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Eis für den Fisch

180 Tonnen Eis produziert das Eiswerk in Bremerhaven jeden Tag - früher ausschließlich zur Kühlung von frischem Fisch. Heute versorgt die Firma auch Skihallen, Sportevents und Cocktail-Trinker mit gefrorenem Wasser in jeder Form.

Von Godehard Weyerer |
    Eis ist vergänglich, es schmilzt. Eine bessere Geschäftsgrundlage kann sich Helga Düring nicht vorstellen. Seit 18 Jahren leitet sie das Bremerhavener Eiswerk. Trotz Sommer und Sonne liegt auf der Auffahrt weißes Eis – ein eindeutiger Indiz, was hier produziert wird.

    "Wir haben immer ein bisschen Winter. Es gibt ja keine Rückstände, wir haben mit der Entsorgung nicht ganz so viele Probleme."

    Aus Trinkwasser wird das Kunsteis hergestellt. Seit 1911, seit das Werk in Bremerhaven gegründet wurde als sogenanntes "Hilfsgewerbe" für die Fischindustrie. Die Hochseefischerei hatte begonnen. Die großen Fisch-Trawler gingen zwei, drei Wochen auf Fangreise.

    Laut, ohrenbetäubend laut ist es in der Maschinenhalle. Aus den 60-iger Jahren stammt die Anlage, Auch der Schaltraum versprüht den Charme vergangener Jahrzehnte. Aber alles ist voll automatisiert, die betagte Anlage läuft störungsfrei rund um die Uh:

    "Die Maschinenhalle ist das Herzstück des Unternehmens. Das ist die Röhreneisanlage, drei zylindrische Behälter, in jedem Zylinder sind 120 Röhren. In diesen Röhren wird das Trinkwasser eingeleitet, in der äußeren Ummantelung ist als Kühlmittel Ammoniak, dann setzt der Gefriervorgang ein."

    180 Tonnen Eis produziert das Werk. Jeden Tag. Acht Mitarbeiter sind es heute. Früher, vor der Automatisierung, waren es 70 bis 75. Eine Stahltreppe führt hinauf zum Eisbunker. Frostig ist es darin. Bis zu 450 Tonnen Eis lagern hier. Eine große Kranschaufel schwebt über der weißen Pracht und verteilt das kalte Gut auf zwei Förderbänder. Das eine bringt das Eis runter in die Halle, wo es in blaue Boxen oder in Plastikbeutel abgefüllt wird. Über das zweite Band werden draußen die silbernen Kübelwagen befüllt.

    Ein Unimog bringt das Eis zu den Kunden im Fischereihafen. Zu 70 Prozent, sagt Geschäftsführerin Helga Düring, geht es immer noch in die Fischindustrie. Andere Abnehmer sind hinzugekommen: Tankstellen, Party-Service, Werksverkauf in Zwei- und Fünf-Kilo-Beuteln:

    "Würfeleis besteht aus ästhetischen Gründen aus gleich großen Stücken, Feineis für Cocktails, das Scherbeneis ist ein hauchfeines Blättchen für Fischfilets. Da können Sie nicht so einen dicken Eisbrocken drauf tun, das würde quetschen und die Qualität des Filets beeinträchtigen."

    Unten in der Abpackhalle rauscht das zerkleinerte Eis über einen Trichter in blaue Kunststoff-Boxen. Aus Hygienegründen tragen die Arbeiter einen Haarschutz. Friedrich Deutsch, der 1966 im Betrieb anfing, musste noch ohne Kopfschmuck auskommen:

    "Mit der Kreissäge wurde das gesägt. Die Platten kamen auf den Tisch rauf, dann wurde mit der Kreissäge da rübergelaufen, um die Stangen zu sägen."

    Damals war das Zerkleinern der 2,5 Meter auf 3,50 Meter großen Eisplatten richtige Knochenarbeit. Heute läuft alles wie von Geisterhand gesteuert. Unentwegt spuckt die Anlage fein geschnittenes Eis aus. 350 Kilogramm passen in jede der blauen Boxen. Die Ware geht zur Deutschen See, einem örtlichen Fischverarbeitungsbetrieb. Draußen wartet bereits der LKW. Den Transport in die Fisch-Auktionshallen übernahmen früher Elektrokarren – die Abgase von Verbrennungsmotoren waren in den Hallen streng verboten. Eines dieser hochrädigen, unförmigen und giftgrünen Vehikel steht noch auf dem Firmengelände – mit Vollgummibereifung und einer Leistung von 14 PS.

    "Der war schon immer giftgrün. Die waren so bekannt, die bleiben so. Die Lenkung ist schon gewöhnungsbedürftig, sehr schwergängig. 1928, nein hier steht Baujahr 1922."

    Aus gutem Grund liegt das Bremerhavener Eiswerk nur ein paar Meter entfernt vom Hafenbecken. Die kurze Strecke überbrückt ein schmaler Förderweg auf fünf bis sechs Meter hohen Stelzen. Früher lagen die Schiffe in Dreierreihe im Hafenbecken. Jetzt ist es gerade noch eines – die "Gera", ein Museumsschiff.

    "Da drüben ist die Schiffsvereisungsstation. Als noch große Trawler ausgelaufen sind, sind die da an die Pier gekommen und haben über den Rüssel, der da zu sehen ist, das Eis direkt in den Laderaum bekommen. Die haben 120 Tonnen immer mit genommen auf Fangreise."

    Neue Abnehmer sind hinzugekommen. Den Biathlon-Weltcup im thüringischen Oberhof hat das Bremerhaven Eiswerk beliefert, auch die Indoor-Skihalle in Bispingen. Selbst die US-Army, als sie noch in Bremerhaven stationiert war, zählte Geschäftsführerin Helga Düring zu ihren Kunden. Fast 1000 Tonnen Eis, in Beuteln verpackt, wurden während des Balkan-Krieges nach Albanien, Mazedonien und Kroatien geliefert – tiefgekühlt, damit das Eis unterwegs nicht schmolz.