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Eislauf-Union
EU-Kommission stärkt Athleten-Rechte

Die Eislauf-Union (ISU) muss ihre Statuten ändern, damit Athleten auch an Events außerhalb der ISU teilnehmen dürfen. Damit hat die EU-Kommission zwei Sportlern Recht gegeben, denen die Teilnahme an einem Privat-Wettbewerb untersagt worden war. Eine Entscheidung mit Folgen.

Von Heinz Peter Kreuzer | 09.12.2017
    Der niederländische Eisschnellläufer Mark Tuitert
    Der niederländische Eisschnelllauf-Olympiasieger Mark Tuitert hatte sich über Sanktionen der Eislauf-Union beschwert. (Imago sportfotodienst)
    Weniger Einfluss für die Sportverbände, beschränkt durch die EU-Kommission. Eine Entscheidung, die bei vielen Verbänden für Schrecken sorgen könnte. Gibt es die sogenannte markbeherrschende Stellung doch in beinahe allen Sportorganisationen bis hin zum Internationalen Olympischen Komitee. Hatte sich der Reitsport-Weltverband im Streit mit einem privaten Turnierveranstalter noch außergerichtlich geeinigt, um einen Präzedenzfall zu vermeiden, gibt es den genau jetzt.
    Beschwerde zweier Weltklasse-Athleten
    Und zwar durch die Entscheidung der Europäischen Kommission im Fall der Internationalen Eislauf-Union ISU. Dabei ging es um die Beschwerde der beiden niederländischen Weltklasse-Eisschnellläufer Mark Tuitert und Niels Kerstholt. Ihnen hatte der Weltverband untersagt, an einem hochdotierten Privat-Wettbewerb in Abu Dhabi teilzunehmen. Andernfalls drohten ihnen laut ISU-Reglement Strafen bis zu einer lebenslangen Sperre. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager kommentiert:
    "Diese Regeln verhindern, dass Sportler an Wettbewerben teilnehmen, die nicht von der ISU oder ihren Mitgliedern autorisiert wurden. Die Sportler verlieren so die Chance, zusätzlich Geld zu verdienen."
    Konflikt mit EU-Wettbewerbsrecht
    Und da die Eislauf-Union ein Monopolist ist, der als einziger Dachverband für Eisschnelllauf und Eislaufen vom IOC anerkannt wird, widerspreche dies dem EU-Wettbewerbsrecht. "Entweder der Verband schafft seine Zulassungsregeln ab", so Vestager, "oder er verändert sie so, dass sie objektiven Kriterien unterliegen. Beispielsweise dem Schutz der Gesundheit der Athleten oder dem Verhindern von Doping. Aber die Regeln dienen nicht dazu, die kommerziellen Interessen der ISU durchzusetzen."
    Die Dimension dieser Entscheidung könnte ähnlich weitreichend sein wie das Bosman-Urteil, meint Kartellrechlter Mark E. Orth. Damals wurde das Transfersystem im Fußball revolutioniert. Nach Vertragsende können Spieler seitdem ablösefrei den Verein wechseln. Die jetzige Entscheidung der Kommission öffne Sportlern und Klubs die Tür zur kommerziellen Freiheit, bestehe doch aktuell ein Interessenkonflikt bei den Verbänden, "die ja zum einem sich selber vermarkten", erklärt Orth, "und darüber hinaus die Athleten vermarkten. Und wenn die dann die Athleten in ihrer Vermarktung beschränken, besteht ein Interessenkonflikt."
    Ein Urteil mit weitreichenden Folgen?
    Für Jurist Orth kann das Urteil auf weitere laufende Verfahren zwischen Athleten und Verbänden angewendet werden. Wie zum Beispiel bei der umstrittenen Werberichtlinie der Regel 40 der IOC-Charta. In Deutschland haben Sportler gegen das Verbot rund um die Olympischen Spiele mit eigenen Sponsoren werben zu dürfen, Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht. Die Wettbewerbshüter haben in der Sache auch ein Verwaltungsverfahren gegen den Deutschen Olympischen Sportbund eingeleitet.
    "Der ISU-Fall", so Orth, "befördert auf jeden Fall die Beschwerdeführer vor dem Bundeskartellamt. Denn hier wie dort besteht ein Interessenkonflikt bei der kommerziellen Vermarktung. Der DOSB, der über die Anwendung der IOC-Regeln entscheidet, vermarktet sich ja selber. Und kann aber zugleich in seiner Rolle als Sportregulator die Möglichkeiten der Athleten in der Vermarktung beschränken, da besteht ein Interessenkonflikt, und da kann man die Entscheidung zur ISU leicht übertragen."
    Und es geht sogar noch weiter. Auch Verbände von Mannschaftssportarten müssen sich vielleicht auf eine Situation einstellen. Die Europäische Fußball-Union und auch der kontinentale Handball-Verband haben sich zuletzt mit den Vereinen auf finanzieller Basis einigen und damit bisher private Ligen verhindern können. Die aktuelle EU-Entscheidung stärkt für die Zukunft aber die Position der Klubs, sagt Jurist Orth: "Die ISU-Entscheidung fördert die Möglichkeit von Klubs im Fußball, aber auch im Handball, eigene Ligen außerhalb der Sportverbände zu gründen."