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Einstieg mit langem Atem und finanziellem Polster

Für Modedesign-Studierende ist die Berliner Fashion-Week ein Muss. Sie machen sich auf die Suche nach Praktika und Jobs und träumen von einem eigenen Modelabel.

Von Claudia van Laak |
    Kreuzberg, zweiter Hinterhof. Mariko Takahashi hat ein Männerhemd in der Mitte auseinandergeschnitten, näht jetzt ein Stück aus einem Strickpullover dazwischen. Aus zwei abgelegten Kleidungsstücken wird ein neues.

    Schmidt-Takahashi heißt das Modelabel, das die beiden Absolventinnen der Kunsthochschule Berlin-Weißensee im letzten Jahr gegründet haben. Sie sind zum zweiten Mal auf der Modewoche vertreten - Geld verdienen sie noch nicht mit ihrer kleinen Firma.

    "Wir können noch nicht von dieser Kollektion leben. Wir haben noch Nebenjobs, unsere Familien unterstützen uns auch. Aber wir wollen es bald als Hauptberuf machen und diese Kleidung verkaufen und dann auch davon leben."

    Den beiden Gründerinnen des Modelabels "Trikoton" geht es ähnlich, sie haben sich an der Universität der Künste kennengelernt, beim Seminar "Neo-Analog." Ziel war es, traditionelles textiles Handwerk mit modernen digitalen Technologien zu kombinieren. Ihre Idee: Gesprochenes oder Gesungenes in ein Strickmuster umzuwandeln. Im Verkaufsraum steht eine weiße Kabine, die an eine Telefonzelle erinnert. In der Kabine ein berührungsempfindlicher Bildschirm.

    "Wenn ich jetzt auf Starten klicke, wird alles aufgenommen. Je lauter ich bin, umso mehr Strickmuster wird aufgenommen. Hier ist ein Mikrofon, und wenn ich jetzt ein Lied singe: (singt) frère Jaques, frère Jaques, dormez-vous, dormez-vous…"

    dann wandelt ein spezielles Computerprogramm das Lied in ein Strickmuster um, erzählt Janja Meidel - Kundin und Freundin der Trikoton-Gründerinnen. Die Daten werden automatisch an eine thüringische Strickerei übertragen - zwei Wochen nach Bestellung ist das Unikat beim Besteller.

    "Dann hat jedes Kleidungsstück einen Zahlencode. Unter dem kann sich derjenige, der den Schal oder den Pullover bekommen hat, im Internet einloggen und sich das anhören. So hat man eine gute Rückkopplung"

    erläutert Designerin Magdalena Kohler. Auch sie ist mit ihrer kleinen Firma noch lange nicht in der Gewinnzone - typisch für Neugründungen nach dem Studium, die sowohl von den Hochschulen als auch durch viele Existenzgründerprogramme gefördert werden. Der Berliner Modedesigner Carl Tillessen hält diese Politik für verantwortungslos.

    "Man muss ich ja auch fragen, ob diese Förderung wirklich nachhaltig ist. Ich kenne kaum Leute, die das überlebt haben. Und das ist ja nicht so, dass man das ausprobiert und hoops, dann hat das nicht geklappt, und dann lässt man das wieder, sondern das sind ja Tragödien."

    Seit 13 Jahren ist Tillessen mit seinem Modelabel "Die Firma" auf dem Markt - in dieser Zeit hat er viele Unternehmenspleiten miterlebt. Sein Rat für Absolventen: erst einmal im Angestelltenverhältnis arbeiten, bevor man sich selbstständig macht. Und: sich von den Glamourgeschichten auf keinen Fall beeindrucken lassen.

    "In der Modebranche wird auch immer erzählt: Madonna hat ein T-Shirt von Designer X getragen, und damit war sein kometenhafter Aufstieg besiegelt. Das hat mit der Realität nichts zu tun."

    Eine Firmengründung sei kein Sprint, sondern ein Marathon, weiß Modedesigner Tillessen aus eigener Erfahrung. Nur wer einen langen Atem habe und ein finanzielles Polster besitze, der könne in der Modebranche überleben.