
Das Institut für Biologie und Umweltwissenschaften der Göteborg Universität. In einem der unzähligen Labore bewahrt Erik Selander seine Proben in einem Gefrierschrank auf. Kleine Gläschen, in denen tief gekühlte Ruderfußkrebse lagern. Er holt eines der Gefäße heraus.
"Hier haben wir ein paar Ruderfußkrebse eingefroren."
Erkennen lässt sich in der braunen gefrorenen Brühe jedoch nichts. Die Krebstierchen sind weniger als einen Millimeter groß.
"Das hier sind Ruderfußkrebse vom Kosterfjord an der schwedischen Westküste. Wir haben uns die unterschiedlichen Substanzen angeschaut, die verschiedene Arten produzieren. Offenbar sondert jede Art einen ganz spezifischen Cocktail verschiedener Komponenten ins umgebende Meerwasser ab."
Dass Ruderfußkrebse diese Substanzen absondern, haben Erik Selander und seine Kollegen bereits vor ein paar Jahren beobachtet. Warum diese Planktonorganismen das tun, ist noch immer ein Rätsel. Doch die Biologen konnten nun zeigen, dass einzellige Algen, von denen sich die Ruderfußkrebse ernähren, diese Duftstoffe als Warnsignal nutzen. Sobald die Algen ein oder mehrere dieser Komponenten wahrnehmen, ändern sie ihr Verhalten. Erik Selander hat dieses merkwürdige Benehmen auf einem Video dokumentiert. Zu Beginn des Videos sieht man Algen, die sich zu viert oder fünft wie Perlen auf einer Schnur angeordnet haben.
"Normalerweise setzen sich die Algen zu solchen Ketten zusammen, damit sie schneller schwimmen können. In Gegenwart der Krebse lassen die Algen aber sofort los, schwimmen einzeln und werden dabei langsamer. Außerdem werden die Zellen kleiner, sie schrumpfen. Man denkt nicht, dass man sich in durchsichtigem Wasser verstecken kann, aber die Krebse sehen schlecht und nehmen die Algen nicht mehr wahr, wenn sie langsamer schwimmen."
Chemische Abwehr
Die winzigen Einzeller ändern aber nicht nur ihr Verhalten. Sie setzen auch ihre chemische Abwehr in Gang, wenn sie mit den Ruderfußkrebs-Substanzen in Kontakt kommen. Die untersuchten Algen gehören zu den Dinoflagellaten. Diese sind dafür bekannt, im Sommer häufig giftige Algenblüten zu verursachen, an denen sich auch Liebhaber von Meerestieren vergiften können, wenn sie kontaminierte Muscheln essen. Diese Giftstoffe werden von den Algen offenbar produziert, um sich Feinde vom Leib zu halten.
"Wir haben gesehen, dass die Algen giftiger werden und seltener gefressen werden, wenn wir sie mit den Ruderfußkrebs-Substanzen in Kontakt bringen. Wenn das im Freiland genauso funktioniert, hieße das, dass die Algenblüten dadurch giftiger werden und vielleicht führt es auch überhaupt erst dazu, dass diese giftigen Algenblüten entstehen."
Ziel: Zuchtanlagen einen Angriff vorgaukeln
Wie genau dieses Phänomen mit den winzigen Ruderfußkrebsen zusammenhängt, wollen Selander und seine Kollegen nun genauer erforschen. Dass sich mit diesem Wissen giftige Algenblüten verhindern lassen, glaubt der Forscher zwar nicht. Aber er hat schon jetzt eine konkrete Idee, wie sich die abschreckende Wirkung der Ruderfußkrebse in der Praxis einsetzen lassen könnte: Er möchte Zuchtalgen einen Feindangriff vorgaukeln, um die Giftproduktion zu steigern.
"Die Giftstoffe der Algen werden kommerziell in Bioreaktoren hergestellt. Doch die Zucht ist gewissermaßen der Flaschenhals bei der Produktion. Wir haben aber gesehen, dass wir die Toxin-Herstellung um mehrere 100 Prozent steigern können, wenn wir die Substanzen der Ruderfußkrebse zugeben. Wahrscheinlich bis zu 1.000 Prozent."
Das Gift wird beispielsweise in Testsystemen genutzt, um die Sicherheit bestimmter Nahrungsmittel zu gewährleisten. Ein Patent für diesen Algenzucht-Booster haben die Forscher bereits angemeldet.