson Mandela. Wobei besonderes Augenmerk den Frauen gilt.
Jetzt also Einstein. Dem Lesealter angepasst, ist Strauchs Buch eine klassische, brav chronologisch erzählte Biographie. Die Eintragung ins Geburtenregister macht den Anfang. Nach Lebensphasen in Kapitel zusammengefasst geht es weiter, bis zum "letzten gelehrten Atemzug" - wie Einstein selbst zu scherzen pflegte. Im Epilog liefert der Autor einen stark gerafften Abriss über die Nachwirkungen dieses Wissenschaftlerlebens bis heute.
Insgesamt zeichnet der Autor das rundum sympathische Bild eines zerstreuten Gelehrten und unabhängigen Geistes. Dabei liegt der Schwerpunkt darauf, was Einstein - so heißt es in der Verlagsankündigung - "in moralischer, politischer und menschlicher Hinsicht Bedenkenswertes zu sagen hatte".
Die streng der Zeitachse folgende Darstellung bringt es mit sich, dass private Episoden und politische Ereignisse, lustige Anekdoten und auf das Wesentliche eingedampfte wissenschaftliche Erklärungen sich in bunter Reihenfolge abwechseln. Das macht die Lektüre recht kurzweilig.
Gelegentlich allerdings bewirkt diese Aneinanderreihung das Gegenteil. Vor allem in den Kapiteln über die späteren Jahre, als Einstein bereits weltberühmt ist: Da zählt Strauch alle Konferenzen und gesellschaftlichen Anlässe auf, die sein Protagonist besuchte, die Aufrufe, die er unterzeichnete, die Reisen nach da, die Ausflüge nach dort. Bis sich einem der Kopf dreht - jedoch ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Da wünscht man sich, der Autor würde sich öfter mal zurücklehnen, zusammenfassen und das Wesentliche herausschälen.
Dietmar Strauch hat "in der schönen 68er-Zeit", wie der Verlag schreibt, an der Freien Universität Berlin Naturwissenschaften, Geschichte und Informationstechnologie studiert. Seine Beschäftigung mit Einstein rührt daher, dass er vor zehn Jahren nach Caputh bei Potsdam umzog. In Caputh hatten die Einsteins ein Sommerhaus, das heute als Erinnerungsstätte dient. Strauch engagiert sich in dem Initiativkreis, der sich darum kümmert. Kein Wunder also, dass die Caputher Episoden überproportional viel Raum einnehmen: Ausführlich wird erörtert, wer sich alles ins Gästebuch des Sommerhauses eintrug, oder dass oft Spargel aus der Gegend auf den Tisch kam.
Das sind kleine Einwände. Einen ernsthaften Vorwurf muss man dem Buch jedoch machen: Sprachlich und stilistisch ist es seinen jungen Lesern kein Vorbild. Erfinder sind grundsätzlich "genial". Häufig finden sich beamtenhafte Worthülsen wie "Situation" oder "Umfeld". Und manche Sätze sind einfach haarsträubend. Um nur ein Beispiel zu nennen: "Musik in Form der Hausmusik spielt eine sehr große Rolle". Schade, dass hier kein strengeres Lektorat gewaltet hat.
Einstein schon für Elfjährige? Die neue Reihe "Lebendige Biographien" des Arena Verlages macht es möglich. Unter dem Titel "Einstein und die Zeitmaschinen" lässt der italienische Autor und Illustrator Luca Novelli den berühmten Physiker höchstpersönlich sein Leben erzählen.
"Bestimmt habt ihr schon mal von mir gehört. In eurer Zeit ist der Name Albert Einstein in aller Munde. Ich höre oft, dass man mich den 'größten Wissenschaftler der Geschichte' nennt. Ehrlich, das ist mir fast etwas peinlich. Ich glaube nicht, dass ich eine besondere Begabung habe, sondern einfach nur unglaublich neugierig bin. Reichtum und Erfolg waren mir nie sehr wichtig. Beflügelt haben mich die Liebe, Schönheit und die Suche nach der Wahrheit, die mir stets Zuversicht und Freude gaben. Übermenschliche Kräfte habe ich leider nicht, und wenn es regnet, kann ich nichts dagegen tun. Das habe ich auch schon meiner Katze gesagt."
Wie ein gütiger Onkel spricht dieser Einstein zu seinen kleinen Lesern. Zuvor, in der Einleitung, hat ihn der Autor vorgestellt als "geradlinigen, sympathischen Mann, der sich viele Gedanken über die Welt und das Wohl anderer machte". Klar, dass da etwa Einsteins notorische Bindungsunfähigkeit und sein Versagen als Vater kaum zur Sprache kommen. Dafür tritt als zusätzlicher Sympathieträger eine Tigerkatze auf. Ihr soll Einstein als "weiser alter Mann" den Rücken gekrault haben, während er über die Relativität nachgrübelte.
Überhaupt ist das Büchlein im handlichen Taschenbuchformat sehr kinderfreundlich gestaltet. Die Kapitel, die das Leben des Wissenschaftlers schildern, sind von überschaubarer Größe, inhaltlich stark gerafft und in einfachen Worten gehalten.
