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Einsteins großer Lichtblick

Physik. - Ohne Einstein sähe unsere Welt völlig anders aus: ohne ihn blieben Monitore unscharf, es gäbe keine CD-Spieler oder schnelles Internet und das GPS führte in die Irre. Ein anderer Klassiker des Genies liefert Materialforschern tiefe Einblicke in ihre Kreationen: der photoelektrische Effekt.

Von Ralf Krauter |
    Man nehme eine Lampe, eine Metallplatte und ein Strommessgerät- mehr braucht man nicht, um den Photoeffekt zu beobachten. Wenn die Lichtteilchen aus der Lampe genügend Energie haben, dann löst ihr Bombardement Elektronen aus der Metalloberfläche - ein Strom fließt. Die Geschwindigkeit der freigesetzten Elektronen hängt dabei nur von der Lichtwellenlänge und vom getroffenen Material ab. Eine Erkenntnis, für die Albert Einstein den Physiknobelpreis bekam. Für die Untersuchung exotischer Materialien machen sie sich Forscher heute täglich zunutze - bei der so genannten Photoemissionsspektroskopie. Zum Beispiel Zhi-Xun Shen von der US-Elite-Universität Stanford.

    "Wir beschießen Materialproben mit Lichtteilchen, die genügend Energie haben, um aus der Materialoberfläche Elektronen herauszuschlagen. Was uns eigentlich interessiert, ist: Wie verhalten sich die Ladungsträger im Inneren komplexer Materialien. In der Probe können wir die Elektronen aber nicht beobachten. Deshalb nutzen wir den von Einstein beschriebenen Photoeffekt um sie freizusetzen, messen ihre Energie und können so Rückschlüsse über ihr Verhalten in der Probe ziehen. Und das ist gerade bei komplexen neuartigen Materialien von großem Interesse."

    Die Elektronen in einem Festkörper haben einen entscheidenden Einfluss auf dessen physikalische Eigenschaften. Aus modernen Halbleiterlabors ist die Photoemissionsspektroskopie deshalb längst nicht mehr wegzudenken. Auch bei der Entwicklung von Hochtemperatursupraleitern spielt sie eine Schlüsselrolle. Dank verbesserter Messapparaturen dürfte die Bedeutung in Zukunft noch wachsen, denn mit Hilfe von Synchrotronstrahlung lässt sich der gezielte Oberflächenbeschuss mit Lichtteilchen heute genauer kontrollieren als je zuvor. Und auch die Energiemessung der Photoelektronen ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich präziser geworden.

    "Die Kombination dieser technischen Fortschritte eröffnet uns heute ungeahnte Möglichkeiten - wir sind in eine neue Ära eingetreten, in der wir erstmals wirklich die Chance haben, zu verstehen, was genau mit den Elektronen in einem Festkörper passiert."

    Zhi-Xun Shens Hauptinteresse gilt den Hochtemperatur-Supraleitern. Bei denen ist nämlich noch weitgehend unklar, warum sie elektrischen Strom überhaupt verlustfrei leiten können. Fest steht bislang nur: Ihre Elektronen geben nach dem Unterschreiten einer bestimmten Temperaturschwelle ihre Individualität auf und angeln sich einen Partner. Doch der verbindende Handschlag mit diesem Partner funktioniert offenbar ganz anders als bei herkömmlichen Supraleitern, die erst bei sehr tiefen Temperaturen ihren Widerstand verlieren.

    "Dieser Paarungsvorgang zwischen den einzelnen Elektronen ist der Schlüssel zum Verständnis der Hochtemperatur-Supraleiter. Und wir glauben, nun erste Hinweise für die direkte Beobachtung dieses Prozesses gefunden zu haben. Die Interpretation der Daten ist zwar noch umstritten, aber es sieht so aus, als ob uns die Photoemission-Spektroskopie hier bald einen wichtigen Schritt weiter bringt. "

    Und das gilt auch für die so genannte Spin-Elektronik - eine der möglichen Technologien für die ultraschnellen Prozessoren von morgen. Bei der Spintronik sollen neben der elektrischen Ladung der Elektronen auch ihre magnetischen Eigenschaften genutzt werden, um Informationen zu speichern. Dazu braucht es ferromagnetische Halbleiterstrukturen, in denen die Eigendrehimpulse der einzelnen Elektronen, die so genannten Spins, stark miteinander gekoppelt sind. Mit Hilfe der Photoemissions-Spektroskopie ist es den Forschern um Zhi-Xun Shen kürzlich erstmals gelungen, die unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit elektrischer und magnetischer Impulse in solchen Materialien direkt sichtbar zu machen - ein Erfolg, der einmal bei der Entwicklung neuer Schaltelemente hilfreich sein könnte.