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Eintrittskarten für den Wald

Forstämter bitten zur Kasse. Wer den Wald kommerziell nutzt, zum Beispiel um Nordic-Walking-Kurse zu geben oder für Filmaufnahmen, soll dafür bezahlen, so die Idee. Denn der Wald müsse ja schließlich auch in Schuss gehalten werden. In Schleswig-Holstein werden neuerdings sogar Naturschutzverbände zur Kasse gebeten, für Waldlehrgänge zum Beispiel.

Von Claudia Thoma |
    500 Euro, 250 oder auch mal nur 30 Euro. Guckt man sich die Rechnungen an, die zum Beispiel die schleswig-holsteinischen Forstämter Rantzau oder Trittau ausgestellt haben, dann kommt man ins Staunen. Denn dort - und nicht nur dort - wurden Waldbenutzer deutlich zur Kasse gebeten. Plötzlich und unerwartet flatterten da Rechnungen ins Haus, für Nordic-Walking-Kurse, für Filmaufnahmen und sogar für naturkundliche Führungen. Christian Seyferth vom schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium:

    "Wenn sie sich ansehen, dass wir pro Jahr in der Forstverwaltung insgesamt ein Defizit von zirka zehn Millionen Euro einfahren, dann werden wir das nicht mit solchen Kostenbeiträgen decken können. Richtig ist aber schon, dass eben auch der Wald ein Wirtschaftgut ist, auch der Staatswald, und schon auch sehen muss, dass er für Einnahmen sorgt."

    Grundlage für die erhobenen Rechnungen ist das novellierte Landeswaldgesetz. Danach sind organisierte und kommerzielle Veranstaltungen in den kommunalen Wäldern und in den Staatswäldern genehmigungspflichtig. Was dann auch heißt, dass Rechnungen ausgestellt werden können:

    "Gerechtfertigt wird das mit den Kosten, die entstehen, zum Beispiel wenn sie eine Veranstaltung im Wald machen, wo hinterher gereinigt werden muss oder wenn Leitungen dort gelegt werden oder Filmaufnahmen gemacht werden, solche Sachen. Das ist legitim und das ist heute ganz unabhängig von der Debatte um eine mögliche Privatisierung."

    Wenn allerdings, wie im Katinger Watt an der Westküste Schleswig-Holsteins, nun auch Naturschutzverbände für ihre geführten Wald- oder Vogelstimmenexkursionen zur Kasse gebeten werden, dann geht das den NABU-Mitgliedern eindeutig zu weit. Denn genau die sorgen doch dafür, dass man den Wald als Gemeingut schätzen lernt, sagt Fritz Heydemann vom NABU Schleswig-Holstein:

    "Der Wald im Katinger Watt ist gerade für Erholungszwecke angelegt worden. Er erfüllt kaum eine Nutzfunktion, insofern ist es fast absurd zu nennen, dass nun diejenigen, die Unterstützung des Zieles Umweltbildung betreiben, auch noch Rechnungen ins Haus gestellt bekommen."

    Die Verwalter der Forstämter sehen ihren Wald allerdings als Wirtschaftsunternehmen. Die Pflege der Bäume und auch der Wege, das kostet, warum sollen Spaziergänger sich daran nicht beteiligen? Die staatliche Unterstützung reiche nicht aus, was die eingefahrenen Defizite ja zeigen. Nimmt also eine Wandergruppe oder ein Reiterverein den ein oder anderen Obolus von den Teilnehmern, dann möchte auch der Forst daran beteiligt werden. Das ist nicht mehr als Recht, sagt auch Förster Carl Jung:

    "Warum auch nicht? Stellen sie sich vor, sie machen Sport, laufen die Straße hoch und runter oder sie machen Sport im Fitnessstudio, da bezahlen sie Eintritt für die Benutzung der Geräte. Es ist ein Umfeld, in dem man einen kleinen Obolus entrichten könnte. Ich denke auch Einzelpersonen, ich denke an den Reiter, der unser Wegenetz nutzt, oder denken sie an Hundesportfreunde oder Crossfahrer, die mit den Mountainbikes, die würde ich problemlos zur Kasse bitten. Abseits der Wege, da wächst auch Wald und wenn der über die Maßen strapaziert wird, müssen wir umso länger warten, bis diese Generation wieder hoch gewachsen ist."

    Wie viel allerdings wofür verlangt werden kann, das liegt ganz im Ermessen der Forstämter. Eine Gebührenordnung gibt es nicht, die veranschlagten Beträge werden je nach Bedarf und relativ willkürlich erhoben, so Fritz Heydemann. Und künftig könnte sich das sogar noch verschärfen, befürchtet das NABU-Vorstandsmitglied. Denn wird der Staatswald umgestaltet oder privatisiert, dann könnte Waldbenutzung nicht nur wie bisher in Einzelfällen, sondern generell, also grundsätzlich etwas kosten.

    Weil man das auf keinen Fall hinnehmen will, haben sich Reitervereine, Naturschutzverbände und andere Vereinigungen zusammengeschlossen zu einem Bündnis Wald. Gemeinsam will man sich auch gegen eine Privatisierung des schleswig-holsteinischen Staatswaldes wehren und den Wald weiterhin, wie bisher, als allgemeines kostenfreies Gut erhalten.