Zusätzlich aufgelockert werden sie durch viele kleine Witz-Zeichnungen. Sie karikieren Einstein als wuschelhaariges Strichmännchen mit Glubschaugen und herausgestreckter Zunge. Wenn es im Text über Alberts Kindheit im ausgehenden 19. Jahrhundert heißt, damals habe es noch keine Radios oder Videospiele gegeben, dann schreit das Männchen: "Verflixt, erfindet sie endlich!" Wenn Einstein später an der Relativitätstheorie arbeitet, lautet die Sprechblase "Denk, grübel, denk".
Zwischen die biographischen Kapitel eingestreut sind einzelne Seiten, die sich durch einen grauen Rand und eine andere Schrift vom Lauftext absetzen. Sie bilden sozusagen den wissenschaftlichen Teil: Auf einige knappe Sätze eingedampft, werden hier die wesentlichen Punkte von Einsteins Ideen zusammengefasst. Es sind jeweils in sich abgeschlossene Betrachtungen, die jedoch aufeinander aufbauen.
Dabei holt der Autor Luca Novelli die Kinder bei dem ab, was sie gut kennen: Zeitmaschinen. Diese Geräte gehören in Comics, Abenteuerfilmen und Romanen zum Standard-Inventar.
Danach kommt ein kurzer Text über die Erfindung der Uhr. Es folgen Betrachtungen über das Wesen der Zeit und des Lichtes. Und schließlich geht es zur Sache: Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie. Die Doppelnatur des Lichts als Teilchen und als Welle. Das Weltbild, das aus Einsteins Ideen resultiert. Und die theoretische Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen, die sich daraus ergibt - das alles bringt Luca Novelli locker auf Nußschalenformat.
"Das Universum könnte man mit einer riesengroßen Wurst vergleichen, die sich ständig ausdehnt. Das Universum selbst und jedes darin befindliche Objekt besitzt drei Dimensionen: Höhe, Breite und Tiefe. "
Allerdings besitzt unser Universum zusätzlich zu den drei räumlichen Dimensionen noch eine zeitliche. Es dehnt sich ständig räumlich und zeitlich aus. Deshalb sprechen die Physiker von einem 'Raum-Zeit-Kontinuum'.
Gemäß der Relativitätstheorie krümmt die Gravitationskraft nicht nur dieses 'Kontinuum', sondern auch das Universum selbst.
Das Universum ist dermaßen gekrümmt, dass man bei einer Reise einmal quer durch das ganze Universum wieder am Ort und Zeit der Abreise ankäme. Allerdings müsstest du hierfür möglicherweise eine Reisezeit von etlichen Milliarden Jahren einkalkulieren. Außerdem müsstest du schneller als das Licht unterwegs sein, was aber nicht möglich ist."
Man kann das allzu reduziert finden. Ein Sextaner, der noch keinen Physikunterricht genossen hat, gewinnt jedoch dank der Nähe zur Alltagssprache zumindest eine vage Vorstellung, worum es überhaupt geht. Schwierige Begriffe und unbekannte Namen, die in dem Text auftauchen, werden am Schluss des Buches in einem kleinen Wörterbuch erklärt.
"Einstein und die Zeitmaschinen" wäre ein ehrenwerter Versuch, schon Elfjährigen ein außergewöhnliches Wissenschaftlerleben nahe zu bringen. Wenn es da nicht eine ganze Handvoll inhaltlicher Fehler gäbe. Diese gehen zum Teil auf schlampige Recherchen zurück, zum Teil auf die Übersetzung aus dem Italienischen, die kaum von Sachkenntnis zeugt.
Zum Beispiel ist der fünfzehnjährige Einstein nicht in ein Internat gesteckt worden, als seine Eltern von München nach Mailand umzogen, sondern wohnte bei Verwandten. Und er ist vor der autoritären Schule in Deutschland nicht nach Pavia geflüchtet, sondern zuerst nach Mailand. Die Schule im schweizerischen Städtchen Aarau, die Einstein besuchte, hieß nicht Kantonalschule, sondern Kantonsschule.
Das klingt nach Kleinigkeiten. Aber davon gibt es viele, und sie ziehen sich durch das ganze Buch. Und das ist bei einem Werk für Kinder besonders ärgerlich.
Biographien über Albert Einstein rücken naturgemäß die Person und ihren Platz in der Geschichte in den Vordergrund. Die harte Theorie, mehr oder weniger ausführlich erklärt, kommt als Beiwerk daher, das man ohne Schaden weglassen kann.
Das ist bedauerlich, insbesondere bei Büchern, die sich an ein junges Publikum richten. Denn Einsteins wissenschaftliche Leistungen geraten neben seiner Vorbildfunktion ins Abseits.
