Der Eisbär ist das größte an Land lebende Raubtier der Erde. Seit sieben Jahren erforscht John Whiteman von der University of Wyoming in Laramie in den USA den weißen Bären – sein Lieblingstier?
"Er ist eines davon. Mein Lieblingstier ist immer das, das ich gerade untersuche. Aber Eisbären sind schon erstaunlich und deshalb gehören sie zu meinen Lieblingstieren."
Eisbären-Weibchen ziehen sich im Winter in eine Schneehöhle zurück, um ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen. In dieser Zeit fallen sie in Winterschlaf, Atmung und Herzschlag verlangsamen sich, die Körpertemperatur sinkt. So können sie Energie sparen, die sie für die Aufzucht der Jungen benötigen. Einige wenige Beobachtungen von Eisbären in Alaska legten den Schluss nahe, dass sie auch in den Sommermonaten ihren Körper für kurze Zeit in einen Winterschlaf ähnlichen Zustand versetzen können, sie sind dabei zwar wach, können aber trotzdem Energie einsparen, so die Vermutung.
Neue Erkenntnisse durch GPS-Band
John Whiteman und seine Kollegen wollten herausfinden, ob das wirklich der Fall ist.
"Um die nötigen Daten zu erfassen, mussten wir die Eisbären aus dem Hubschrauber heraus mit einem Narkosepfeil betäuben. Für diese Studie haben wir 30 Eisbären einen Temperaturlogger implantiert, der ihre Körpertemperatur einmal pro Stunde aufzeichnet. Außerdem bekamen die Bären ein GPS-Halsband mit integriertem Beschleunigungsmesser umgelegt, damit wir ihre Position und ihre Aktivität in den Sommermonaten bestimmen konnten."
Der Sommer ist für die allermeisten Tierarten die Zeit des Nahrungsüberflusses. Nicht so für die Eisbären: Im Sommer zieht sich das Meereis zurück und für die Bären wird es dann schwieriger, an ihre Hauptnahrungsquelle, die Robben zu kommen, die unter und auf den Eisschollen leben. Dann wäre es für die Eisbären von Vorteil, mit weniger Energie auszukommen.
Die Eisbärenpopulation im Untersuchungsgebiet in Alaska spaltete sich im Sommer auf: Ein Teil der Tiere folgte dem sich zurückziehenden Meereis nach Norden, der andere schwamm an Land, um dort nach Nahrung zu suchen. Das Ergebnis war für beide Gruppen gleich:
"Im Sommer scheinen sich Eisbären genauso zu verhalten wie jedes andere Säugetier auch, wenn die Nahrung knapp ist. Das gilt auch für ihren Energiestoffwechsel. Die Körpertemperatur der Eisbären sank zwar im Laufe einiger Monate um ein bis eineinhalb Grad Celsius, aber das wäre bei mir oder Ihnen nicht anders, wenn wir hungern müssten. Dieser langsame, geringe Abfall der Körpertemperatur steht im Gegensatz zum abrupten und deutlichen Abfall der Körpertemperatur während des Winterschlafes im Winter."
Keine Reduktion des Kalorienverbrauchs
Das heißt, Eisbären können sich in den Sommermonaten nicht in einen Winterschlaf ähnlichen Zustand versetzen, folglich auch keine Energie einsparen. Sie sind in diesen Hungermonaten zwar weniger aktiv als im Winter, aber das reduziere nicht ihren Kalorienverbrauch, so der Biologe.
Keine guten Nachrichten, wenn man bedenkt, dass sich die angespannte Nahrungssituation durch den Klimawandel weiter verschlechtern könnte, weil das arktische Meereis in den Sommermonaten immer großflächiger schmilzt.
Ganz nebenbei konnten die Forscher in dieser Studie eine weitere Frage klären: Wie schaffen es die Eisbären, stundenlang im eiskalten Wasser zu schwimmen, ohne zu erfrieren? Das Fell verliert mit dem Sprung ins Wasser seine isolierenden Eigenschaften, eine dicke Ganzkörper-Fettschicht wie Robben oder Wale haben sie nicht.
"Unsere Daten legen nahe, dass Eisbären ihre äußerste Körperschicht herunterkühlen können, wenn sie ins Wasser springen. Diese Schicht isoliert dann und sorgt dafür, dass der Körperkern seine Temperatur von 37 Grad Celsius halten kann."
Vermutlich wird der Blutfluss in diese äußerste Schicht gestoppt, wenn der Bär schwimmt. Geht er an Land, fließt das Blut wieder und die ausgekühlten Bereiche erwärmen sich.