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Einweg, Mehrweg, Ausweg?

Die Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1998, besser bekannt als Streit um das Dosenpfand, soll geändert werden. Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, dann möglichst schon zum 1. Januar nächsten Jahres, aber der Weg dahin ist noch weit. Da müssen noch einige parlamentarische Hürden genommen und Feinheiten abgestimmt werden. Eine Etappe auf dem Weg zum Ziel war heute Morgen die Anhörung von Experten aus dem Getränke- und Verpackungsbereich vor dem Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Von Philip Banse | 23.11.2004
    Der Streit um die Verpackungsverordnung scheint noch nicht beigelegt. Im Gegenteil: Zwar hat der Umweltausschuss soeben dem Bundestag empfohlen, der geänderten Pfandregelung zuzustimmen. Doch neben dem Bundestag muss auch der Bundesrat noch zustimmen. Und Zündstoff, das zeigte sich heute, gibt es reichlich. Die Bundesregierung will mit der Novelle des Dosenpfandes das Pfandsystem vereinfachen und EU-konform gestalten. Es soll ein einheitliches Pfand von 25 Cent erhoben werden, und zwar auf Mineralwasser, Erfrischungsgetränke, Bier und Alkopops in Einweg-Verpackungen. Dies, so die Bundesregierung, seien Massengetränke, der Aufwand der Pfanderhebung sei somit zu rechtfertigen. Kein Pfand soll es geben auf Getränke, die weniger oft verkauft werden, wie Fruchtsäfte, Fruchtnektar, Wein, Milch und Diätgetränke. Ebenfalls pfandfrei sollen Getränkeverpackungen sein, die von unabhängiger Stelle als ökologisch vorteilhaft bewertet werden. Verena Böttcher, Geschäftführerin des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels sagte, die angestrebte Vereinfachung werde nicht erreicht:

    Diätetische Produkte, ja; nein, Fruchtsaftgetränk, Fruchtnektargetränk – sie werden in den Regalen nach wie vor Getränke haben, die sie als Verbraucher als identische Produkte wahrnehmen, aber dennoch ist das eine dann bepfandet, das andere nicht bepfandet. Für den Verbraucher wird es nach wie vor ein Problem sein, das nachzuvollziehen, für ihn wird der Wirrwarr bleiben.

    Auch der als Experte geladene Bonner Rechtsanwalt Ingo Pflugmacher kritisierte, die geplante Dosenpfand-Regelung sei so kompliziert wie die bestehende:

    Das Ungetüm, das hier entstanden ist, das ist für den Rechtsanwender praktisch nicht mehr handelbar.

    Regierungsvertreter Winfried Herrmann von Bündnis 90/Die Grünen gestand unter dem Stöhnen vieler Ausschussmitglieder ein, dass die neue Verpackungsverordnung kompliziert sei, schuld sei aber nicht die Bundesregierung:

    Das ist natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass wir einen komplizierten Föderalismus haben mit komplizierten Entscheidungen.

    Eine weitere wichtige Neuerung der Pfandregelung ist das geänderte Rücknahmesystem. Für die Frage, ob ein Händler eine Getränkeverpackung zurücknehmen muss oder nicht, wäre nach der neuen Regelung nur noch das Material entscheidend: Verkauft ein Supermarkt pfandplichtige Getränke in Plastikflaschen, muss er alle pfandpflichtigen Plastikflaschen zurücknehmen – egal, welcher Marke oder wie sie aussehen. Aus praktischer Sicht ist diese Regelung für den Handel akzeptabel. Wolfgang Brügel, der als Präsident 8000 Getränke-Einzelhändler vertritt, sagte, mit dem so genannten P-System könnten die heutigen Insellösungen durch ein einheitliches Rückgabesystem ersetzt werden:

    Selbstverständlich können wir und die Firmen in meinem Bereich das P-System übernehmen. Das ist dann eine Frage der Kosten oder sonst was, aber möglich ist es selbstverständlich.

    Doch gegen die geplante Rücknahmeregelung gibt es rechtliche Einwände. Die EU-Kommission hatte bemängelt, dass mit den derzeitigen Insellösungen der freie Warenverkehr behindert wird und ausländische Wettbewerber benachteiligt werden. Am 14. Dezember wird der Europäische Gerichthof über die deutsche Pfandregelung entscheiden. Bundesumweltminister Jürgen Trittin geht davon aus, dass die veränderte Verpackungsverordnung den Anforderungen des EU-Rechts entspricht und vor dem EuGH gestehen wird. Der Bonner Jurist Ingo Pflugmacher sagte jedoch heute, es sei durchaus möglich, dass der Europäische Gerichtshof die Verordnung kassiere. Denn die Verordnung belege einige Getränke mit Pfand, weil es Massengetränke seien. Eine Einschränkung des freien Warenverkehrs beispielsweise durch Pfand sei jedoch nach EU-Recht nur möglich, wenn sie umweltpolitisch begründet wird. Pflugmacher kritisierte, die Verordnung werde durch die Gremien gepeitscht und forderte auf, das EuGH-Urteil abzuwarten:

    Wir gehen nach meiner rechtlichen Auffassung sehenden Auges das Risiko ein, dass der EuGH wegen fehlender umweltrechtlicher Rechtfertigung für Eingriffe in den freien Warenverkehr, die auf dem getränkebezogenen Ansatz beruhen, in anderthalb Jahren diese Verordnung erneut aufhebt, weil wir aus nicht umweltpolitisch gerechtfertigten Gründen diese Märkte pfandfrei stellen.