Meint zum Beispiel auch der Physiker und Forscher Stefan Jäger. Dieser hat vor zwei Jahren zusammen mit der Autorin Sylvia Englert den Kenntnisstand der modernen Physik in eine mitreißende Science-fiction-Geschichte für Jugendliche verpackt. "Café Andromeda" heißt der Roman. Darin jagt ein siebzehnjähriges Zwillingspärchen zusammen mit einem Astrophysiker aus dem 23. Jahrhundert kreuz und quer durch Raum und Zeit. Dabei erhalten die beiden Gymnasiasten einen Schnellkursus in Relativität, Quantenmechanik und Kosmologie. Für die Romanautoren ist unbegreiflich, dass diese Themen im Physikunterricht des 21. Jahrhunderts noch lange nicht überall behandelt werden.
Da werde etwa der Aufbau des Atoms immer noch nach dem Bohrschen Modell erklärt, heißt es spöttisch in "Café Andromeda". An anderer Stelle mokieren sich die Autoren über die heutigen Lehrmethoden: Still sitzen und sich Dinge erklären lassen sei passé. Im 23. Jahrhundert gehe man grüppchenweise auf Lernexpeditionen, begleitet von einem Tutor, der auftretende Fragen beantwortet. "Café Andromeda" lädt zu einer solchen Reise ein - bequem auf dem Sofa zu lesen.
Auch unter den Neuerscheinungen zum Einsteinjahr gibt es Bücher mit dem selben Ziel. Nämlich, Laien die komplexe Welt der Relativität zu erklären - und das möglichst ohne Formeln und ohne Mathematik. Für junge Erwachsene scheint eines besonders geeignet. Es sei zum Schluss hier vorgestellt.
"Das Einstein-Fenster. Eine Reise in die Raumzeit" nennt es sich. Geschrieben hat es Markus Pössel, Wissenschaftler am Albert-Einstein-Institut, einer Forschungsstätte für Gravitationsphysik.
Ein gewichtiges Buch, im wahrsten Sinne: Zweieinhalb Pfund bringt es auf die Waage und ist über 330 eng bedruckte Seiten dick. Es enthält keine einzige Formel. Die Bleiwüste wird nur ab und zu durch sehr einleuchtende farbige Diagramme, Zeichnungen oder Fotos unterbrochen.
Wer sich davon nicht schrecken lässt, erhält eine reelle Chance, Einstein zu verstehen. Denn Markus Pössel kann schreiben. Er spricht den Leser direkt an, sprachlich unverkrampft, originell in der Wortwahl, aber nicht bemüht humorig. Er führt gemeinsam mit dem Leser witzige Gedankenexperimente durch. Er findet noch für die abseitigsten Phänomene alltagsnahe Beispiele. Zudem fasst er immer wieder zusammen. Und vor dem Aufbruch in ein neues Kapitel sagt er dem Leser, auf welches Ziel er gerade hinaus will. All das zusammen macht richtig Lust, dranzubleiben.
Drei Teile hat Markus Pössels "Einstein-Fenster". Der erste ist mit "Raumzeit" überschrieben und führt in die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie ein. Der zweite Teil heißt "Einsteins Kosmos". Darin geht es um die Auswirkungen dieser Theorien auf unsere Vorstellungen vom Universum, um all die seltsamen Phänomene wie schwarze Löcher oder Neutronensterne. Der dritte Teil schließlich, "Horchposten am Einstein-Fenster", gibt eine Einführung in die Gravitationswellenastronomie.
Das klingt furchterregend, folgt aber aus der relativ entspannten Lektüre der ersten beiden Teile durchaus natürlich: Es geht dabei um die Instrumente und Methoden, mit denen die Physiker Gravitationswellen gezielt nachzuweisen versuchen, um damit dem Geheimnis der Entstehung und der wahren Gestalt unseres Kosmos ein wenig näher zu kommen.
Am Anfang des Buches kommt ein freundlicher Herr von der russischen Raumfahrtagentur vorbei und nimmt den Leser mit auf die internationale Raumstation. Von da aus geht es dann in die Tiefen des Alls weiter, dorthin, wo nur noch leerer Raum ist.
Dort lernt der Leser erst einmal, wie man eine Länge misst, und wie die Zeit, bevor er endlich in die vierdimensionale Raumzeit vorstößt - die für Normalsterbliche eigentlich nicht vorstellbar ist. Doch Markus Pössel beruhigt: Ein paar Dimensionen dürfen ruhig erst einmal weggelassen werden.
"Stellen Sie sich vor, Sie befänden sich in einem Park. Sie sehen dort Bäume, außerdem einen Mann und seinen Hund. Der Mann geht gemessenen Schrittes direkt auf einen bestimmten Baum zu, der Hund eilt ihm voraus, ebenfalls direkt in Richtung Baum."
Die Bewegung von Mann und Hund beschränkt sich auf den Erdboden. Keiner der beiden trifft Anstalten, einen Baum zu erklettern. Um die Bewegung zu beschreiben, reicht es daher vollkommen aus, sich auf die Zeit und auf die zweidimensionale Fläche des Erdbodens zu beschränken - die dritte Raumdimension, die Höhe, können wir getrost außer Acht lassen.
Es gibt wenige forschende Wissenschaftler, die sich so gut wie Markus Pössel in die Nöte ihrer nicht naturwissenschaftlich gebildeten Mitmenschen einfühlen können. Sein "Einstein-Fenster" verschafft den Durchblick.
