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Einzelhandel bedauert Ende der Schlussverkäufe

Klaus Remme: Werden Sie die Schlussverkäufe vermissen?

    Hubertus Pellengahr: Wir werden die Schlussverkäufe vermissen. Die Schlussverkäufe waren ein nationales, große Ereignis des gesamten deutschen Einzelhandels und sie haben eben viele Kunden in die Städte gebracht. Das haben wir jetzt wesentlich schwerer, wenn es keine gemeinsamen Ausverkäufe mehr gibt.

    Remme: Warum wird diese Tradition nun aufgegeben, wenn man sie denn vermisst?

    Pellengahr: Die Tradition der Schlussverkäufe wird aufgegeben, weil wir aus wettbewerbstechnischen Gründen gezwungen sind, Rabattaktionen das ganze Jahr hindurch zuzulassen und der Gesetzgeber wollte jetzt nicht den Schlussverkauf gesetzlich schützen, dadurch, dass mit dem Begriff Schlussverkauf nur zwei Mal im Jahr geworben werden darf. Dann hätten wir weiterhin ein Zeitfenster gehabt für gemeinsame Ausverkäufe. Wenn eine solche Regelung nicht erfolgt, wird es ganz schwierig oder fast unmöglich sein für den Einzelhandel, sich über den Zeitpunkt des Ausverkaufs abzusprechen, weil solche Absprachen dann als verbotene Preisabsprachen gewertet werden könnten. Und hier gibt es unterschiedliche Auskünfte von den Kartellbehörden der Länder und deshalb fürchten wir, dass das der letzte gemeinsame Ausverkauf sein wird, der heute beginnt.

    Remme: Herr Pellengahr, war denn der Schlussverkauf über all die Jahre eigentlich immer eine Erfolgsgeschichte oder gab es Phasen, in denen man genauso gut hätte darauf verzichten können?

    Pellengahr: Der Schlussverkauf war sicherlich in der Nachkriegszeit noch sehr viel wichtiger für Handel und die Konsumenten, als er das heute ist. Wir haben ja heute schon fast die volle Rabattfreiheit. Bereits vor Weihnachten hat es viele, viele Rabatte gegeben. Aber es hat sich eben auch gezeigt, dass die Konsumenten durch die Rabatte verunsichert worden sind. Im Schlussverkauf wissen sie, dass das echte Preisreduzierungen sind, dass sie garantiert den niedrigsten Preis bezahlen und sie können praktisch blind kaufen. Deshalb haben die Schlussverkäufe auch heute noch eine Berechtigung und deshalb plädieren wir weiterhin dafür, dass zumindest der Begriff des Schlussverkaufs gesetzlich geschützt bleibt.

    Remme: Vier Mal im Jahr eine Minute 30 in der Tagesschau, auf diese kostenlose Werbung werden Sie verzichten müssen. Tut das weh?

    Pellengahr: Das tut natürlich weh. Das tut vor allen Dingen dem mittelständischen Einzelhandel weh, der nicht die Werbepower hat, um die Kunden dann zu seinem Ausverkauf in die Geschäfte zu holen. Im Schlussverkauf kommen die Menschen in die Städte, weil sie wissen, alle Geschäfte, mehr oder weniger, nehmen an den Schlussverkäufen teil. Künftig muss jeder seinen Schlussverkauf zu dem Zeitpunkt machen, den er für richtig hält. Gemeinsame Ausverkäufe sind dann, wie gesagt, fast nicht mehr möglich.

    Remme: Wo Sie die Kleinen gerade erwähnen, ist der Schlussverkauf eigentlich über die Jahre eine Aktion gewesen, von der vor allem die Großen in der Branche profitiert haben?

    Pellengahr: Ich glaube, es ist umgekehrt: Im Schlussverkauf machen die Großen ein Stück weit die Werbung mit für die Kleinen. Die kleinen Fachgeschäfte profitieren vor allem von den Schlussverkäufen. Die großen sind in der Lage, ihre Verkaufsaktionen entsprechend lautstark zu bewerben, sie sind nicht so zwingend auf gemeinsame Ausverkäufe angewiesen. Aber auch die Großen profitieren davon, man sieht es ja auch daran, dass alle beim Schlussverkauf mitmachen. Das ist auch beim letzten Schlussverkauf so, da geben sich alle noch einmal besonders Mühe.

    Remme: Herr Pellengahr, dann wollen wir einmal praktisch werden. Immer wieder wird der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Abverkauf zu Wachsamkeit aufgefordert. Wo liegen die Fallen, auf die man auspassen muss?

