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Einübung in die Liebe

Die eine mag gar nicht. "Freiheit soll die Losung sein" singt sie mit furienhafter Emphase. Die andere ziert sich weniger heftig. Dann gewinnt sie dem Gedanken doch etwas ab: Lieben, Heiraten, mit einem Mann leben – derweilen die beiden Männer fast zu Tode sich quälen.

Von Georg-Friedrich Kühn | 17.01.2004
    Am Ende ist alles im Lot. Die Widerspenstigen sind gezähmt. In seiner Frankfurter Zeit zwischen 1712 und ’17 schrieb der Komponist Georg Philipp Telemann diese Musik.

    Schäferspiele nannte man solche Einübungen in die Liebe: Liebe exterritorial, an einem exotischen Ort des Probierens in einem mythischen Arkadien.

    Die Schäferspiele grassierten geradezu. Es war sehr leicht, solche Liebeshändel an einen abstrakten Ort zu bringen. Man brauchte nichts weiter zu erklären, das spielte sich einfach ab. Das Besondere an dem Werk ist, dass es nicht nur ein Unikum in Telemanns Schaffen ist, sondern dass es durch die Verwendung als Hochzeitsmusik ein viel größeres Instrumentarium hat, zB Blechinstrumente, die man in einem Schäferspiel nicht vermutet. Und dass dies durch Telemann dazu genutzt wird, die Charaktere zu vertiefen.

    So Peter Huth. Er hat diese "Pastorelle en musique" herausgefischt aus dem Konvolut von Manuskripten der Berliner Singakademie, die 1945 von der Roten Armee beschlagnahmt und, 1999 in einem Archiv der Ukraine von dem Bach-Forscher Christoph Wolff wieder entdeckt, jetzt in der Berliner Staatsbibliothek lagern.

    Ich muss aber dazu sagen, dass es vorher bereits von einem Ukrainischen Musikstudenten abgeschrieben worden war, auch in Magdeburg gemeldet wurde. Aber die Magdeburger haben das nicht weiter gemeldet. Und so ist es zweimal entdeckt worden.

    Voller musikalischer Perlen steckt dies fast zweistündige Operchen. Ein Gelegenheitswerk gewiss der Sonderklasse.

    Die Berliner Komische Oper hat die szenische Erstaufführung nach fast drei Jahrhunderten einem jungen Team anvertraut. Man spielt in einem der so genannten "Meistersäle" nahe dem Potsdamer Platz.

    Als Groteske mit viel Ausstattungsmüll haben der Regisseur Vegard Vinge und seine Ausstatterin Nicole Riegel das auf die Minibühne gestemmt. Grimassierend muss sich die als heftigste Heiratsgegnerin gebranntmarkte Caliste von Evelien Asberg durch das Stück quälen.

    Immerhin musikalisch ist das mit dem Belgischen Barockspezialisten Florian Heyerick am Pult auf sehr hohem geglückt. Szenisch bleibt das Werk weiterhin zu entdecken, vielleicht auch mit einer etwas zupackenderen Bearbeitung der oft allzu länglichen Wiederholungen.