Bibliographie:
Jürgen Neffe: Einstein. Eine Biographie. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005. 492 Seiten, 22,90 Euro
Dietmar Strauch: Alles ist relativ. Die Lebensgeschichte des Albert Einstein. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2005. 288 Seiten, 19,50 Euro (ab 14 Jahren)
Luca Novelli: Einstein und die Zeitmaschinen. Aus dem Italienischen von Anne Braun. Arena Verlag, Würzburg 2005. 112 Seiten, 7,95 Euro (ab 11 Jahren)
Sylvia Englert, Stefan Jäger: Café Andromeda. Eine fantastische Reise durch die moderne Physik. Mit Illustrationen von Friedhelm Maria Leistner. Campus Verlag, Frankfurt 2003. 205 Seiten, 18,90 Euro (ab ca. 16 Jahren)
Markus Pössel: Das Einstein-Fenster. Eine Reise in die Raumzeit. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005. 336 Seiten, 30,- Euro
Die Biographie beginnt fast wie ein Krimi - an Einsteins Todestag.
Princeton, New Jersey, 18. April 1955. Ein sonniger Montagmorgen. Im Krankenhaus des Universitätsstädtchens erscheint der Pathologe Thomas Harvey zum Dienst. Auf dem Seziertisch im Obduktionsraum findet er einen Toten vor, wie ihn ein Arzt nur einmal im Leben zu Gesicht bekommt. Zunächst verhält sich der Zweiundvierzigjährige wie an jedem Arbeitstag. Er nimmt das klinikeigene Formular zur Hand und trägt die erforderlichen Daten in die dafür vorgesehenen Kästchen ein. Name: Albert ... Zuname: Einstein ... Geschlecht: männlich ... Alter: 76 ... Jahr: 55 ... laufende Nummer der Leichenschauen in diesem Jahr: 33. Dann beginnt der Obduzent mit der Autopsie. Er setzt sein Skalpell hinter einem Ohr des Toten an und zieht es kräftig über Hals und Brustkorb durch die kalte, bleiche Haut hinweg bis zum Boden des Bauches.
Der Pathologe findet nicht nur die vermutete Todesursache bestätigt, eine geplatzte Erweiterung der Baucharterie. Einer plötzlichen Eingebung folgend, entnimmt er der Leiche das weltberühmte Gehirn.
Der Leser beobachtet ihn bei dem unerlaubten Tun. Er begleitet Harvey auch, als dieser, inzwischen 90 Jahre alt, zum Ort der Tat zurückkehrt und Einsteins graue Zellen wieder einmal in Augenschein nimmt. Vierzig Jahre lang hat Harvey das gestohlene und in Spiritus eingelegte Gehirn in einem Pappkarton im Kofferraum seines Autos versteckt. Seine Bemühungen, herauszufinden, warum dieses Nervengewebe zu solch bahnbrechenden Gedanken fähig war, blieben erfolglos. So brachte er Einsteins Gehirn schließlich in das Krankenhaus zurück.
Die verrückte Geschichte dieses Pathologen ist nicht neu. Sie liefert jedoch einen fulminanten Einstieg, der Gänsehaut verursacht - und neugierig macht. Gleichzeitig dient sie dem Autor als Gleichnis dafür, dass selbst der mikroskopische Blick in die Synapsen nicht enträtseln kann, wer Einstein war und warum er so genial war. Der Schlüssel zu diesen Geheimnissen, so der promovierte Biochemiker Neffe, liege nicht in der Biologie, sondern in der Biographie.
Später wird sich herausstellen, dass es inzwischen ganz andere Methoden gibt, Einsteins Denken auf die Spur zu kommen als mit dem Skalpell: Unter der Kapitelüberschrift "Anatomie einer Entdeckung" nimmt Neffe seine Leser mit zu zwei Wissenschaftlern. Jürgen Renn und Michel Janssen beschäftigen sich seit fünfzehn Jahren mit einem 84-seitigen Notizbuch Einsteins, das dieser von 1912 bis 1913 in Zürich mit endlosen, komplizierten Berechnungen und Formeln vollgekritzelt hatte. Diese Aufzeichnungen markieren den langen und höchst verschlungenen Weg zur Allgemeinen Relativitätstheorie.
Wenn Jürgen Renn und Michel Janssen sich zu ihren Forschungssitzungen treffen, mal in Minneapolis, mal in Berlin, erwacht Einstein zu neuem Leben. Es ist, als säße der Überphysiker mit im Raum, als unterhalte er sich mit seinen Schülern, die versuchen, ihn zu verstehen - als Wissenschaftler und als Mensch. Sie denken in seinen Gedanken, sprechen in seinen Worten, folgen seinen Argumenten, probieren seine Tricks, durchschauen seine Schliche, und wenn das nackte Gerüst seines Weltbildes in seiner schlichten Eleganz vor ihren geistigen Augen wiederersteht, dann geben sie sich manchmal auch einfach dem Zauber seiner sorgfältig aufs karierte Papier gemalten Zeilen hin.
