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Einsteins Relativitätstheorie
Physiker testen mit Atomuhren die Symmetrie der Raumzeit

Albert Einstein formulierte die These, die Lichtgeschwindigkeit sei immer und unter allen Bedingungen gleich. Physiker der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig haben diese Grundannahme der Relativitätstheorie jetzt mit zwei Atomuhren überprüft.

Von Frank Grotelüschen | 14.03.2019
Ein abstimmbarer Laser regt eine äußerst schmalbandige Resonanz eines Yb+-Ions in einer Atomuhr an. Zwei Ionen mit senkrecht zueinander ausgerichteten Wellenfunktionen (gelb) werden mit Laserlicht mit einer einstellbaren Frequenzverschiebung Δf abgefragt, um eine möglicherweise auftretende Frequenzdifferenz zu messen. Der gesamte Experimentaufbau rotiert mit der Erde einmal am Tag relativ zum Fixsternhimmel.
In einem Langzeitvergleich mit zwei optischen Ytterbiumuhren haben Physiker der PTB die Symmetrie der Raumzeit überprüft (Abbildung: PTB)
"Wir kommen jetzt in einen Raum, in dem man keinen Radio- und keinen Handy-Empfang hat."
Braunschweig, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt PTB. Ekkehard Peik betritt einen Raum groß wie eine Turnhalle, die Wände ausgekleidet mit Kupfer.
"Man hat das gemacht, um sicherzustellen, dass es nicht zu Störungen der Uhren von außen kommt."
In der Halle stehen die Atomuhren der PTB. Einige machen die offizielle Sekunde, andere sind Prototypen für Zukunft der Zeitmessung. Die steuert Peik nun an, wuchtige Lasertische mit Blenden und Spiegeln.
"Hier stehen zwei optische Uhren. Jeweils eine kleine Vakuumkammer, in der sich eine Ionenfalle befindet. Eine Anordnung von elektrischen Feldern, mit der man geladene Atome festhalten kann – in diesem Fall ein einzelnes Ion, ein einzelnes geladenes Atom."
Test der Symmetrie der Raumzeit mit Atomuhren
Gewöhnliche Atomuhren basieren auf Cäsium-Atomen, die mit Mikrowellen angesteuert werden. In der Ionenfalle des Prototyps dagegen sitzt ein einzelnes Ytterbium-Atom. Es wird mit Laserlicht manipuliert, also mit deutlich höheren Frequenzen als bei den Mikrowellen. Der Vorteil:
"Die optische Atomuhr tickt ungefähr 100.000 Mal schneller. Und weil die schneller tickt, ist der Fehler deutlich kleiner. Die relative Genauigkeit wird größer und die relative Stabilität der Uhr wird besser", sagt Peiks Kollege Nils Huntemann. Zwar befindet sich diese optische Atomuhr noch im Entwicklungsstadium. Dennoch ist der PTB mit ihr ein bemerkenswertes Experiment gelungen – eine hochpräzise Überprüfung von Einsteins spezieller Relativitätstheorie. Diese besagt, dass sich nichts schneller bewegen darf als das Licht – und zwar egal in welche Richtung.
"Der gute Einstein hat gesagt, dass es keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Ausrichtungen im Raum gibt."
Doch stimmt das auch, wenn man extrem genau hinschaut? Um das herauszufinden, ließen Huntemann und seine Leute zwei Ytterbium-Uhren gegeneinander antreten.
"Wir haben zwei Atomuhren aufgebaut. Diese Atomuhren haben unterschiedlich ausgerichtete Magnetfeld-Richtungen fast senkrecht zueinander."
Im Ytterbium schwingt ein Elektron hin und her wie ein Pendel. Per Magnetfeld lässt sich steuern, in welche Richtung sich das Elektron bewegt – zum Beispiel auf und ab oder vor und zurück. Bei dem Experiment wurden die beiden Atomuhren so präpariert, dass die Elektronen senkrecht zueinander schwangen.
"Natürlich kann man diese beiden Uhren vergleichen und nachschauen, ob die Frequenz der beiden Uhren unterschiedlich ist."
Licht ist im Universum überall gleich schnell
Laut Einsteins Relativitätstheorie sollten sich die Elektronen in beiden Uhren exakt gleich schnell bewegen, auch wenn sie in unterschiedlichen Richtungen schwingen. Dagegen legen andere, bislang spekulative Theorien nahe, dass die Bewegung in einer bestimmten Raumrichtung schneller abläuft – was dann dazu führen würde, dass die Atomuhren unterschiedlich ticken. Ein halbes Jahr dauerten die Messungen von Huntemann und seinen Leuten.
"Das Ergebnis des Vergleichs war, dass die Uhren im Rahmen ihrer Unsicherheit übereinstimmen und wir keine Störung finden konnten, die eine Verletzung unterstützen würde."
Einstein ist also wieder mal bestätigt, bestimmte Varianten der spekulativen Theorien scheinen widerlegt. Außerdem bewies das Experiment: Ytterbium-Uhren gehen tatsächlich ungemein genau.
"Wir haben festgestellt, dass die Uhren höchstens um 3 mal 10-18 voneinander abweichen. Oder anders ausgedrückt innerhalb von zehn Milliarden Jahren um etwa eine Sekunde falsch gehen dürften."
Das ist rund 50-mal genauer als die besten Cäsium-Atomuhren. Und das bedeutet:
"Das Ytterbium gehört zu dem Kreis der Atomuhren, die für eine Nachfolge des Cäsiums, das derzeit die Sekunde definiert, infrage kommen."
Aber es gibt auch andere Kandidaten, auf Basis etwa von Strontium oder Thorium. Welches Konzept das Rennen macht, ist noch offen. Es dürfte also noch dauern, bis die bewährte Cäsiumuhr ihren Nachfolger gefunden hat.