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Eiskerne, Polarkappen und Mikroorganismen

Vor 25 Jahren, am 15. Juli 1980 wurde in Bremerhaven das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung gegründet. Neun Monate später bereits entstand die berühmte Neumayer-Station, ein Forschungslabor im ewigen Eis, benannt nach dem 1909 verstorbenen deutschen Geophysiker und Polarforscher Georg von Neumayer, der sein Augenmerk vor allem auf den Südpol richtete.

Von Ursula Storost |
    Die Arbeit des weltweit angesehenen Institutes spielt sich naturgemäß vor allem in der Kälte ab. Die Wissenschaftler haben Polarkappen, Eiskerne und Mikroorganismen im Visier. Und die Klimaforschung ist ein zentraler Bereich der Arbeit.

    An einem heißen Sommertag ist es erfrischend, in die frostige Kühle des Eiskernlabors im Alfred-Wegener-Institut einzutauchen. Im wattierten Winteranzug stapfen die Wissenschaftler in das -20 Grad kalte Winterlager.

    " Was sie hier jetzt sehen , ist ein Eiskern, der vor drei Jahren in der Antarktis gebohrt worden ist und aus 809 Meter Tiefe kommt. Und wenn Sie genau hierher schauen, dann sehen Sie hier eine etwa zwei Zentimeter breite Drecklage. das ist ein Vulkanausbruch, der vor etwa 15.000 Jahren stattgefunden hat, und jetzt die zwei Zentimeter entsprechen etwa dem Niederschlag von einem Jahr. Man sieht an diesem Beispiel, dass der Vulkanausbruch soviel Ascheteilchen in die Atmosphäre geworfen hat, dass über ein Jahr lang die Atmosphäre mit den Ascheteilchen belegt gewesen ist und wir finden sie dann im Eis wieder nach 15.000 Jahren. "

    Sepp Kippstuhl, Glaziologe, also Eisforscher am Alfred-Wegener-Institut präsentiert eine der in Styroporkisten gelagerten, etwa einen Meter langen Eisstangen. Sie stammt von einer der Südpolexpeditionen, die das Institut einmal im Jahr unternimmt. Im Labor soll der Eiskern jetzt auf Schadstoffe, Schwefelgehalt und Treibhausgase hin untersucht werden. Eine Methode, um das Klima vor zehn-, ja hunderttausenden von Jahren zu rekonstruieren. Sepp Kippstuhl:

    " Klima ist ja mehr oder weniger die Statistik des Wetters. Und wenn Sie sich so zurückerinnern, was Sie in ihrem Leben oder ich in meinem an Klima erfahren hab, ist das ja relativ wenig. Wir wissen, dass es wärmere Sommer, kühlere, nassere, trockenere usw. gibt, aber das Klima in der vollen Bandbreite, das kennen wir nicht und das muss man rekonstruieren und dazu sind die Eiskerne die direkteste Quelle zum Klima überhaupt. Eis ist ja Schnee aus der Atmosphäre, enthält Luft aus der Atmosphäre, enthält die Spurenstoffe aus der Atmosphäre. Eis ist also der direkteste Zugang zum Klima in der Vergangenheit und auch zu den Klimavariationen und zur Statistik des Klimas."

    Das Klima war von Anbeginn eines der Hauptanliegen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. Der biologische Ozeanograph Ullrich Bathmann verweist auf den Namensgeber.

    " Alfred Wegener ist getrieben worden durch die Frage, welches Wetter finden wir über Grönland oder über den Polkappen der Nordhemisphäre. Aus meteorologischer Sicht ist dort ganz wenig bekannt gewesen. Und ein gute Wettervorhersage hat damals schon erkannt, dass die Wetterbedingungen über großen Polkappen ganz großen Einfluss auf das Wettergeschehen auf der gesamten Nordhalbkugel haben. Und ohne Wetterbeobachtung über Grönland ist eine Vorhersage des Wettergeschehens auf der Nordhalbkugel gar nicht möglich ist."

    Um den Lösungen zu den ungeklärten Wetterfragen näher zu kommen hat das Alfred-Wegener-Institut seit Jahren das Forschungsschiff Polarstern in seine Dienste gestellt.

    " Es ist immer noch eins der besten und leistungsfähigen eisgängigen Forschungsschiffe weltweit und auch die Nachbauten aus den anderen Nationen haben nicht die Kapazitäten erreicht, was die Polarstern aufweist. Die Anordnung der Labore, die Möglichkeit zusammenzuarbeiten ist bei Polarstern immer noch am besten verwirklicht worden."

    Als Biologe untersucht Ullrich Bathmann den Lebensraum des Ozeans, die Vermehrung von Kleinstlebewesen wie Plankton und Krill. Alle anderthalb Jahre geht er für etwa zwei Monate auf Polarexpeditionen und sammelt Proben, die er dann in Bremerhaven auswertet.

    " Je weiter wir nach Süden kommen, desto längere Winter finden wir. Wir haben große Durchmischungstiefen im Wasser, so dass Organismen, die auf das Licht in der oberen Wasserschicht angewiesen sind, im Winter bis zu 100 Meter Wassertiefe hinuntergemischt werden. Und wie können diese Organismen es über Zeitskalen der Evolution, ich spreche hier über mehrere Millionen Jahre, wie haben die es sichergestellt, trotzdem Jahr für Jahr ihre Art immer wieder an die Oberfläche zu bringen und zu blühen. Wie sind diese Arten aufeinander eingestimmt? Und wenn Veränderungen stattfinden, wie reagiert so ein diffizil aufeinander eingestimmtes Artengefüge auf solche Veränderungen?"

    Fragen, die in den nächsten Jahrzehnten vielleicht geklärt werden können. Der Ozeanograph Eberhard Farhbach befürchtet allerdings, dass die öffentlichen Gelder für die langfristigen Forschungsprojekte des Instituts versiegen könnten.

    " Wir stehen natürlich auch in der Kritik und in diesen Kritiken wird natürlich häufig nach dem schnellen Ergebnis gefragt. Und dieses schnelle Ergebnis ist bei derartigen Vorgängen nicht zu bringen. Schnelle Ergebnisse sind häufig morgen schon nicht mehr aktuell oder richtig. Und deswegen sind wir hier mehr für ein vorsichtiges Herangehen an die Tatsachen und nicht für das schnelle auf den Markt bringen von Katastrophenmeldungen."