Auf den nun folgenden Seiten dröselt Neffe - mit Hilfe der beiden Forscher - Arbeitsschritt für Arbeitsschritt Einsteins Gedankengänge auf. Überraschend daran ist, dass der große Physiker dabei des öfteren auf Irrwege geriet. Mit seinem Versuch, das im Jahre 1905 gefundene spezielle Relativitätsprinzip zu verallgemeinern, scheiterte er zunächst sogar.
Vor allem aber hat sich bei dem intensiven Studium des Zürcher Notizbuches herausgestellt, dass Einstein seine Theorien mitnichten quasi im Traum entdeckt und dann allein wegen ihrer mathematischen Schönheit für richtig erkannt hat. Er selbst hat diesen Mythos in die Welt gesetzt. Und der hat sich hartnäckig gehalten. Die Aufzeichnungen offenbaren, dass er streng nach den physikalischen Gesetzmäßigkeiten vorgegangen war. Und dabei hatte er zeitweilig schwer zu kämpfen.
Der Autor ist nicht zum Denkmalsturz angetreten. Aber er rückt die Vorstellung vom einsamen Genie ein wenig zurecht. Und er zeigt auch weniger bekannte Facetten des Mannes, der "zu den Größten der Weltgeschichte gehört", wie es am Ende des Buches heißt.
Dieses ist denn auch keine linear erzählte Biographie geworden. Sondern eine Mischung aus Lebensbericht und Essay. Neffe stellt verschiedene Thesen auf, die er jeweils in einem Kapitel zum Thema erläutert.
Zum Beispiel dreht sich ein ganzes Kapitel darum, welche Bücher Einstein in früher Jugend las. Neffe zählt nicht nur die betreffenden Werke auf. Er hat sie auch sehr genau nachgelesen. Anhand von Auszügen kann er belegen, dass darin etliche Denkansätze zu den physikalischen Problemen enthalten waren, die Einstein später aufgriff.
In einem weiteren Kapitel zeigt Neffe, dass der junge Einstein sich ein solides Fundament für seine Wissenschaft auch dadurch erwarb, dass er die technischen Entwicklungen in der väterlichen Fabrik für elektrische Beleuchtungen aus nächster Nähe mitverfolgen konnte. Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit Einsteins "Engeln". So nennt der Autor die Weggefährten, Freunde und Wissenschaftlerkollegen, denen Einstein Anregungen verdankt. Und wieder ein anderes Kapitel widmet sich der Hypothese, Einstein habe sich sein Leben lang kindliche Charakterzüge bewahrt.
Das Buch folgt zwar vom dritten Kapitel an einer groben chronologischen Ordnung. In manchen Kapiteln greift der Autor jedoch vor, um das jeweilige Thema über die gesamte Biographie hinweg zu Ende zu verfolgen. Das macht es manchmal schwierig, die Orientierung zu behalten. Eine Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen wäre sicher hilfreich gewesen.
Eigentlich richtet sich Jürgen Neffes Einstein-Biographie nicht speziell an junge Leser. Sie können das Buch aber durchaus bewältigen. Es ist anspruchsvoll. Aber es ist umfassend recherchiert und glänzend geschrieben - mit gelegentlichen Ausreißern ins Pathetische. Es verführt durch seinen lebendigen Erzählstil, durch viele kleine Beobachtungen am Rande und reportageartige Passagen. Und es versöhnt in den eher theorielastigen Teilen auch Laien durch intelligenten Aufbau und durch praktische Beispiele, die fast jedem Vorstellungsvermögen auf die Sprünge helfen. Kurz: Ein herausragendes Sachbuch.
Ausdrücklich für Jugendliche ab vierzehn Jahren ist die Einstein-Lebensgeschichte von Dietmar Strauch gedacht. "Alles ist relativ" heißt sie. Und erschienen ist sie in der Biographien-Reihe des Verlages Beltz & Gelberg.
Die bisher in dieser Reihe erschienenen Titel ergeben gleichsam eine Liste möglicher Vorbilder, von Madame Curie bis Nelson Mandela. Wobei besonderes Augenmerk den Frauen gilt.
Jetzt also Einstein. Dem Lesealter angepasst, ist Strauchs Buch eine klassische, brav chronologisch erzählte Biographie. Die Eintragung ins Geburtenregister macht den Anfang. Nach Lebensphasen in Kapitel zusammengefasst geht es weiter, bis zum "letzten gelehrten Atemzug" - wie Einstein selbst zu scherzen pflegte. Im Epilog liefert der Autor einen stark gerafften Abriss über die Nachwirkungen dieses Wissenschaftlerlebens bis heute.
Insgesamt zeichnet der Autor das rundum sympathische Bild eines zerstreuten Gelehrten und unabhängigen Geistes. Dabei liegt der Schwerpunkt darauf, was Einstein - so heißt es in der Verlagsankündigung - "in moralischer, politischer und menschlicher Hinsicht Bedenkenswertes zu sagen hatte".
