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Eishockey
Kampf gegen Schauspielerei

Im Fußball gibt es seit neuestem den Video-Assistenten. Im Eishockey gibt es seit Beginn der neuen Saison die sogenannte "Schwalbenliste". Spieler, die ein Foul oder eine Verletzung vortäuschen, werden dort vorgemerkt. Im Wiederholungsfall drohen drastische Strafen.

Von Daniela Müllenborn | 01.10.2017
    Ein Spieler der Kölner Haie und einer der Augsburg Panther liegen nach einem Foul auf dem Eis
    Fouls wie dieses werden in der DEL nach dem Spiel nun analysiert. (imago sportfotodienst)
    Kufen schrappen übers Eis, der Puck knallt gegen eine Bande. Eine Zuschauerin findet: "Es ist schnell. Es ist dynamisch. Es ist manchmal ein echter Krimi. Man schreit teilweise mit, wenn sich geprügelt wird." Ein Mann sagt, er möge besonders: "Härte, Tempo."
    Eishockey – nichts für Weicheier, heißt es. Und: nichts für Schauspieler. Eine Schwalbe, also ein vorgetäuschtes Foulspiel des Gegners, wie man es im Fußball ständig sieht verstößt auf dem Eis gegen den Ehrenkodex!
    Trotzdem gibt es auch im Eishockey hier und da Spieler, die zu solchen und anderen unfairen Mitteln greifen. Und denen hat die Deutsche Eishockey-Liga mit ihrem Spielbetriebsleiter Jörg von Ameln jetzt den Kampf angesagt:
    "Wir mussten eingreifen"
    "Die klassische Schwalbe ist im Eishockey verpönt. Und das ist auch relativ selten. Aber sie sind sehr ärgerlich. Gerade, wenn nach einem Foulspiel eine schwere Verletzung simuliert wird. Dann ist der Schiedsrichter gezwungen eine große Strafe auszusprechen, mit großen Konsequenzen für den Spieler, der wird dann vom Spiel ausgeschlossen, die Mannschaft spielt in Unterzahl. Das hat schon Auswirkungen auf das Spiel, und dann sehen wir den gefoulten Spielern 30 Sekunden später wieder herumspringen. So als wäre nichts gewesen. Und da mussten wir eingreifen."
    Denn die Fälle von Schauspielerei auf dem Eis haben zugenommen. Das sagt Lars Brüggemann, ehemals Spieler, heute Leiter des Schiedsrichterwesens bei der Deutschen Eishockey Liga: "Also im Eishockey ist das nicht so ein großes Problem, wir haben aber gemerkt, dass das so langsam in unsere Sportart reinkriecht, und wir wollen präventiv dagegen angehen, um zu verhindern, dass es sich festsetzt und irgendwann zu einem großen Problem wird."
    Also müssen die Spieler nun damit rechnen, in einer neu eingeführten Sünder-Kartei zu landen - auf der Schwalben-Liste oder "Diving-Liste", wie sie auf Englisch heißt. Bei einem einmaligen Vergehen kommen die Fair-Play-Sünder noch mit einer Ermahnung davon.
    Analyse erst nach dem Spiel
    Spielbetriebsleiter von Ameln: "Wenn es zu einem solchen Vorfall kommt, dann wird das aufgeschrieben, da wird drüber gesprochen, und wenn die Sache eindeutig ist, dann wird der Spieler angerufen und er wird darüber informiert, dass wir so ein Verhalten nicht dulden und dass das unsportlich ist. Und wenn er das nochmal macht während der Saison, dann kommt er auf die Liste. Und diese Liste wird intern an sportliche Leiter, Spieler und Schiedsrichter verschickt. Wenn er es dann noch mal macht, dann operieren wir mit Geldstrafen und ganz zum Schluss auch mit Geldstrafen für den Trainer, denn schließlich ist der Trainer ja für seine Spieler verantwortlich."
    Während eines laufendendes Spiels verändert sich durch die neue Regelung nichts. Das einzige technische Hilfsmittel bleibt der Videobeweis beim Torentscheid, im Eishockey schon lange etabliert. Dann unterbrechen die Schiedsrichter um ihren DEL-Chef Lars Brüggemann die Partie. Um verdächtige Situationen und mögliche vorgetäuschte Verletzungen geht es dann erst in einer Analyse nach dem Spiel.
    "Also unsere Spiele werden komplett gemonitort. Vor Ort sind Schiedsrichter-Coaches da, die das Spiel beobachten und sich Szenen aufschreiben, oder auch am Fernsehen, Spiele sich anschauen. Und sollten zweifelhaften Szenen da sein, werden die von uns überprüft."
    Von Ameln: "Wir schauen uns alle Szenen nach dem Spiel an."
    Merklicher Erfolg
    Vorbild für die Diving-Liste ist die nordamerikanische Profi-Liga NHL. Dort wird die Liste – anders als in der DEL - sogar veröffentlicht. Das heißt auf der Homepage der NHL kann jeder Fan genau nachlesen, welcher Spieler sich welche Unsportlichkeit geleistet hat. Auf dieser Liste sind dabei die Vergehen aufgeführt, die unter Schauspielerei und Täuschung fallen. Zum Beispiel: Wer hat sich theatralisch fallen lassen, um einen Penalty, also eine Strafstoß, für seine Mannschaft herauszuholen? Oder wer hat eine Verletzung vorgetäuscht, um für den Gegner eine höhere Strafe zu bewirken? In Nordamerika gibt es die Liste seit drei Jahren. Im ersten Jahr wurden zehn Spieler bestraft, im dritten nur noch sechs. Für die Verantwortlichen ein Zeichen dafür, dass die Liste Wirkung zeigt. In der Deutschen Eishockey Liga tut sie das - auch ohne Veröffentlichung - bereits nach wenigen Wochen, sagt Spielbetriebsleiter Jörg von Ameln:
    "Es gab drei Fälle, die wurden diskutiert, da hat man sich aber entschieden, dass es nicht eindeutig ist und es ist nicht auf die Liste gekommen. Wir merken es aber. Es gibt da eine Anekdote, da ist ein Spieler gestolpert und gefallen, direkt wieder aufgestanden und zum Schiri hin und hat gesagt, ne, ne, das war kein Foul, ich bin über meine Schlittschuhe gefallen, bitte nicht auf die Liste schreiben. Also die Spieler wissen das schon und die finden das auch gut."
    Denn Eishockey soll bleiben, was es größtenteils ist: knallharter Sport zwar, aber fair – und ohne Schauspieler.