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Eizellen gegen Geld

Ethik. - Ein bestimmter Teil der biomedizinischen Forschung steckt in einer Klemme. Für alles, was mit embryonalen Stammzellen zu tun hat, braucht man Eizellen als Grundlage für die Entwicklung der Zelllinien. Doch Eizellen sind rar, und noch rarer sind die von jungen Frauen. Ein US-Bioethiker schlägt jetzt in "Nature" vor, die Spendenbereitschaft der Frauen durch Aufwandsentschädigungen zu stimulieren. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange bewertet den Vorschlag im Gespräch mit Monika Seynsche.

    Seynsche: Herr Lange, wie sieht der Vorschlag aus?

    Lange: Der Wissenschaftler Insoo Hyun von der Case Western Reserve Medical School in Cleveland, Ohio, schlägt vor, den Frauen eine Entschädigung zu zahlen, die eine Eizellenspende machen, die die freiwillig machen, die die gut informiert machen, unter kontrollierten Bedingungen, aber das ist jetzt sozusagen eine grundsätzliche Veränderung, dass jetzt Geld bezahlt wird, und zwar wie es heißt, für den Aufwand und für die Unannehmlichkeiten. Aber der Wissenschaftler nennt keine Summen, was gezahlt wird.

    Seynsche: Vorher wurde überhaupt kein Geld gezahlt?

    Lange: In den USA sind die Richtlinien so, dass Wissenschaftler kein Geld für die Eizellen selbst zahlen, dass sie allenfalls mal Reisekosten zahlen können, oder einmal eine Übernachtung übernehmen. Aber in der Reproduktionsmedizin werden durchaus große Summen für die Eizellenspenderinnen gezahlt, das sind teilweise über 2000 Dollar pro Eizellenspende. Und da ist natürlich jetzt ein Missverhältnis entstanden. Die Forscher, die bekommen bisher die meisten ihrer Eizellen für die Forschung aus der Reproduktionsmedizin, Eizellen die übrig geblieben sind. Also Frauen, die sich einer In-vitro-Fertilisation unterziehen, spenden Eizellen, nicht alle werden befruchtet, nicht alle werden gebraucht. Die übrig gebliebenen können sie gratis der Forschung spenden, aber da gibt es Probleme. Den Forschern sind diese Eizellen meist zu alt, sie stammen von Frauen, die meistens so Mitte, Ende 30 sind, und die Forscher glauben, dass sie mit Eizellen von jüngeren Frauen besser forschen können.

    Seynsche: Sie haben gerade den großen Aufwand angesprochen. Wie läuft so eine Eizellenspende ab?

    Lange: Das ist durchaus aufwendig. Die Frauen müssen mehrfach zum Arzt, müssen mehrfach in die Klinik. Am Anfang steht eine Hormonbehandlung, tägliche Hormonspritzen über drei Wochen, und dann findet auch eine kleine Operation statt, wo diese Eizellen entnommen werden, also es ist wirklich eine aufwendige Behandlung, das stimmt.

    Seynsche: Und was gibt es für Risiken für die Frauen?

    Lange: Auch die sind nicht unerheblich. Es gibt verschiedene Nebenwirkungen, wie Stimmungsschwankungen oder gelegentliche Schmerzen. Das wichtigste ist aber ein so genanntes Überstimulierungssyndrom, das ist eine durchaus gefährliche Komplikation, die muss im Krankenhaus behandelt werden. Es gibt einzelne Fälle, wo die Frauen dadurch unfruchtbar wurden, und es gibt auch einzelne Todesfälle. Allerdings ist nicht klar, ob da auch die Betreuung optimal war. Es ist aber auf jeden Fall ein Risiko dabei. Wie hoch das Risiko dieses Überstimulierungssyndroms ist, das ist nicht ganz klar. Es gibt da keine Studien. Also die Angaben liegen zwischen 0,5 Prozent bis zu fünf Prozent.

    Seynsche: Eizellen sind knapp im Moment. Wie kommt der Mangel überhaupt zustande?

    Lange: Sie sind knapp vor allen Dingen in der Forschung. In der Reproduktionsmedizin hat man diesen Mangel umgangen, indem man viel Geld für Spenden zahlt, oder das ganze nach Osteuropa, wie es in Europa ist, verlagert. In der Forschung kommt man an diese Eizellen, an diese Quellen sozusagen nicht heran. Die Forschung braucht aber mehr Eizellen, weil die Stammzellenforschung jetzt doch wieder in Richtung therapeutisches Klonen geht. Das heißt, es werden Eizellen gebraucht, die dann die Grundlage sind. In diese Eizellen werden Körperzellen verpflanzt und daraus sollen Embryonen entstehen. Und es gibt mehrere Forschergruppen, in Großbritannien vor allen Dingen und den USA, die jetzt Projekte gestartet haben, und jetzt merkt man eben, die Eizellen sind nicht gut genug, die Eizellen sind nicht da, und deshalb ist jetzt diese Diskussion gestartet worden. In diesem Umfeld ist auch diese Wortmeldung im Fachblatt "Nature" zu verstehen.

    Seynsche: Wenn man jetzt sagt, die Frauen für die Eizellspenden zu bezahlen, gründet das nicht einen Markt.

    Lange: Im Grunde ja, aber diesen Eizellenmarkt, den gibt es ja schon. Es wird ja in den USA gezahlt, es wird ja von den reproduktionsmedizinischen Kliniken, ich habe es gesagt, 2000 Dollar und mehr gezahlt. In Europa ist im reproduktionsmedizinischen Bereich einiges verboten, da wird nicht gezahlt. Aber die Frauen, die eine Eizellspende brauchen, gehen jetzt nach Osteuropa, nach Rumänien, in die Ukraine, und da wird den Spenderinnen nur 150 Euro gezahlt. Also ein Markt existiert, die Frage ist, mischen die Wissenschaftler jetzt in diesem Markt mit, wollen sie mitmischen. Und da wird die Entwicklung in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, wo die Reise hingeht.