Die streng der Zeitachse folgende Darstellung bringt es mit sich, dass private Episoden und politische Ereignisse, lustige Anekdoten und auf das Wesentliche eingedampfte wissenschaftliche Erklärungen sich in bunter Reihenfolge abwechseln. Das macht die Lektüre recht kurzweilig.
Gelegentlich allerdings bewirkt diese Aneinanderreihung das Gegenteil. Vor allem in den Kapiteln über die späteren Jahre, als Einstein bereits weltberühmt ist: Da zählt Strauch alle Konferenzen und gesellschaftlichen Anlässe auf, die sein Protagonist besuchte, die Aufrufe, die er unterzeichnete, die Reisen nach da, die Ausflüge nach dort. Bis sich einem der Kopf dreht - jedoch ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Da wünscht man sich, der Autor würde sich öfter mal zurücklehnen, zusammenfassen und das Wesentliche herausschälen.
Dietmar Strauch hat "in der schönen 68er-Zeit", wie der Verlag schreibt, an der Freien Universität Berlin Naturwissenschaften, Geschichte und Informationstechnologie studiert. Seine Beschäftigung mit Einstein rührt daher, dass er vor zehn Jahren nach Caputh bei Potsdam umzog. In Caputh hatten die Einsteins ein Sommerhaus, das heute als Erinnerungsstätte dient. Strauch engagiert sich in dem Initiativkreis, der sich darum kümmert. Kein Wunder also, dass die Caputher Episoden überproportional viel Raum einnehmen: Ausführlich wird erörtert, wer sich alles ins Gästebuch des Sommerhauses eintrug, oder dass oft Spargel aus der Gegend auf den Tisch kam.
Das sind kleine Einwände. Einen ernsthaften Vorwurf muss man dem Buch jedoch machen: Sprachlich und stilistisch ist es seinen jungen Lesern kein Vorbild. Erfinder sind grundsätzlich "genial". Häufig finden sich beamtenhafte Worthülsen wie "Situation" oder "Umfeld". Und manche Sätze sind einfach haarsträubend. Um nur ein Beispiel zu nennen: "Musik in Form der Hausmusik spielt eine sehr große Rolle". Schade, dass hier kein strengeres Lektorat gewaltet hat.
Einstein schon für Elfjährige? Die neue Reihe "Lebendige Biographien" des Arena Verlages macht es möglich. Unter dem Titel "Einstein und die Zeitmaschinen" lässt der italienische Autor und Illustrator Luca Novelli den berühmten Physiker höchstpersönlich sein Leben erzählen.
"Bestimmt habt ihr schon mal von mir gehört. In eurer Zeit ist der Name Albert Einstein in aller Munde. Ich höre oft, dass man mich den 'größten Wissenschaftler der Geschichte' nennt. Ehrlich, das ist mir fast etwas peinlich. Ich glaube nicht, dass ich eine besondere Begabung habe, sondern einfach nur unglaublich neugierig bin. Reichtum und Erfolg waren mir nie sehr wichtig. Beflügelt haben mich die Liebe, Schönheit und die Suche nach der Wahrheit, die mir stets Zuversicht und Freude gaben. Übermenschliche Kräfte habe ich leider nicht, und wenn es regnet, kann ich nichts dagegen tun. Das habe ich auch schon meiner Katze gesagt."
Wie ein gütiger Onkel spricht dieser Einstein zu seinen kleinen Lesern. Zuvor, in der Einleitung, hat ihn der Autor vorgestellt als "geradlinigen, sympathischen Mann, der sich viele Gedanken über die Welt und das Wohl anderer machte". Klar, dass da etwa Einsteins notorische Bindungsunfähigkeit und sein Versagen als Vater kaum zur Sprache kommen. Dafür tritt als zusätzlicher Sympathieträger eine Tigerkatze auf. Ihr soll Einstein als "weiser alter Mann" den Rücken gekrault haben, während er über die Relativität nachgrübelte.
Überhaupt ist das Büchlein im handlichen Taschenbuchformat sehr kinderfreundlich gestaltet. Die Kapitel, die das Leben des Wissenschaftlers schildern, sind von überschaubarer Größe, inhaltlich stark gerafft und in einfachen Worten gehalten.
Zusätzlich aufgelockert werden sie durch viele kleine Witz-Zeichnungen. Sie karikieren Einstein als wuschelhaariges Strichmännchen mit Glubschaugen und herausgestreckter Zunge. Wenn es im Text über Alberts Kindheit im ausgehenden 19. Jahrhundert heißt, damals habe es noch keine Radios oder Videospiele gegeben, dann schreit das Männchen: "Verflixt, erfindet sie endlich!" Wenn Einstein später an der Relativitätstheorie arbeitet, lautet die Sprechblase "Denk, grübel, denk".
Zwischen die biographischen Kapitel eingestreut sind einzelne Seiten, die sich durch einen grauen Rand und eine andere Schrift vom Lauftext absetzen. Sie bilden sozusagen den wissenschaftlichen Teil: Auf einige knappe Sätze eingedampft, werden hier die wesentlichen Punkte von Einsteins Ideen zusammengefasst. Es sind jeweils in sich abgeschlossene Betrachtungen, die jedoch aufeinander aufbauen.
