Eisiger Wind und Grasland bis zum Horizont - dieses Bild machten sich Wissenschaftler bislang von der Heimat der Mammuts und Wollnashörner am Ende der jüngsten Eiszeit. Damit könnten sie jedoch falsch liegen. Nicht, dass der Wind warm gewesen wäre: Vielmehr scheint die arktische Vegetation vollkommen anders ausgesehen zu haben:
"Wir haben anhand von mehr als 240 sicher datierten Proben überall aus der Arktis die Vegetationsveränderungen während der vergangenen 50.000 Jahre untersucht. Uns interessierten auch die Folgen für die Ökosysteme, besonders warum vor etwa 10.000 Jahren auf der Nordhalbkugel mehr als zwei Drittel aller großen Säugetiere ausstarben. Die Debatte dreht sich darum, ob es das Klima war oder der Mensch. Für unsere Analysen haben wir nun die Umwelt-DNA untersucht."
In den Permafrostböden bleibe die DNA erhalten - und diese recht neue Methode umgehe einige Nachteile der traditionellen Pollenanalyse, erklärt Eske Willerslev von der Kopenhagener Universität:
"Beispielsweise sind in Pollenanalysen Pflanzen überrepräsentiert, die viele Samen produzieren. Andere, die kaum Samen freisetzen, fehlen ganz, obwohl sie in großen Mengen gewachsen sind. Bei der Umwelt-DNA untersuchen wir keine Pollen, die der Wind außerdem von weit her heran transportiert haben kann, sondern Pflanzenstiele und Blätter, Blüten und Samenkapseln. Studien belegen, dass diese Methode widerspiegelt, was tatsächlich an einem Ort wächst."
Neben der Pflanzen-DNA analysierten die Forscher auch die DNA im uralten Dung der großen Säugetiere. Der verrät, wer dort gelebt und was er gefressen hat. So entstand ein neues Bild der eiszeitlichen Arktis:
"Wir fanden heraus, dass die Steppenvegetation vor 50.000 bis 25.000 Jahren viel artenreicher war als heute. Zu unserer Überraschung dominierten jedoch nicht die Gräser, sondern die Kräuter. Und die sind sehr viel proteinreicher als Gräser."
Und so verrät der Dung, dass eben diese proteinreichen Kräuter und nicht die Gräser die Mammut- und Bisonherden satt machten. Dann änderte sich das Klima. Vor 25.000 bis 15.000 Jahren erreichte die Eiszeit ihren Höhepunkt. Während sich in der Pollenanalyse diese harschen Bedingungen nicht abzeichnen, belegt die Umwelt-DNA einen deutlichen Rückgang in der Artenvielfalt der Kräuter:
"Trotzdem brach das System nicht zusammen, die Kräuter dominierten weiterhin, der Megafauna ging es gut. Doch dann wurde das Klima allmählich wärmer und feuchter. Vor etwa 10.000 Jahren änderte sich die Vegetation grundlegend: Gräser und Büsche lösten die Kräuter ab, die Artenvielfalt blieb seitdem reduziert."
Das Verschwinden der Kräuter und das Vordringen der Gräser hatte Folgen, denn davon wurde ein Mammut anscheinend nicht satt: Die großen Säugetiere verschwanden. Die Analysen legen außerdem eine enge Beziehung zwischen Kräutern und Megafauna nahe: Die Kräuter waren die Grundlage für das Überleben von Mammut und Co. - und die wiederum zertrampelten die Grasnarbe, sorgten für Lücken, in denen die Kräuter gut wachsen konnten:
Willerslev: "Unsere Daten zeigen, dass die Entwicklung eines Ökosystems nicht nur eine Sache von Temperatur- und Niederschlagsveränderungen ist. Vielmehr spielt die Vegetationsgeschichte eine zentrale Rolle."
Und so entwickelte sich der Höhepunkt der Eiszeit zu einem Flaschenhals: In dieser Phase waren so viele Pflanzenarten verschwunden, dass sich das alte Ökosystem nicht erholen konnte. Das habe das Aussterben der arktischen Megafauna besiegelt, vermutet Eske Willerslev. Der Mensch hätte den angeschlagenen Riesen allenfalls den Rest gegeben. Und mit dieser Schlussfolgerung geht die alte Debatte wohl in die nächste Runde.