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Eitel, egoistisch und einsam

Mavis ist eine dieser Queen-Bitches, die man aus unzähligen High School-Komödien kennt. Aber sie ist nie aus dieser Rolle heraus gekommen. Jason Reitmans neuer Film "Young Adult" erzählt mit Charlize Theron in der Hauptrolle von einer Frau, die am Fluch der ewigen Jugend zerbricht.

Von Josef Schnelle |
    "Willkommen im Hampton-Inn. Ist da ein Hund in Ihrer Tasche?" – "Nein!" – "Wie viele Schlüssel brauchen Sie?" – "Zwei bitte."- "Erwarten Sie jemanden?"

    Mavis ist 40. Sie ist zurück in ihrer Heimatstadt und sie erwartet tatsächlich jemanden in dem kleinen Hotel am Rande von Mercury Minnesota. In der Großstadt ist die Schönheitskönigin aus der High School eine einigermaßen erfolgreiche Lohnschreiberin von Jugendromanen mit dem Rubriktitel "Young Adult" geworden, die man im Supermarkt mitgehen lassen kann. Doch sie ist einsam, immer online, alkoholabhängig und lebt im Messi-Müll. Der kleine Hund, den sie ins Hotelzimmer schmuggeln will, ist ihr einziger Trost. Eine Massenrundmail, in der ihr Ex-Freund Buddy stolz aller Welt verkündet, dass er gerade Vater geworden ist, bringt sie auf den dummen Gedanken, etwas nachzuholen, was sie anscheinend versäumt hat. Auch ihren Eltern, bei denen sie doch noch überraschend auftaucht, teilt sie das mit.

    "Hast du Freunde von früher gesehen, seitdem du hier bist?" – "Tatsächlich hab ich ziemlich oft Buddy getroffen." – "Oh der alte Verehrer?" – "Ihr beide wart ein so süßes Paar auf der High School." – "Es ist schon lustig, dass der erste Instinkt meist der richtige ist.Ich meine, man macht im Laufe des Lebens so viele Fehler. Aber das Schicksal sorgt dafür, dass man am Ende bei dem landet, für den man bestimmt ist."

    Jason Reitman und seine Drehbuchautorin Diablo Cody brechen mit diesem Film alle Regeln des romantischen Melodramas. Ihre Heldin mag man im Verlaufe des Films immer weniger und folgerichtig wird ihr ein kleines Glück oder gar ein Happy End regelrecht vorenthalten. Auch ihre außergewöhnliche Schönheit, die ihr die Schauspielerin Charlize Theron verleiht, ist kein Gewinn, sondern eher eine Belastung.

    Mavis ist eine dieser Queen-Bitches, die wir aus unzähligen High School Komödien kennen. Aber sie ist nie aus dieser Rolle heraus gekommen und leidet unter dem Fluch der scheinbar ewigen Jugend. Schließlich kommt sie mit dem festen Vorsatz in die Stadt, eine Ehe zu zerstören. Das, so glaubt sie, ist ganz einfach eine Sache des Auftritts.

    "Ich suche etwas, das chic, schlicht und doch gewagt ist. Ich will auf ein Rockkonzert mit meiner alten Flamme. Es könnte sein, dass wir wieder zusammen kommen." – "Dann müssen Sie ihm zeigen, was ihm entgangen ist." – "Er hat mich kürzlich gesehen, er weiß es. Aber seine Frau hat mich schon länger nicht gesehen."

    Kann man einmal Versäumtes einfach nachholen? Und das ausgerechnet im ehemaligen Stammlokal und bei der Meet-The-Baby-Party von Buddy und seiner Frau Beth. Mit der Milchpumpe in der Hand muss Mavis Ex-Freund fassungslos zusehen, wie sie auftaucht und erwartet, dass er auf der Stelle mit ihr davonlaufen wird. Ein verschütteter Drink lässt die Situation in diesem Anti-Melodrama eskalieren. "Young Adult" ist die erste Zusammenarbeit von Reitman und Diablo Cody, deren Debüt "Juno" die Neuausrichtung des amerikanischen Independentkinos ankündigte.

    Auch Reitman hat dazu mit seinem tragikomischen Porträt eines eitlen selbstgefälligen Mannes, der zehn Millionen Bonusmeilen sammeln möchte, in "Up in the Air" ebenfalls seinen Beitrag geleistet. Während das Mainstreamkino in Formeln erstarrt, scheint sich am Rand der amerikanischen Filmbranche ein neues Kino zu entwickeln. Dass für solche Film Stars wie Charlize Theron und bei "Up in the air" George Clooney gewonnen werden konnten, zeigt, dass diese neue stilistische und thematische Ernsthaftigkeit inzwischen Beachtung findet. Den Schlüssel zu dieser Art von Kino bietet die Drehbuchkunst, die auch schwierige Charaktere nicht scheut. Mavis zum Beispiel ist ja ein emotionales Monster, dem in diesem Film jegliche Sympathie versagt wird, und so braucht der Film eine echte Identifikationsfigur als Gegenspieler. Das ist Matt, dessen Spind während der gesamten High School-Zeit neben dem der damals beliebten Beauty-Queen war, der sie chancenlos still verehrt hat und der sie tröstet, indem er ihr die Wahrheit sagt:

    "Buddy Slade und ich sind füreinander bestimmt. Und ich bin hier, um ihn mir zurückzuholen." – "Soviel ich weiß, ist er verheiratet und ein Kind ist unterwegs." – "Nein, ist schon da. Ich seh das ganz locker: Jeder schleppt was mit sich rum." – "Ich an Deiner Stelle würd das schön für mich behalten und mir nen Therapeuten suchen."