Dabei holt der Autor Luca Novelli die Kinder bei dem ab, was sie gut kennen: Zeitmaschinen. Diese Geräte gehören in Comics, Abenteuerfilmen und Romanen zum Standard-Inventar.
Danach kommt ein kurzer Text über die Erfindung der Uhr. Es folgen Betrachtungen über das Wesen der Zeit und des Lichtes. Und schließlich geht es zur Sache: Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie. Die Doppelnatur des Lichts als Teilchen und als Welle. Das Weltbild, das aus Einsteins Ideen resultiert. Und die theoretische Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen, die sich daraus ergibt - das alles bringt Luca Novelli locker auf Nußschalenformat.
"Das Universum könnte man mit einer riesengroßen Wurst vergleichen, die sich ständig ausdehnt. Das Universum selbst und jedes darin befindliche Objekt besitzt drei Dimensionen: Höhe, Breite und Tiefe. "
Allerdings besitzt unser Universum zusätzlich zu den drei räumlichen Dimensionen noch eine zeitliche. Es dehnt sich ständig räumlich und zeitlich aus. Deshalb sprechen die Physiker von einem 'Raum-Zeit-Kontinuum'.
Gemäß der Relativitätstheorie krümmt die Gravitationskraft nicht nur dieses 'Kontinuum', sondern auch das Universum selbst.
Das Universum ist dermaßen gekrümmt, dass man bei einer Reise einmal quer durch das ganze Universum wieder am Ort und Zeit der Abreise ankäme. Allerdings müsstest du hierfür möglicherweise eine Reisezeit von etlichen Milliarden Jahren einkalkulieren. Außerdem müsstest du schneller als das Licht unterwegs sein, was aber nicht möglich ist."
Man kann das allzu reduziert finden. Ein Sextaner, der noch keinen Physikunterricht genossen hat, gewinnt jedoch dank der Nähe zur Alltagssprache zumindest eine vage Vorstellung, worum es überhaupt geht. Schwierige Begriffe und unbekannte Namen, die in dem Text auftauchen, werden am Schluss des Buches in einem kleinen Wörterbuch erklärt.
"Einstein und die Zeitmaschinen" wäre ein ehrenwerter Versuch, schon Elfjährigen ein außergewöhnliches Wissenschaftlerleben nahe zu bringen. Wenn es da nicht eine ganze Handvoll inhaltlicher Fehler gäbe. Diese gehen zum Teil auf schlampige Recherchen zurück, zum Teil auf die Übersetzung aus dem Italienischen, die kaum von Sachkenntnis zeugt.
Zum Beispiel ist der fünfzehnjährige Einstein nicht in ein Internat gesteckt worden, als seine Eltern von München nach Mailand umzogen, sondern wohnte bei Verwandten. Und er ist vor der autoritären Schule in Deutschland nicht nach Pavia geflüchtet, sondern zuerst nach Mailand. Die Schule im schweizerischen Städtchen Aarau, die Einstein besuchte, hieß nicht Kantonalschule, sondern Kantonsschule.
Das klingt nach Kleinigkeiten. Aber davon gibt es viele, und sie ziehen sich durch das ganze Buch. Und das ist bei einem Werk für Kinder besonders ärgerlich.
Biographien über Albert Einstein rücken naturgemäß die Person und ihren Platz in der Geschichte in den Vordergrund. Die harte Theorie, mehr oder weniger ausführlich erklärt, kommt als Beiwerk daher, das man ohne Schaden weglassen kann.
Das ist bedauerlich, insbesondere bei Büchern, die sich an ein junges Publikum richten. Denn Einsteins wissenschaftliche Leistungen geraten neben seiner Vorbildfunktion ins Abseits.
Meint zum Beispiel auch der Physiker und Forscher Stefan Jäger. Dieser hat vor zwei Jahren zusammen mit der Autorin Sylvia Englert den Kenntnisstand der modernen Physik in eine mitreißende Science-fiction-Geschichte für Jugendliche verpackt. "Café Andromeda" heißt der Roman. Darin jagt ein siebzehnjähriges Zwillingspärchen zusammen mit einem Astrophysiker aus dem 23. Jahrhundert kreuz und quer durch Raum und Zeit. Dabei erhalten die beiden Gymnasiasten einen Schnellkursus in Relativität, Quantenmechanik und Kosmologie. Für die Romanautoren ist unbegreiflich, dass diese Themen im Physikunterricht des 21. Jahrhunderts noch lange nicht überall behandelt werden.
Da werde etwa der Aufbau des Atoms immer noch nach dem Bohrschen Modell erklärt, heißt es spöttisch in "Café Andromeda". An anderer Stelle mokieren sich die Autoren über die heutigen Lehrmethoden: Still sitzen und sich Dinge erklären lassen sei passé. Im 23. Jahrhundert gehe man grüppchenweise auf Lernexpeditionen, begleitet von einem Tutor, der auftretende Fragen beantwortet. "Café Andromeda" lädt zu einer solchen Reise ein - bequem auf dem Sofa zu lesen.
