Samstag, 11. Mai 2024

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Eisele: USA sollten mit Iran verhandeln

Manfred Eisele, ehemaliger beigeordneter UN-Generalsekretär, empfiehlt bilaterale Gespräche zwischen den USA und dem Iran zur Entschärfung des Atomkonflikts. "Wenn die USA um diese bilateralen Gespräche sozusagen bitten würden, dann würden die Iraner sich als gleichberechtigten Gesprächspartner ernst genommen sehen", sagte Eisele. Das wäre eine wichtige Voraussetzung, um die scharfen Töne des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zu beenden.

Moderation: Friedbert Meurer | 28.04.2006
    Friedbert Meurer: Die Situation erinnert vielleicht ein wenig an das Katz- und Mausspiel zwischen UNO-Inspekteuren und Saddam Hussein in Bagdad. Das war vor einigen Jahren. Die UNO setzt Fristen, die werden dann nicht eingehalten, es werden Sanktionen angedroht, verschärft, und wie das Ganze dann ausgegangen ist, ist bekannt. Jetzt haben sechs ehemalige Außenminister, darunter Madeleine Albright aus den USA und der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer, in einem offenen Brief US-Präsident George Bush davor gewarnt, dem Iran am Ende den Krieg zu erklären. Die USA wollen genau das aber nicht ausschließen. Aber erst einmal wartet man in New York nun auf den Bericht des Direktors der Internationalen Atomenergiebehörde, El Baradei.

    Manfred Eisele war in den 90er Jahren beigeordneter UNO-Generalsekretär, kennt also sozusagen die Spielregeln und den Binnenbetrieb bei der UNO am East River. Guten Tag, Herr Eisele.

    Manfred Eisele: Grüß Gott, Herr Meurer.

    Meurer: Wenn wir zunächst davon ausgehen, heute endet die Frist, nichts ist passiert, womit auch keiner gerechnet hat. War das ein Fehler, diese Frist überhaupt zu setzen?

    Eisele: Nein, man muss ja eindeutig sehen, dass der Iran mit den Vereinten Nationen in der Vergangenheit, vor allen Dingen während des vom Irak gegen den Iran begonnenen und mit brutaler Gewalt geführten ersten Golf-Krieges von 1980 bis 1988, sehr, sehr schlechte Erfahrungen gemacht hat. Die Vereinten Nationen, insbesondere der Sicherheitsrat, haben etwa den massiven Einsatz von Nervenkampfstoffen und chemischen Waffen durch den Irak gegen den Iran überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Der Iran fühlte sich damals sozusagen von aller Welt verlassen und sieht sich deswegen gegenüber der Weltorganisation quasi in einer Opferrolle. Und das erklärt wohl auch, warum der Iran seine staatliche Souveränität auch auf dem sensitiven Gebiet der Produktion von Kernenergie so massiv betont.

    Meurer: Wenn das wirklich so war in den 80er Jahren, haben Sie dann Verständnis dafür, dass der Iran nicht mit der UNO kooperiert?

    Eisele: Verständnis ja. Auf der anderen Seite ist der Umgang mit Kernenergie so sensitiv und betrifft letztendlich die gesamte Menschheit, dass man dem Iran nun nicht etwa eine "card blanche" geben darf aus verletzter Eitelkeit oder aus einem Gefühl der Beleidigung oder solchen Empfindungen heraus, die wichtigen Regeln für den friedlichen Umgang mit Kernenergie außer Acht zu lassen.

    Meurer: Wenn wir jetzt einmal überlegen, Herr Eisele, was der UNO-Sicherheitsrat tun könnte, dann ist natürlich immer wieder vom berühmten Kapitel 7 die Rede. Viele meinen, das bedeutet automatisch Zwangsmaßnahmen gegen den Iran, was aber nicht so ist. Was halten Sie zum Beispiel von der weicheren Variante, die anscheinend auch in Berlin im Moment gut geheißen wir, nämlich den Artikel 39 in diesem Kapitel anzuwenden, der eben keine Strafmaßnahmen vorsieht, sondern sozusagen erst noch mal die gütliche Einigung sucht?

