Meurer: Und wenn die anderen fünf Länder nicht mitziehen? Dann haben wir doch den Flickenteppich.
Pellengahr: Der Wettbewerb wird sicherlich dafür sorgen, dass hier sich sehr schnell die gesetzlichen Öffnungszeiten einspielen werden. Das ist der einzig vernünftige Weg, dass man es an den Werktagen ganz frei gibt. An den Werktagen befürchten wir keinen Flickenteppich, das sehen wir eher beim Sonntag, denn hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Der Sonntag ist ja als Tag der Arbeitsruhe vom Grundgesetz ganz besonders geschützt. Das hat das Verfassungsgericht vor ein paar Monaten in seinem Ladenschlussurteil noch einmal bestätigt. Auch wir sind der Meinung, dass vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr genügen sollten. Das sehen die Länder aber im Moment noch sehr, sehr unterschiedlich. Ein Land wie Berlin hat da sehr weitgehende Vorstellungen, was die Sonntagsöffnungen angeht, während die Baden-Württemberger ihren Geschäften das nur zweimal im Jahr erlauben wollen. Das führt dann zu Wettbewerbsverzerrungen, zu einem ganz unsinnigen Einkaufstourismus. Das kann nicht unser Ziel sein. Auch beim Sonntag ist es ganz wichtig, dass wir hier eine bundeseinheitliche Regelung behalten.
Meurer: Die Wettebewerbsverzerrung am Sonntag kann man ja nachvollziehen, aber wo wäre eine Wettbewerbsverzerrung, wenn in Stuttgart Freitags bis 22 Uhr geöffnet ist und in Berlin nur bis 20 Uhr?
Pellengahr: Deshalb sehen wir das Problem an den Werktagen gar nicht so, dass es da zu den Wettbewerbsverzerrungen kommt. Zu den Wettbewerbsverzerrungen kommt es natürlich immer an den Landesgrenzen. Das zieht sich dann quer durch die Republik. Die Geschäfte sollen das selbst entscheiden. Es wird gar nicht so sein, dass Sie in Stuttgart um 23 Uhr noch viel offene Geschäfte finden werden, weil die Kunden gar nicht nachts einkaufen wollen. Aber auch das ist ein Grund dafür, es getrost den Unternehmen selbst zu überlassen. Die Unternehmen gehen mit den Öffnungszeiten natürlich verantwortungsbewusst um. Sie kalkulieren, wann sie Umsatz und Gewinn erwarten können, und werden auch nur dann öffnen. Das heißt, die Mitarbeiter stehen sich auch nicht sinnlos die Beine in den Bauch.
Meurer: Da es ja schon im Moment so ist, dass die einen Läden um 20 Uhr zu machen und die anderen, doch eher die kleineren um 18:30 oder um 19 Uhr, irritiert das die Kunden und Käufer ihrer Erfahrung nach?
Pellengahr: Es irritiert die Kunden, wenn die Geschäfte in einer Einkaufsstrasse zu sehr unterschiedlichen Zeiten geöffnet haben. Deshalb ist es ganz wichtig, dass es Absprachen über die Ladenöffnungszeiten gibt, dass sich die Händler in einer Innenstadt oder einer Fußgängerzone einigen auf bestimmte Zeiten. Das ist viel wichtiger, als die tatsächlichen Öffnungszeiten, dass die Kunden sich darauf verlassen können. Das ist ja auch der große Vorteil der Einkaufszentren, da sind alle durch Mietverträge gezwungen, sich an bestimmte Zeiten zu halten. Das brauchen wir auch in den Innenstädten, damit die Innenstädte wieder attraktiver werden. Die Freiheit zwingt die Unternehmen dazu, solche Absprachen zu treffen. Sie sind kartellrechtlich ausdrücklich zulässig.
Meurer: Ein Argument gegen eine weitere Liberalisierung und Freigabe lautet: Gehen die kleineren Geschäfte weiter kaputt und die großen profitieren?
Pellengahr: Eben das befürchten wir durch die Freigabe an den Werktagen nicht, weil das Gros der Umsätze sich weiterhin deutlich vor 20 Uhr abspielen wird, so wie das auch schon heute der Fall ist. Die Abendöffnung wäre dann die Ausnahme, aber diese Ausnahme darf man natürlich auch nicht durch das Gesetz verbieten. Die Mittelständler, die kleineren Geschäfte in ländlichen Regionen hätten das Nachsehen, wenn der Sonntag ein regelmäßiger Einkaufstag würde. Dann würde der Rubel rollen vor allem in den Großstädten, in den Einkaufszentren, aber ganz bestimmt nicht in ländlichen Regionen und das ist ein Grund, warum wir gegen eine Ausdehnung des Sonntagsverkaufs sind.
Meurer: Hat aus Sicht des Einzelhandels es sich überhaupt gelohnt, dass jetzt bis 20 Uhr werktags geöffnet werden darf?
Pellengahr: Das Bild ist sehr uneinheitlich. Es hängt eben sehr vom Standort ab. Für die Geschäfte in den größeren Städten, in den Innenstädten und in den Einkaufszentren hat sich das gelohnt. Vor allem die Verlängerung der Ladenöffnungszeit am Samstag wird gut angenommen von den Kunden. Die Kunden kommen später zum Einkaufen am Samstag, sie geben vielleicht nicht unbedingt mehr Geld aus, aber der Einzelhandel ist eine Dienstleistungsbranche, der muss sich nach den Wünschen der Kunden richten und darf nicht erst fragen, gebt ihr auch garantiert mehr Geld aus.
Meurer: Und Montag bis Freitag? Da sieht es anders aus zwischen 18 Uhr und 20 Uhr?
Pellengahr: Von Montag bis Freitag haben wir schon seit 1996 die längeren Öffnungsmöglichkeit. Auch das funktioniert an einigen Standorten sehr gut, an anderen Standorten rechnet es sich nicht. Man muss sich ja nach Ort des Geschäftes und nach seinem Sortiment nach den Wünschen seiner Kunden richten und von daher würde ich sagen, sind die Erfahrungen mit den längeren Öffnungszeiten auf jeden Fall positiv.