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Eis unter Druck

Physik. - Wasser ist ein erstaunlicher Stoff. Als einer von wenigen Stoffen ist es zum Beispiel in der festen Form leichter als in seiner flüssigen Form. Das liegt an speziellen Bindungen zwischen den Wassermolekülen. Doch auch Eis ist nicht gleich Eis. Die Forscher unterscheiden bis zu zwölf verschiedene Formen von Eis.

    " Jede Substanz verändert sich, wenn man Druck und Temperatur variiert. Wenn Sie Eis aus dem Kühlschrank herausnehmen, dann geht es in eine andere Phase über, aber genau so gibt es eben in der festen Form viele verschiedene Phasen. Gerade bei Eis kennt man mittlerweile mehr als zehn, manche sagen, es gibt zwölf Formen", erklärt Dominik Marx, Professor für Theoretische Chemie an der Ruhr-Universität Bochum. Eine der spannendsten Eisformen ist das Eis-X. Seit den 70er Jahren nahmen die Forscher an, dass unter hohem Druck die Bindungen zwischen den Wassermolekülen ähnlich stark wie die innerhalb der Moleküle würden und so aus dem Kristall aus Molekülen ein Kristall aus Atomen entstünde. Beweisen konnte man diese Annahme jahrelang nicht, doch 1999 gelang gleich drei Arbeitsgruppen die Beobachtung. Sie setzten einen winzigen Eiswürfel dem millionenfachen Druck der Erdatmosphäre aus. Allerdings wiesen die Beobachtungen große Unstimmigkeiten auf, eine französische Arbeitsgruppe meinte sogar, eine weitere Modifikation des Eises entdeckt zu haben.

    Diese Widersprüche ließen Marx und seinen Mitarbeitern keine Ruhe. Darum entschlossen sie sich, die Experimente in einer Computersimulation nachzuvollziehen. Um die Strukturveränderung genau beobachten zu können, simulierten sie die quantenmechanischen Eigenschaften jedes einzelnen Atoms in ihrem Computer, also im Grunde die Kräfte, die die Moleküle zusammenhalten. Marx: "So haben wir alle Informationen über dieses System, während der Experimentator natürlich immer nur die Informationen hat, die sein spezielles Experiment hergibt." Die Bochumer Chemiker konnten also direkt beobachten, wie sich ihr simuliertes Eis veränderte. Und gleichzeitig berechnen, wie sich diese Veränderungen in den Messungen zeigen sollte. Mit den französischen Forschern zusammen verglichen die Bochumer ihre vorhergesagten Ergebnisse mit den Resultaten des französischen Experiments. Das Ergebnis des Vergleichs: die Messwerte stimmten überein, nur in der Interpretation war etwas schiefgelaufen. "Diese spektroskopischen Experimente sind dadurch extrem schwierig, weil die Spektren sehr anharmonisch sind. Sie können diese Messdaten nicht mit den einfachen Standardmodellannahmen wirklich befriedigend auswerten." Erst mit Hilfe der Simulation konnten die Forscher die Auswertung durchführen.

    [Quelle: Andrea Vogel]