Auch unter den Neuerscheinungen zum Einsteinjahr gibt es Bücher mit dem selben Ziel. Nämlich, Laien die komplexe Welt der Relativität zu erklären - und das möglichst ohne Formeln und ohne Mathematik. Für junge Erwachsene scheint eines besonders geeignet. Es sei zum Schluss hier vorgestellt.
"Das Einstein-Fenster. Eine Reise in die Raumzeit" nennt es sich. Geschrieben hat es Markus Pössel, Wissenschaftler am Albert-Einstein-Institut, einer Forschungsstätte für Gravitationsphysik.
Ein gewichtiges Buch, im wahrsten Sinne: Zweieinhalb Pfund bringt es auf die Waage und ist über 330 eng bedruckte Seiten dick. Es enthält keine einzige Formel. Die Bleiwüste wird nur ab und zu durch sehr einleuchtende farbige Diagramme, Zeichnungen oder Fotos unterbrochen.
Wer sich davon nicht schrecken lässt, erhält eine reelle Chance, Einstein zu verstehen. Denn Markus Pössel kann schreiben. Er spricht den Leser direkt an, sprachlich unverkrampft, originell in der Wortwahl, aber nicht bemüht humorig. Er führt gemeinsam mit dem Leser witzige Gedankenexperimente durch. Er findet noch für die abseitigsten Phänomene alltagsnahe Beispiele. Zudem fasst er immer wieder zusammen. Und vor dem Aufbruch in ein neues Kapitel sagt er dem Leser, auf welches Ziel er gerade hinaus will. All das zusammen macht richtig Lust, dranzubleiben.
Drei Teile hat Markus Pössels "Einstein-Fenster". Der erste ist mit "Raumzeit" überschrieben und führt in die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie ein. Der zweite Teil heißt "Einsteins Kosmos". Darin geht es um die Auswirkungen dieser Theorien auf unsere Vorstellungen vom Universum, um all die seltsamen Phänomene wie schwarze Löcher oder Neutronensterne. Der dritte Teil schließlich, "Horchposten am Einstein-Fenster", gibt eine Einführung in die Gravitationswellenastronomie.
Das klingt furchterregend, folgt aber aus der relativ entspannten Lektüre der ersten beiden Teile durchaus natürlich: Es geht dabei um die Instrumente und Methoden, mit denen die Physiker Gravitationswellen gezielt nachzuweisen versuchen, um damit dem Geheimnis der Entstehung und der wahren Gestalt unseres Kosmos ein wenig näher zu kommen.
Am Anfang des Buches kommt ein freundlicher Herr von der russischen Raumfahrtagentur vorbei und nimmt den Leser mit auf die internationale Raumstation. Von da aus geht es dann in die Tiefen des Alls weiter, dorthin, wo nur noch leerer Raum ist.
Dort lernt der Leser erst einmal, wie man eine Länge misst, und wie die Zeit, bevor er endlich in die vierdimensionale Raumzeit vorstößt - die für Normalsterbliche eigentlich nicht vorstellbar ist. Doch Markus Pössel beruhigt: Ein paar Dimensionen dürfen ruhig erst einmal weggelassen werden.
"Stellen Sie sich vor, Sie befänden sich in einem Park. Sie sehen dort Bäume, außerdem einen Mann und seinen Hund. Der Mann geht gemessenen Schrittes direkt auf einen bestimmten Baum zu, der Hund eilt ihm voraus, ebenfalls direkt in Richtung Baum."
Die Bewegung von Mann und Hund beschränkt sich auf den Erdboden. Keiner der beiden trifft Anstalten, einen Baum zu erklettern. Um die Bewegung zu beschreiben, reicht es daher vollkommen aus, sich auf die Zeit und auf die zweidimensionale Fläche des Erdbodens zu beschränken - die dritte Raumdimension, die Höhe, können wir getrost außer Acht lassen.
Es gibt wenige forschende Wissenschaftler, die sich so gut wie Markus Pössel in die Nöte ihrer nicht naturwissenschaftlich gebildeten Mitmenschen einfühlen können. Sein "Einstein-Fenster" verschafft den Durchblick.
Bibliographie:
Jürgen Neffe: Einstein. Eine Biographie. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005. 492 Seiten, 22,90 Euro
Dietmar Strauch: Alles ist relativ. Die Lebensgeschichte des Albert Einstein. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2005. 288 Seiten, 19,50 Euro (ab 14 Jahren)
Luca Novelli: Einstein und die Zeitmaschinen. Aus dem Italienischen von Anne Braun. Arena Verlag, Würzburg 2005. 112 Seiten, 7,95 Euro (ab 11 Jahren)
Sylvia Englert, Stefan Jäger: Café Andromeda. Eine fantastische Reise durch die moderne Physik. Mit Illustrationen von Friedhelm Maria Leistner. Campus Verlag, Frankfurt 2003. 205 Seiten, 18,90 Euro (ab ca. 16 Jahren)
Markus Pössel: Das Einstein-Fenster. Eine Reise in die Raumzeit. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005. 336 Seiten, 30,- Euro