    Eisele: Das ist sicher richtig. Auf der anderen Seite öffnet Artikel 39 mit seiner Feststellung, dass die Lage im Iran - durch die Schuld der iranischen Regierung müsste man eindeutig hinzufügen - eine Bedrohung der internationalen Sicherheit darstellt, die Handlungsoptionen für die Weltorganisation, um gegebenenfalls eben auch Maßnahmen zu ergreifen. Nun muss man auf der anderen Seite sagen, dass in der Vergangenheit Sanktionen die beabsichtigte Verhaltensänderung der jeweiligen Machthaber kaum herbeigeführt haben, weder im Falle von Idi Amin oder Muammar Gaddafi und auch bei Saddam Hussein nicht, so dass man also keine zu großen Hoffnungen auf ein Sanktionsregime setzen darf.

    Meurer: Aber Artikel 39 würde doch gerade keine Sanktionen vorsehen?

    Eisele: Nein, aber wie gesagt, er würde die Voraussetzung für eventuell zu verhängende Sanktionen schaffen, indem er eben festschreiben würde, dass das Verhalten der iranischen Regierung eine Bedrohung der internationalen Sicherheit sei. Und das reicht ja nicht aus, eine derartige Feststellung zu treffen, wie man im Falle etwa der massiven Menschenrechtsverletzungen von Milosevic gegen seine eigenen Landsleute, die Kosovo-Albaner, gesehen hat. Damals hat die Veto-Androhung aus Moskau den Sicherheitsrat daran gehindert, gegen das Milosevic-Regime tätig zu werden, und ohne vorherige Autorisierung durch den Sicherheitsrat ist damals die NATO tätig geworden.

    Meurer: Sie sind skeptisch, was Sanktionen angeht. Nehmen wir aber einmal an, es gelänge einen Weg zu finden für, ich sage mal, weiche Sanktionen, vielleicht internationale Reisebehinderungen, denen auch Moskau und Peking zustimmen würde, wäre das nicht ein deutlicher Fortschritt?

    Eisele: Das könnte man vielleicht so sehen. Ich meine aber, dass man die diplomatischen Möglichkeiten noch nicht genügend ausgeschöpft hat. Hier müssen sich vor allen Dingen die Vereinigten Staaten natürlich sagen lassen, dass ihre Verweigerung bilateraler Gespräche mit Teheran die Situation nicht unbedingt entspannt. Ich meine, die USA sollten ihr eigenes Verhalten im Falle Nordkoreas zum Beispiel nehmen und auf bilaterale Gespräche als wichtigen Schritt zur Entspannung setzen.

    Meurer: Wieso sollte Teheran dann kompromissbereiter sein?

    Eisele: Ich glaube, dass es hier ganz wichtig ist, dass das öffentliche Bewusstsein im Iran nach wie vor geprägt ist von einer bilateralen Spannung vor allen Dingen gegenüber den USA. Wenn die USA um diese bilateralen Gespräche sozusagen bitten würden, dann würden die Iraner sich als gleichberechtigten Gesprächspartner ernst genommen sehen. Ich meine, das wäre eine wichtige Voraussetzung, um die bramarbasierende Redeweise des iranischen Präsidenten vielleicht zu beenden.

    Meurer: Wenn die Amerikaner zu diesen direkten Verhandlungen bereit wären, wäre ihre Verhandlungsposition dann nicht von Anfang an geschwächt, wenn die Amerikaner dann auf das Instrument der Sanktionen verzichten?

    Eisele: Ich glaube nicht, dass sie das tun würden, sondern das Angebot bilateraler Gespräche in diesem Themenbereich würde die Handlungsoptionen, die dem Sicherheitsrat zur Verfügung stehen, ja nicht einschränken. Insofern halte ich auch für richtig, dass die Vereinigten Staaten die Möglichkeiten militärischer Zwangsmaßnahmen aus dem theoretischen Arsenal der Handlungsoptionen nicht kategorisch ausschließen. Denn in den Bereichen der Welt, um die es sich hier handelt, muss eine deutliche Sprache oft auch mit den operativen Möglichkeiten entschlossenen Handelns unterstrichen werden können.

    Meurer: Schönen Dank. Das war Manfred Eisele, der ehemalige beigeordnete UNO-Generalsekretär. Danke, Herr Eisele, und auf Wiederhören.

    Eisele: Auf Wiederhören, Herr Meurer.