    Pellengahr: Die Fallen liegen da, dass man nichts kaufen sollte, was einem nicht gefällt. Also, auch im Schlussverkauf geht es um Qualität. Man sollte alles in Ruhe auswählen und nur das, was passt, auch wirklich kaufen, denn Schlussverkaufsware ist ja in der Regel vom Umtausch ausgeschlossen, das heißt, Sie können es nicht nach ein paar Tagen zurückbringen, weil es nicht mehr gefällt. Selbstverständlich fehlerhafte Ware, die vorher nicht als solche kenntlich gemacht wurde, die kann man umtauschen, es gelten die normalen Gewährleistungsansprüche.

    Remme: In Zahlen und%en, was erwarten Sie vom Winterschlussverkauf 2004?

    Pellengahr: Es läuft im Einzelhandel seit Anfang des Jahres etwas besser, die Kosumstimmung hat sich gebessert. Ob das an der Steuerreform liegt oder ob es andere Gründe hat, das werden wir sehen. Das ist ein positives Zeichen für den jetzt heute beginnenden Schlussverkauf, deshalb sind wir zuversichtlich, dass wir das Vorjahresniveau erreichen oder vielleicht sogar übertreffen werden. Der Einzelhandel hat ganz dringend einen Schub nötig und da ist der Schlussverkauf der erste Höhepunkt des Jahres.

    Remme: Wir erleben ja nun seit Monaten wahre Rabattschlachten. Sie stoßen da jetzt ein bisschen in das gleiche Horn. Ist ab jetzt immer Schlussverkauf?

    Pellengahr: Das ist unser Problem. Ab demnächst kann dann immer mit Schlussverkauf geworben werden, aber ob es wirklich auch ein Schlussverkauf ist, das müssen dann die Konsumenten im Einzelfall herausfinden. Und wenn man Dauerschlussverkauf hat, dann verliert der Schlussverkauf natürlich auch seine Wirkung auf die Konsumenten, da kann man dann am Ende keinen Hunde mehr mit hinter dem Ofen mehr hervorlocken, und damit ist die Marke Schlussverkauf dann wertlos geworden.

    Remme: Hat man es denn mit den Rabatten zu weit getrieben? Ich erinnere mich an ein Zitat aus der vergangenen Woche, da beklagte eine Sprecherin des Einzelhandels, man müsse den Kunden die Ware praktisch schon schenken, bevor sie sie mitnehmen.

    Pellengahr: Das ist das Problem, der Einzelhandel hat unter den Umsatzeinbrüchen vor Weihnachten gelitten, hat darauf mit diversen Rabattaktionen reagiert. Das hat am Ende auch nicht geholfen, die Konsumenten zum Kaufen zu bewegen. Die Konsumenten sind verunsichert, sie wissen überhaupt nicht mehr, welcher Preis für ein Produkt gerechtfertigt ist, und das ist eben das Gute am Schlussverkauf, da sind die Konsumenten nicht verunsichert, da wissen sie genau, das ist eine Ausnahmesituation. 50 Prozent billiger ist es nur im Schlussverkauf, danach zahlt man wieder die normalen Preise.

    Remme: Wie kriegt man dieses Geizverhalten wieder, ich hätte fast gesagt, zurück in die Tube, Herr Pellengahr? Wie wollen Sie erreichen, dass der Kunde jemals wieder reguläre Preise zahlt?

    Pellengahr: Es ist ganz schwierig. Der Einzelhandel hängt eben von den Rahmenbedingungen ab und da muss man vor allem die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland erwähnen, die hohe Steuern- und Abgabebelastung. Solange das so ist, werden die Konsumenten vorsichtig sein bei ihren Konsumausgaben. Sie werden versuchen, beim Einkauf zu sparen. Aber der Einzelhandel bemüht sich, über mehr Service, mehr Qualität auch wieder höhere Preise zu erzielen. Das geht nicht von heute auf morgen, das ist ein langer Prozess. Insgesamt muss es wirtschaftlich in Deutschland wieder nach vorne gehen, die Menschen müssen wieder Vertrauen in die Zukunft gewinnen und dann werden sie auch wieder freudiger konsumieren.

    Remme: Also ein Ende der deutlichen Rabatte ist nicht abzusehen?

    Pellengahr: Wir gehen davon aus, dass sich die Rabattitis in diesem Jahr doch etwas beruhigen wird. Allerdings bleibt der Druck auf die Preise erhalten. Wir erwarten allerdings, dass es weniger spektakuläre Rabattaktionen geben wird als vielmehr Dauerniedrigpreise. Die Konsumenten wollen eben die Preise auch durchschauen, sie wollen transparente und glaubwürdige Preise, denn sonst ist dieses Vertrauen der Konsumenten in die Preisbildung des Einzelhandels erschüttert. Wenn sie zwei Tage später alles für die Hälfte kaufen können, dann kauft eben gar keiner mehr.